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Turandot, Katja und die Jüdin von Toledo: Frauen prägen die Semperoper-Saison

Intendant Peter Theiler setzt in seiner letzten Saison auf starke Frauen, einen motivierten Musikchef und ein möglichst volles Haus.

Von Bernd Klempnow
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Peter Theiler leitet die Semperoper seit Sommer 2018 und führt sie bis Sommer 2024. Bis dahin hofft er auf weitere „große Theatermomente und dass die Semperoper weltweit als Kulturbotschafter wahrgenommen werde.
Peter Theiler leitet die Semperoper seit Sommer 2018 und führt sie bis Sommer 2024. Bis dahin hofft er auf weitere „große Theatermomente und dass die Semperoper weltweit als Kulturbotschafter wahrgenommen werde. © dpa

Mit Optimismus geht der Intendant der Dresdner Semperoper Peter Theiler in seine letzte Spielzeit am Haus. Das Nach-Corona-Tief mit schwachen Besucherzahlen scheint vorbei und für die Saison 2023/24 kann er „erstklassige Produktionen und hochkarätige Besetzungen“ ankündigen. Zehn Premieren plant er – darunter drei Uraufführungen und eine Deutsche Erstaufführung in den Sparten Oper, Ballett und Junge Szene. Bei der Präsentation am Dienstag sprach er „von Repertoire-Erweiterungen und Vorlieben“. 2018 war er angetreten, „Bewährtes zu pflegen und Neues zu etablieren“.

Deshalb gibt es ein Wiedersehen mit über 30 beliebten Repertoire-Stücken, teils lang erwartet als Wiederaufnahmen. Bei den 277 Vorstellungen ist die Stückansetzung sehr verschieden. Neuproduktionen laufen nur vier- bis sechsmal. Dafür werden ältere wie „Hänsel“ und „Romeo“ zwölfmal, die „Zauberflöte“ gar 31-mal gespielt.

Volles Haus, heißt es wieder. Die Besucherzahlen der Semperoper steigen wieder: "Kontinuierlich",. sagt die Intendanz.
Volles Haus, heißt es wieder. Die Besucherzahlen der Semperoper steigen wieder: "Kontinuierlich",. sagt die Intendanz. © Sven Ellger

Große Frauentitel, die stellvertretend die Geschichte der weiblichen Emanzipation spiegeln, bestimmen unter anderem die Premieren der Spielzeit. Den Reigen startet im Oktober Puccinis „Turandot“. Die kam letztmals 2004 in der Semperoper heraus. Als Uraufführung steuert im Februar 2024 Detlev Glanert seine Oper „Die Jüdin von Toledo“ nach Franz Grillparzers Trauerspiel bei. Regiestar Robert Carsen inszeniert das Auftragswerk.

Nach über 25 Jahren wird im März mal wieder von Richard Strauss „Die Frau ohne Schatten“ auf dem Spielplan erscheinen. Strauss-Experte Christian Thielemann soll die dirigieren und der zweiten Ausgabe der wiederbelebten Richard-Strauss-Tage starke Impulse geben. Nur wird der Chefdirigent der Staatskapelle, der in jüngster Zeit Dresden-Projekte aus Krankheits- und anderen Gründen – etwa zugunsten von Vorhaben der Berliner Staatskapelle und der Lindenoper – abgesagt hatte, überhaupt seine ebenfalls letzte Semperoper-Saison erfüllen? Derzeit ist er schwer erkältet und streicht für sich die diesjährigen Strauss-Tage. „Ich bin kein Hellseher, ob Herr Thielemann krank wird“, so der Intendant. Und was passiert, falls die Berliner Staatskapelle ihn als Chef vor Sommer 2024 haben möchte und er auch will? Peter Theiler recht einsilbig: „Er hat hier einen Vertrag.“

Der Chefdirigent der Staatskapelle Christian Thielemann soll 2024 zwei große Produktionen mit "Tristan und Isolde" und "Die Frau ohne Schatten" interpretieren.
Der Chefdirigent der Staatskapelle Christian Thielemann soll 2024 zwei große Produktionen mit "Tristan und Isolde" und "Die Frau ohne Schatten" interpretieren. © Sebastian Kahnert/dpa

Okay, vom 27. März bis 7. April 2024 also soll es neben der „Frau“ auch eine „Elektra“ als Kraftzentrum dieser Festtage geben – Letztere mit Lise Lindstrom in der Titelpartie unter Marc Albrecht. Ergänzt wird das Programm unter anderem mit der Wiederaufführung des Stummfilms „Der Rosenkavalier“ von Robert Wiene aus dem Jahr 1925. Der Film war einst am Dresdner Theater unter der Leitung des Komponisten uraufgeführt worden. Der Streifen ist mittlerweile rekonstruiert und hat einen neuen Schluss bekommen, nachdem der verlorenen gegangen war.

Ein neuer "Schwanensee" mit Sachsen-Bezug

Weitere Höhepunkte der Jubeltage sind ein Sonderkonzert der Staatskapelle unter Antonio Pappano und eine Lied-Matinee mit Christiane Karg und Gerold Huber. Die Kapelle selbst feiert in der Saison ihr 475-jähriges Bestehen mit spannenden Vorhaben wie Mahlers Achter zum Abschied von Thielemann im Juli und Schumanns Erster unterm designierten Chefdirigent Daniel Gatti. Einen weiteren Höhepunkt im Repertoire-Programm bildet nach zehnjähriger Pause die Wiederaufnahme von Wagners „Tristan und Isolde“ im Januar. Die Besetzung ist traumhaft und mit Camilla Nylund, Christa Mayer, Klaus Florian Vogt und Georg Zeppenfeld unter der Leitung von Thielemann am Pult der Kapelle weltweit nicht zu toppen.

Einen Neuanfang gibt es beim Ballett, weil der langjährige Direktor Aaron Watkin nach London wechselt. Der neue Chef wird erst 2024/25 anfangen. Bis dahin führen der Ballettmeister und Erste Solist Marcelo Gomes und der Ballettbetriebsdirektor Adi Luick als kommissarisches Leitungsteam die Truppe. Sie planen eine neue „Schwanensee“-Adaption von Johan Inger, der das im erzgebirgischen Schwanenfeld bei Zwickau angesiedelte Märchen „Der geraubte Schleier“ mit einbezieht. Zudem gibt es mit „Plot Point“ einen dreiteiligen Abend mit neoklassisch-modernen Arbeiten von Meistern wie George Balanchine.

Mehr Angebote für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen

Es lohnt, das 200-seitige Spielplanheft zu studieren. Es bietet reizvolle, neugierig machende oder vertiefende Texte zu den Produktionen. Spannend ist wieder die Gestaltung der Premierenplakate, die diesmal der preisgekrönte ungarische Fotokünstler Marton Perlaki realisiert hat. Seine Kunst zeichnet sich durch einen spielerisch skurrilen Ton aus. Seine ungewöhnlichen Porträts und inszenierten Stillleben sind oft unerwartet und verwirrend.

Neues gibt es auch beim Thema Inklusion. Um das audiovisuelle Opernerlebnis allen Besuchern möglichst uneingeschränkt zu vermitteln, bietet das Haus künftig blinden und sehbeeinträchtigten Menschen bei ausgewählten Vorstellungen eine Hörbeschreibung von Bühnengeschehen, Bühnenbild und Kostümen an. Bühnenführungen und blindengerechte Stückeinführungen vor den Vorstellungen ergänzen dieses Serviceangebot.

Von „Zuversicht und einem Lächeln“ bei allen auf und hinter der Bühne sprach der Kaufmännische Geschäftsführer Wolfgang Rothe und verkündete positivere Besucherzahlen. Rund 177.000 Besucher kamen zu den 223 Vorstellungen 2022, woraus sich unter Berücksichtigung der Corona-Kapazitäten auf alle Sparten eine Auslastung von 66,2 Prozent hochrechnen lasse. Seit September steigen die Zahlen kontinuierlich bis auf 100 Prozent im Monat Januar mit Thielemanns „Ring“.

„Jetzt liegen wir bei über 91 Prozent Auslastung für die Saison“, so Rothe. Im Vergleich: Vor Corona kamen 292.000 Besucher – die Auslastung betrug 91 Prozent.

Premieren und Tickets

  • Sieben Neuproduktionen bietet die Oper an: So gibt es am 20. Oktober als Erstaufführung „Powder Her Face“ von Thomas Adès. Am 28. April 2024 kommt Janáceks „Katja Kabanowa“ und am 29. Juni 2024 „Benvenuto Cellini“ von Berlioz heraus.
  • Das Ballett steuert drei Premieren bei, darunter am 15. Dezember die Uraufführung „Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee“ von Raphaël Coumes-Marquet.
  • Der freie Vorverkauf beginnt am 19. April. Verkaufsstart für „Tristan und Isolde“ sowie „Frau ohne Schatten“ ist der 7. Juni. Allerdings können für diese Vorstellungen nur zwei Karten pro Bestellung erworben werden.
  • www.semperoper.de