Dresden. Der Mann weiß, wie man Leute anheizt. Sicher, viele der gut 1.500 Besucher der Dresdner Frauenkirche am Sonntagnachmittag waren Fans vom Popstar Michael Patrick Kelly. Und entsprechend groß war die Spannung. Doch als der 44-Jährige das Kirchenschiff betrat und mit "Hallo Dresden" die Besucher bis hoch in die Kuppel grüßte, da stimmten selbst neutrale Beobachter mit ein. "Volle Bude", staunte der Künstler, der einst als Mitglied der legendären Kelly-Family und seit einigen Jahren als Solist vor Zehntausenden auftritt. "Ich liebe diese Stadt und bin sehr dankbar für die Einladung in die Frauenkirche."

Kein Konzert war angesetzt. Kelly stellte auf Initiative der Frauenkirchen-Stiftung in einem Peace-Talk sein Projekt #PeaceBell vor. Dabei handelt sich es sich um eine Friedensglocke, die teilweise aus Schrott von kriegerischen Schlachtfeldern gegossen wurde. Der Musiker kam auf die Idee, nachdem er 2017 einen Artikel gelesen hatte, dass in beiden Weltkriegen in Deutschland über 150.000 Kirchenglocken eingeschmolzen worden sind, um aus ihrem Metall Kriegsgerät herzustellen. "Glocken, Instrumente mit ihrem schönen Klang, wurden zu Waffen mit furchtbaren Explosionen, die Menschen zerrissen haben." Das hat ihn, längst auch ein Friedensaktivist, schockiert. 2018 wurde seine Peace Bell erstmals vorgestellt. Seitdem begleitet sie ihn bei seinen Konzerten, in denen er immer sie zum Auftakt einer Schweigeminute anschlägt. "Mit der Minute soll jeder die Chance haben, über sich und seine inneren Kämpfe und Kriege nachzudenken."

Die Peace Bell ist inzwischen gefragt. Es gibt mittlerweile weitere Exemplare etwa in Wien, Koblenz und auf dem zivilen Seenotrettungsboot Sea-Watch. Immer mehr Städte fragen an: Kelly will neue Glocken gießen lassen, doch es fehlt an Munitionsschrott, der zudem teuer ist. "Sollte jemand hier in Dresden noch solchen Schrott haben, bitte kontaktieren Sie mich und mein Team", so die Bitte des Stars, der von sich selbst sagt: "Ich bin nur ein kleiner Künstler mit einer großen Sehnsucht."

Michael Patrick Kelly zeigt Ausstellung in Dresden

Auf die Frage aus dem Publikum, ob ihn der Erfolg der Peace Bell überrascht hat, antwortet er: Ja, aber viel besser sei, dass dieses Projekt Leute inspiriert habe, eigene Initiativen zu starten. Entsprechend stellt Moderator Andreas Dieterich einige Friedensaktivisten wie die Dresdner Mission Lifeline vor. Kelly applaudierte ihnen zu.

Doch Kellys Herzensprojekt endet nicht mit dem Einsatz seiner 340 Kilogramm schweren Bell. Er hat Glocken im kleineren Format initiiert, deren Erlös Friedensprojekte unterstützt. Die erste Edition ist ausverkauft. Nun wurde eine Dresden-Edition aufgelegt. Die ist auch in einer Ausstellung zu sehen, die ab Montag im Haus der Presse beeindruckend vom humanistischen Engagement des Popstars berichtet.

Und jenen Sänger mit der eingängigen Stimme wollten viele der 1.500 in der Frauenkirche am Sonntag wenigstens kurz hören. Doch Kelly hatte keine Gitarre dabei, die Frauenkirche hält bekanntlich nur die Orgel vor. Was tun? Kelly ließ sich von den Musikern der den Talk umrahmenden Banda Comunale ein A geben und stimmte "We shall overcome" an. Und Hunderte Dresdner und Gäste stimmten in diese Hymne von Pete Seeger ein.

Kellys Projekt #PeaceBell in Dresden

• Ab 9. Mai ist die Peace Bell im Haus der Presse, Ostra-Allee 20, zu sehen. Sie steht im Zentrum einer Ausstellung, die in beeindruckenden Bildern und einem Video von dem Engagement des Popstars für Frieden berichtet. Die Ausstellung ist bis 29. Mai täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
• Ab 9. Mai kann in den DDV Lokalen sowie online die neue Edition der kleinen Peace Bell, die Dresden-Edition mit dem Frauenkirchen-Logo, reserviert und bestellt werden. Die Auflage ist auf 300 Stück limitiert. Jede Glocke ist nummeriert, und es gibt ein von Kelly handsigniertes Zertifikat dazu. Stückpreis: 425 Euro.