Lichtblick hilft Künstlern - wie dem Drummer Ronny Garz

Diese Nebenwirkungen sind für alle gestressten Eltern ein Grund zur Freude. Sofern sie sich verallgemeinern lassen. Ronny Garz, Drummer einer Metalband und Schlagzeuglehrer, sagt rückblickend über seine musikalischen Anfänge: „Ich bin durchs Trommeln irgendwie schlauer geworden.“
Als Teenager sei er zunächst ein schwieriger Fall gewesen, gesteht er mit breitem Grinsen. „Keine Lust auf Schule, keine Lust auf irgendwas.“ Mit 17 überkam ihn jedoch plötzlich die Selbstdisziplin: Garz hatte eine Live-DVD der US-Rocker Slipknot in die Finger bekommen, war vor allem vom Drummer Joey Jordison begeistert und wollte ganz genau sein wie dieser. „Zunächst trommelte ich einfach mit Bleistiften auf dem Tisch rum, dann las ich die Anzeige einer Band, die einen Schlagzeuger suchte, keine Vorkenntnisse erwartete, doch dafür das Instrument stellen wollte.“ Garz macht eine dramaturgisch perfekt gesetzte Pause, schüttelt seinen straff hochgebundenen Zopf. „Für mich stand sofort fest: Das wird mein Job!“
Rock ’n’ Roll und Unternehmertum
Ein bisschen dauerte es allerdings noch, bis der 1986 geborene und in Dresden-Plauen aufgewachsene Möchtegern-Drummer zum Profi gereift war. Intensivstes Selbststudium, Unterricht und Live-Einsätze mit diversen Bands brachten ihn stetig voran. 2010 machte er sich schließlich selbstständig, verdiente vor allem durch Kurse im Rahmen von Ganztagesangeboten regionaler Schulen seinen Lebensunterhalt. Die wechselnden Bands standen stets eher für den reinen Spaß, weniger für florierende Geschäfte. „Doch genau diese Mischung aus Rock ’n’ Roll und Unternehmertum liegt mir absolut.“
Mit Herzblut und Businessplan ging Garz folglich die Gründung von „Drum Coaching Dresden“, seiner eigenen Schlagzeugschule, an. Sein Motto dabei: „In diesem Land muss alles professionell laufen, sonst ist man verloren.“ Der bislang größte Moment von „Drum Coaching“ wurde zugleich ein veritabler Tiefpunkt. Auf einem herrlich verschachtelten Firmengelände, nur einen Steinwurf vom Schloss Übigau entfernt, mietete Garz vergangenen Sommer die Etage über einer Werkstatt, baute mit Freunden drei Monate lang alles um und aus. Dann: Totenstille statt Trommelwirbel. Lockdown statt Eröffnungsfest. Quälende Ungewissheit statt schwungvoller Start.
Neue Räume und die fünffache Miete
Den Schock hat Ronny Garz inzwischen verdaut, der Frust ist geblieben. „Ende vergangenen Jahres konnte ich im Lockdown light wenigstens noch etwas Einzelunterricht geben, dann war’s drei Wochen später ganz aus, die Bude zu. Und ich musste mir schnell was einfallen lassen.“ Im Vergleich zu seinen alten Übungsräumen in einer maroden Halle nahe der ehemaligen Flugzeugwerft stehe die neue Schule für mehr Platz und bessere Bedingungen. Garz atmet tief durch. „Jedoch natürlich auch für die fünffache Miete.“
Sein Trumpf in dieser Misere: Lange vor Corona bespielte er bereits einen eigenen Youtube-Kanal, gab in Videos Tipps für angehende Schlagzeuger. „Jetzt ist das meine Hauptbeschäftigung“, sagt Garz unaufgeregt, um sofort die Treue seiner Schüler zu loben. „Gut 70 Prozent halten durch, sind mit Online-Stunden zufrieden oder setzen einfach nur aus, ohne zu kündigen.“ Regelmäßig kämen sogar neue Interessenten dazu. „Manche buchen tatsächlich gerade jetzt Stunden, die sie aber erst in Anspruch nehmen wollen, wenn es wieder richtig losgeht.“ Das allein rette ihn zwar nicht, sei aber enorm wichtig, um nicht zu verzweifeln.
Erst Yoga, dann Metal
Für Ronny Garz, der sein tägliches, meist knapp einstündiges Aufwärm-Fitness-Programm gerade seiner Frau zuliebe um Yoga-Übungen erweitert hat, sind die virtuellen Kurse jedoch nur ein Versuch, den Laden etwas am Laufen zu halten. „Auf einmal hatte ich so viel Zeit, dass ich völlig ungeplant mein zweites Schlagzeug-Lehrbuch geschrieben habe.“ Das ist Teil eins einer auf drei Ausgaben angelegten Serie unter dem Titel „Metal Drums“, eine Sammlung spezieller Lektionen für Freunde vergleichsweise heftiger Musik.
Garz: „Ich habe zusammen mit Kollegen aus der Szene Songs geschrieben, die jeweils acht Metal-Subgenres präsentieren. Zu jedem Kapitel gibt es eine kleine historische Abhandlung und die komplett transkribierte Schlagzeug-Notation.“ Stress mit Verlegern und Vertrieblern sparte er sich, er brachte das Ganze ruckzuck selbst heraus und vertreibt es seit Ende Februar als E-Book über seine Website.
Die Ankündigung eines Lehrbuch-Dreierschlags diene nun auch zur Motivation, freie Zeit sinnvoll zu nutzen. „Krisen machen zumindest unter bestimmten Umständen halt auch kreativ“, sagt Garz. Da er schon immer etwas für ein üppiges Merchandising-Angebot übrig gehabt hätte, konnte er jetzt dank des Lockdown-Leerlaufs auf diesem Feld nachlegen. Zu Tassen und Drumsticks kamen so aktuell noch Hoodies mit dem „Drum Coaching Dresden“-Schriftzug hinzu.
Als Band völlig kaltgestellt
Bekommt Garz die Zwangspause als Schlagzeuglehrer derzeit noch geregelt, ist er als Drummer von Groovenom vollständig kaltgestellt. Die Band, die er zusammen mit seinem Gitarristen-Bruder 2015 gründete, kam fix aus den Startlöchern. „Wir nahmen drei Alben auf, produzierten aufwendige Videos und haben nicht nur in größeren Clubs, sondern auf allen wichtigen Festivals gespielt.“
Album Nummer vier, noch einmal ein Stück ambitionierter angelegt, kam im November 2020 heraus. „Die Tour dazu haben wir gerade zum vierten Mal verschoben.“ Garz winkt ab: „Allein mit Plattenverkäufen spielt man die Kosten längst nicht mehr ein, das würde nur über Konzerte funktionieren. 15 Termine standen fest, 15 Termine sind es immer noch. Ob wir die jemals spielen werden, ist alles andere als sicher.“

Er hofft, dass Groovenom im nächsten Frühjahr tatsächlich auf Tour gehen kann, denn nicht nur der direkte Kontakt zu seinen Schülern fehlt ihm. Garz vermisst auch die latente Aufregung vor jeder Show, die Wucht, mit der seine Musik losbricht, die Begeisterung der Fans.
Die, so sein Wunsch, möge eines Tages auch die zwölfjährige Tochter, die aus Prinzip beliebigen Pop höre, und deren dreijährige Schwester, die an Musik gänzlich uninteressiert sei, packen. „Nicht nur deshalb halte ich es ohne Live-Musik kaum noch aus; das ist der wesentlichste Teil meines Lebensgefühls. Den will ich schnellstens zurückhaben.“
Die Stiftung Lichtblick hilft auch Künstlern, die jetzt durch die Corona-Pandemie unter existenzieller Not leiden, mit finanziellen Zuwendungen. Nähere Informationen für Betroffene, ebenso wie für potenzielle Spender, gibt es hier.