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Dresdens Schauspiel will kein Ort für Schönwetterlagen sein

Das Theater plant nächste Saison zwei Dutzend Premieren vom blutigen Klassiker bis zur gendergerechten Liebeskomödie. Es will sich "grundsätzlich erneuern" und lässt "Tausend Sonnen" strahlen.

Von Bernd Klempnow
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Der Mensch als selbst geschaffenes Kunstwerk und Narziss pur: Christian Friedel hat in Düsseldorf gerade mit Regiestar Robert Wilson "Dorian" herausgebracht. Ab Januar ist die umjubelte Koproduktion dann auch in Dresden zu sehen.
Der Mensch als selbst geschaffenes Kunstwerk und Narziss pur: Christian Friedel hat in Düsseldorf gerade mit Regiestar Robert Wilson "Dorian" herausgebracht. Ab Januar ist die umjubelte Koproduktion dann auch in Dresden zu sehen. © Lucie Jansch

Optimismus ist angesagt im Staatsschauspiel Dresden. "Voller Zuversicht haben wir unsere Pläne für die kommende Saison finalisiert und hoffen, wieder uneingeschränkt spielen zu können", so Intendant Joachim Klement. Er und sein Team stellten am Mittwoch die Vorhaben der Spielzeit 2022/23 vor. Man wolle kein Ort für Schönwetterlagen sein, sondern auf Zeitumstände reagieren und Teil der treibenden Kraft der demokratischen Streitkultur sein. "Wir sind kein Theater für wenige, sondern für alle." Sehr dankbar sei er für die große Unterstützung seitens des Publikums während der Pandemie. Weit ist das Spektrum, das er präsentierte. Teils werden vor oder in der Pandemie angefangene oder produzierte, aber gar nicht oder kaum gespielte Inszenierungen nun auf die Bühne kommen. Diverse Uraufführungen sind geplant. Gut zwei Dutzend Premieren stehen an.

Wie es euch gefällt inszeniert Philipp Lux als Liebeskomödie über Gender, Sex und Queerness nach William Shakespeare.
Wie es euch gefällt inszeniert Philipp Lux als Liebeskomödie über Gender, Sex und Queerness nach William Shakespeare. © Sebastian Hoppe

Zum Start am 9. und 10. September gibt es Shakespeare im Doppelschlag. Zum einen "Wie es euch gefällt" als eine Liebeskomödie über Gender, Sex und Queerness. Ensemblemitglied Philipp Lux beantwortet gemeinsam mit Jugendlichen Fragen wie "Wann ist ein Mann ein Mann?", "Kann ich gleichzeitig non-binär und lesbisch sein?". Wo alles möglich werde, herrsche viel Verwirrung, aber vor allem Lebens- und Liebeslust! Zum anderen kommt endlich "Macbeth" in der Regie von und mit Christian Friedel heraus. Vor zwei Jahren mussten die Proben abgebrochen werden. Friedel entwickelte ein Pandemie-Format. Nun soll das große, blutige Drama in Gänze die Fans erfreuen.

Es wird den Klassiker "Orestie" von Aischylos geben und die "Wolokolamsker Chaussee" von Heiner Müller. Heinrich von Kleist und Gerhart Hauptmann sind ebenso geplant wie die Bearbeitung von Michel Houellebecqs Roman "Vernichten". Der zwar zur Premiere gebrachte, aber wegen erneutem Lockdown kaum gespielte "Zauberer von Oz" wird als Familien-Hit wieder aufgenommen. Es arbeiten neue, vertraute und berüchtigte Regisseure.

Bürgerbühne mit Projekt zur Wismut

Erstmals ist "Großkünstler Robert Wilson", so Klement, zu erleben. Der hat mit Christian Friedel als Partner gerade eine faszinierende Fassung frei nach Oscar Wildes "Bildnis des Dorian Gray" in Düsseldorf inszeniert. Darin sind zudem das Leben Wildes und das des Malers Francis Bacon verwoben. Ab Anfang 2023 ist der Friedel-Monolog "Dorian" zu erleben.

Stark eingebunden ist die Bürgerbühne am Haus. Eine spannende Kooperation mit dem Theater Chemnitz könnte das Projekt "Tausend Sonnen" zur Wismut und Uranförderung in Sachsen ab 1947 werden. Bergleute kommen zu Wort und Wismut-Verantwortliche, Bewohner der Regionen und Experten für die Sanierung der radioaktiv belasteten Bergbaugebiete nach der Wende. Auch Ungeziefer aus den Schächten soll eine Rolle spielen, so der rührige Leiter der Bürgerbühne, Tobias Rausch.

Zudem ist das Leitungsteam sinnstiftend erweitert. Die 38-jährige britische Regisseurin und Schauspielerin Lily Sykes wird als zweite Hausregisseurin neben der Hausregisseurin Daniela Löffner arbeiten. Sie ist überzeugt, dass sich aufgrund der "externen und internen Erschütterungen der jüngsten Vergangenheit das Theater grundsätzlich erneuern" muss.

"Wir hoffen, dass das Publikum an der Vielfalt dessen, was Theater heute sein kann, Freude findet", so Klement. Zur besseren Orientierung wurde deshalb auch die Publikationsform geändert. Das dicke, schnell veraltete Spielzeitbuch gibt es nicht mehr, sondern regelmäßig erscheinende Magazine. In denen will man die Vorhaben und ihre Interpreten aktuell beleuchtet. Magazin Nr. 1 widmet sich lohnend kurz und knackig allen Vorhaben, bietet die Porträts des Ensembles und benennt alles zum Service. Es soll regelmäßig der Sächsischen Zeitung beiliegen.

Premieren, Feste, Service und mehr

  • Die Theatersaison beginnt mit einem großen Eröffnungsfest für die ganze Familie am 3. September. Es wird im Schauspielhaus mit einem vielfältigen Programm gefeiert: auf, vor, hinter und unter der Bühne sowie auf dem Postplatz.
  • Unter den Klassiker-Angeboten dürfte wohl Shakespeares "Macbeth" zu den Publikumslieblingen gehören, denn Schauspieler, Musiker und Regisseur Christian Friedel wagt – zusammen mit der Band Woods of Birnam sowie Schauspielern und Tänzern – den Blick in das diffuse Dunkel menschlicher Abgründe. Premiere ist am 10. September im Großen Haus.
  • Die in Dresden lebende Autorin Caren Jeß steuert die Uraufführung "Die Katze Eleonore" über eine Immobilienmaklerin, die zur Katze transformiert, bei. Den Monolog für eine Schauspielerin inszeniert Ensemblemitglied Simon Werdelis. Premiere ist am 11. September im Kleinen Haus.
  • Neues von Rainald Grebe: Das Multitalent nimmt sich "Baron Münchhausen" vor, macht sich auf die Suche nach den Alleskönnern und Aufschneidern jeden Geschlechts und Alters, und vor allem lässt er die Kanonenkugel wieder fliegen. Die Uraufführung findet am 13. Oktober im Schauspielhaus statt.
  • Die Bürgerbühne plant unter anderem das Chor-Projekt für Frauen "Die Wand" nach Marlen Haushofers Roman von 1963, der 2012 genial mit Martina Gedeck verfilmt worden ist. Eine Frau findet sich eines Morgens im Gebirge durch eine unsichtbare Wand von der Zivilisation abgeschottet. Premiere ist am 12. Mai im Kleinen Haus.
  • Wieder werden die Bühnen frei gemacht für acht Inszenierungen junger Regisseure aus ganz Europa beim "Fast Forward Festival". Vier Tage Festival-Stimmung in verschiedenen Sprachen und mit deutschen Übertiteln, für neue Stücke, lange Abende und Diskussionen über das Theater der Zukunft. Termin: 10. bis 13. November im Kleinen Haus, im Festspielhaus Hellerau, im Labortheater der Kunsthochschule und in Semper Zwei der Oper.
  • Der Vorverkauf startet am 1. Juli. Infos und Karten gibt es an der Theaterkasse, Tel. 0351 4913555 und als Mail unter [email protected]. Der Aboservice & Gruppenreservierungen sind unter 0351 4913567 oder per Mail unter [email protected] erreichen. Online: https://www.staatsschauspiel-dresden.de/karten/