Grünes-Gewölbe-Prozess: Geständnis oder Schutzbehauptung?

Im Prozess um den Juwelendiebstahl aus dem Historischen Grünen Gewölbe in Dresden im November 2019 hat einer der Angeklagten eine Beteiligung an der Vorbereitung des Einbruchs zugegeben. Der 28-Jährige gab an, er sei am 20. November 2019 von „dem maßgeblichen Tatplaner“ gefragt worden, ob er sich an einem Einbruch beteiligen wolle. Die Sache sei „gut vorbereitet“, „genial“ und die Beute groß: „Ich habe mich schnell überreden lassen.“
Er sei mit zwei weiteren Beteiligten in einem VW Golf, den er schnell geliehen habe, nachts von Berlin nach Dresden gefahren, um den Tatort zu inspizieren. Die Männer hätten sich vor dem Residenzschloss „ein bisschen aufgehalten“, um „die Sichtverhältnisse“ und „Fluchtmöglichkeiten“ auszukundschaften. Er sei auch über die Mauer geklettert. Seine Aufgabe wäre gewesen, vor der Einstiegsstelle Schmiere zu stehen.
Als sie am Abend des 24. Novembers aufbrachen, seien sie jedoch von einer Polizeistreife kontrolliert worden. Dabei wurden Personalien festgestellt und Einbruchswerkzeug im Kofferraum gefunden. Er habe dabei nicht an einen Zufall geglaubt. Die Männer hätten nach der Kontrolle diskutiert, erklärte der Angeklagte: „Für mich war klar, die Sache ist vorbei“. Das Risiko, jetzt noch nach Dresden zu fahren, sei ihm zu hoch erschienen, zumal im Kofferraum auch Einbruchswerkzeug gelegen habe. „Die Tat wurde unabhängig von mir begangen“, so der 28-Jährige. Er habe nicht mitgemacht. Er sei nach Hause und am nächsten Morgen zur Schule gegangen.
Einbruch war Thema während der Autofahrt
Seinen Angaben nach wurde er erst kurz vor dem 25. November 2019 von einem der späteren Täter, "der auch der maßgebliche Tatplaner war", angesprochen. "Er fragte, ob ich mich beteiligen wollte an dem Einbruch", der sei gut vorbereitet, der Plan genial und die Beute groß. Am Abend dann sollte er wie zwei Andere bei der Fahrt nach Dresden eingewiesen werden. "Die waren schon länger involviert und kannten sich vor Ort aus."
Im Auto habe man sich über den Einbruch unterhalten und dass dabei Juwelen von großem Wert entwendet werden sollten. "Ich sollte auf der Straße und vor dem Einstiegsfenster agieren, mit Anderen, und die Beute verladen."
Die Namen von Tätern nenne sein Mandant ausdrücklich nicht, betonte Verteidiger Kempgens. Fragen zu seiner Erklärung werde der Angeklagte nicht beantworten.
Der 28-Jährige ist der älteste der insgesamt sechs Angeklagten, die alle dem sogenannten Remmo-Clan angehören, einer Berliner Großfamilie. Die jüngsten, Zwillingsbrüder, sind gerade 23 Jahre alt geworden und waren zur Tatzeit noch Heranwachsende, weshalb der Prozess vor der Jugendkammer des Landgerichts Dresden stattfindet.

Allen Männern wird neben dem bandenmäßigen Einbruchdiebstahl auch schwere Brandstiftung und Sachbeschädigung vorgeworfen. Ein Fluchtfahrzeug sollen sie in einer Dresdner Tiefgarage in Brand gesteckt haben, was zu einem weiteren enormen Schaden geführt hatte. Sie sollen aus dem Schatzkammermuseum 21 Schmuckstücke mit insgesamt 4.300 Diamanten und Brillanten im Gesamtwert von über 113 Millionen gestohlen und zudem Sachschäden in Höhe von über einer Million Euro hinterlassen haben.
Geständnis oder Schutzbehauptung?
Es ist eine interessante Einlassung des 28-Jährigen. Zum einen hat sich bislang keiner der Angeklagten zu den Vorwürfen geäußert, und auch aus vielen anderen Verfahren ist nicht bekannt, dass Mitglieder der Familie Remmo je Tatbeiträge gestanden hätten. Hinzu kommt, dass der 28-Jährige bereits seit einem Jahr und viereinhalb Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Er wurde schon bei dem ersten Großeinsatz der Dresdner Polizei in Berlin am 17. November 2020 mit zwei weiteren Verdächtigen verhaftet.
Für jemanden, der nur mal kurz nach Dresden gefahren ist und sich „ein bisschen“ vor dem Schloss aufgehalten haben will, ist das eine lange Zeit. Andererseits wären seine Angaben eine Erklärung für DNA- und andere Spuren des 28-Jährigen, etwa am Tatort oder in einem der mutmaßlichen Tat-Fahrzeuge. Bei dem Teilgeständnis könnte es sich daher auch um eine Schutzbehauptung handeln, weshalb der Angeklagte wohl vorerst nicht mit einer schnellen Entlassung rechnen kann.
Video zeigt Aktionen Tage zuvor
Sechs Nächte vor dem Einbruch ins Dresdner Historische Grüne Gewölbe haben sich drei Personen unbehelligt fast eine halbe Stunde am späteren Einstiegsfenster zu dem Museum im Residenzschlosses aufgehalten. Sie kletterten am 19. November 2019 um 2:42 Uhr über eine Mauer vor dem Westflügel, mit großen Taschen, wie auf einem Video der Polizei zu sehen ist, das am Dienstag gezeigt wurde. Zu sehen sind darauf auch noch andere Personen, aber weder Sicherheitsdienst noch Polizei.
Zunächst nähern sich mehrere Personen zu Fuß vom Theaterplatz, sitzen minutenlang auf den Treppenstufen zur Schinkelwache und schauen über die Straße auf den Schloss-Westflügel. Weitere dunkel gekleidete Menschen kommen dazu, gehen wieder weg, bis schließlich drei Personen mit großen Taschen auf die Mauer am nordwestlichen Eckturm zugehen, die in die Umzäunung des Schlosses mündet.
Erst sind noch ihre Schatten an der Fassade des Fensters zu sehen, dann verschluckt sie die Dunkelheit in der Ecke – bis auf zwischenzeitliche Lichtblitze. Erst um 3:09 steigen drei Personen nacheinander zurück über die Mauer - und gehen mit vier anderen davon. Genau zu erkennen sind sie nicht auf den Aufnahmen verschiedener Überwachungskameras.
Geplünderte fürstliche Garnituren waren einzigartig
Der Verhandlungstag begann mit der Zeugenbefragung einer Restauratorin des Museums zu dessen Bedeutung und dem Wert der historischen Juwelen. Die beiden geplünderten fürstlichen Garnituren seien einzigartig in der Welt, sagte die 55-Jährige. "Solche Ensembles in der Geschlossenheit gibt es nicht mehr." Nach der auf Blatt 1258 der Akte erfassten Verlustliste blieben von prominenten Beutestücken wie den Epauletten nur Reste übrig.
Zwei Bedienstete der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) und eine Ermittlerin des Landeskriminalamtes (LKA) betonten den unermesslichen Wert und die weltweite Bedeutung der Dresdner Schmucksammlung, die sich aus ihrer Vollständigkeit ableitet. Diese Vollständigkeit ist seit dem Diebstahl an jenem schwarzen Montag Geschichte. Die LKA-Zeugin sagte, die Diamanten-Garnituren seien nicht versichert gewesen. Exponate seien nur für die Dauer als Leihgabe an anderen Museen versichert worden. Angaben zum Wert habe nach Angaben der Zeugin ausschließlich der Museumsleiter Dirk Syndram gemacht.
Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetzt. (mit dpa)