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Juwelendiebstahl-Prozess: Angeklagter soll Alibi haben

Neue Überraschung im Prozess um den Einbruch ins Dresdner Grüne Gewölbe: Ein Angeklagter soll sich kurz vor der Tat in einer Berliner Klinik befunden haben.

Von Alexander Schneider
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Das Verfahren wegen des Juwelenraubs aus dem Grünen Gewölbe ging am Dienstag in die nächste Runde.
Das Verfahren wegen des Juwelenraubs aus dem Grünen Gewölbe ging am Dienstag in die nächste Runde. © Archiv/Jürgen Lösel

Dresden. Nachdem erst vor wenigen Wochen ein Angeklagter seine Beteiligung an dem Einbruch ins Historische Grüne Gewölbe bestritten hat, soll nun ein weiterer Angeklagter sogar ein Alibi haben. Das behaupten seine Verteidiger am Dienstag in dem Prozess am Landgericht Dresden.

Kurz vor der Tat am Morgen des 25. November 2019 habe sich ihr Mandant, der 24-jährige Ahmed Remmo, in der Notaufnahme einer Klinik in Berlin-Neukölln befunden. Ein auf dem Handy seiner Freundin sichergestelltes Foto zeige den Angeklagten um 0.43 Uhr im Wartebereich. Um 0.40 Uhr sei die Krankenkarte des Patienten eingelesen worden, der ärztliche Entlassungsbrief nach der HNO-Behandlung sei ihm um 2.46 Uhr übergeben worden. Da hätte er längst auf dem Weg nach Dresden sein müssen, um den Einbruch begehen zu können. Kurz: Der 24-Jährige könne nicht beteiligt gewesen sein.

Grund für die Stellungnahme war die Kritik an Maßnahmen der Ermittler, jedenfalls wie sie die Verteidiger darstellen. Das Foto sei erst im Dezember 2021 entdeckt worden, einen guten Monat vor Prozessbeginn. Die Verteidiger kritisieren, die Ermittler ignorierten den Wunsch ihres Mandanten, sich nicht zu den Vorwürfen äußern zu wollen.

Angeblich sei Ahmed Remmo im Auftrag der Polizei von einem Justizbediensteten gefragt worden, ob er Raucher sei. Die Frage habe auf die Behandlung in der Klinik abgezielt. Da grabe die Polizei „absolut entlastende Sachen“ aus, so eine Verteidigerin, aber versuche sich anschließend an „komischen Ermittlungen“. Es gebe keine Spuren am Tatort von ihrem Mandanten, nun auch noch ein Alibi.

Staatsanwalt Christian Weber entgegnete, er wundere sich über die Kritik, dass die Staatsanwaltschaft auch entlastenden Umständen nachginge. Der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel verwies auf einen neuen Aktenstand, der den Beteiligten nun mitgeteilt werde. Ob die HNO-Behandlung den Angeklagten entlasten wird, muss die Beweisaufnahme zeigen. Ahmet Remmo verbüßt derzeit eine Jugendstrafe von viereinhalb Jahren für seine Beteiligung am Diebstahl der Goldmünze im Bode-Museum Berlin.

Im Mittelpunkt: der Brand im Pegelhaus

Eine 31-jährige Fahrradfahrerin berichtete als erste Zeugin, sie habe am Tag des Einbruchs die Augustusbrücke in Richtung Altstadt überquert, als ihr auf dem Fußweg ein Auto entgegengekommen sei. Die Fahrbahn auf der Brücke waren damals wegen Bauarbeiten voll gesperrt. Der Kombi sei ihr kurz nach 5 Uhr "entgegengerast". Personen habe sie in dem Fahrzeug nicht erkannt, sagte die Zeugin. Sie habe die Polizei alarmieren wollen und schon ihr Handy in der Hand gehabt, als ihr der Brand über dem Pegelhaus aufgefallen sei. Daher habe sie zunächst die Feuerwehr alarmiert.

In der Beweisaufnahme stand an diesem siebten Sitzungstag der Brand im Pegelhaus im Mittelpunkt. Den sollen die Angeklagten gelegt haben, um die Straßenlaternen rund um das Residenzschloss für die Tat zu verdunkeln. Um 4.56 Uhr verdunkelten sich die Laternen am Schloss und die Täter drangen durch ein Fenster in das Grüne Gewölbe ein.

Kriminaltechniker haben Beweise für die Brandstiftung sichergestellt, allerdings keine Spuren der Angeklagten, sagte eine Ermittlerin der Sonderkommission "Epaulette". So fanden sich etwa zwei Edelstahlkochtöpfe an dem Tatort, die dort nicht hingehörten. Doch auch daran habe man weder verwertbare Fingerabdrücke noch DNA-Spuren sicherstellen können.

Hoher Schaden

Bereits in der Nacht zum 20. November 2019 sollen die Täter dort eingedrungen sein, um ihre Tat vorzubereiten. Auf einem Überwachungsvideo sei zu sehen, wie in jener Nacht etwas in die Elbe geworfen worden sein muss. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich dabei um einen Feuerlöscher aus dem Pegelhaus gehandelt haben muss. Der wurde ein paar Tage später sichergestellt - allerdings hätten auch darauf keine Spuren mehr gesichert werden können. Den Gesamtschaden des Brands bezifferte sie auf mehr als 127.000 Euro.

Auf den zwei Etagen des Pegelhauses befinden sich elektrotechnische Anlagen von Mobilfunkbetreibern, Stromverteiler, der Pegelbrunnen des Wasser- und Schifffahrtsamtes und dergleichen. Die gesamte Technik sei zerstört worden, sagte ein Ingenieur der Landeshauptstadt im Prozess. Er hatte drei Tage nach dem Brand den zweiten Topf entdeckt.

Seit Ende Januar müssen sich im Zusammenhang mit dem Coup insgesamt sechs junge Männer zwischen 23 und 28 Jahren aus Berlin wegen schweren Bandendiebstahls, Brandstiftung und besonders schwerer Brandstiftung verantworten. Die Deutschen aus der bekannten arabischstämmigen Großfamilie Remmo sollen aus dem berühmten Museum 21 Schmuckstücke mit insgesamt 4.300 Diamanten und Brillanten gestohlen und zudem über einer Million Euro Sachschäden hinterlassen haben.

Ihnen wird neben dem Diebstahl vorgeworfen, einen Stromkasten im Pegelhaus der Augustusbrücke sowie in der Tiefgarage eines Wohnhauses in Pieschen ein Fluchtauto angezündet zu haben. Der Prozess gegen die sechs Angeklagten aus Berlin wird kommenden Dienstag fortgesetzt. (mit dpa)