Uraufführung von „Die Katze Eleonore“ in Dresden gefeiert

Die Maklerin Eleonore, vierzig, alleinstehend, wohlhabend, träumt von einem anderen Leben. Vom Leben als Katze: frei, wild, unabhängig. Aber wie wird man zum Vierbeiner? Die Kunst macht’s möglich. Die Literatur ist voll davon. Das berühmteste Beispiel: die Verwandlung des Angestellten Gregor Samsa in ein Ungeziefer. Die Aufführung spielt mit Motiven aus Kafkas Erzählung. Eleonore, die ihren Job hasst und hinwirft, wird zur Katze.
Sonntagabend im Kleinen Haus 3 des Dresdner Staatsschauspiels. Die rappelvolle intime Spielstätte unterm Dach ist wie gemacht für die Uraufführung des Monodramas „Die Katze Eleonore“ der in Dresden lebenden Autorin Caren Jeß. Ein Identitäts-Stück, das die Bestsellerfrage stellt: „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ Die Antwort wird unterhaltsam, anregend, philosophisch grundiert gegeben. Caren Jeß, Mittdreißigerin, wurde 2020 in einer Kritikerumfrage zur Nachwuchsdramatikerin des Jahres gewählt. Ihre Stücke, in denen Tiere oft eine Rolle spielen, werden an Theatern von Wien bis Gießen gespielt, nun erstmals in Dresden.
Tanz zwischen Traum und Wirklichkeit
Die gefeierte Uraufführung wird zum Abend der Schauspielerin Karina Plachetka. Sie spielt alle Rollen: Mutter, Schneiderin, Immobilienchef, Ärztin, Therapeut, gut abgesetzt voneinander. Die fantasievolle Regie von Ensemblemitglied Simon Werdelis breitet seiner Kollegin den Teppich aus mit Livekamera, Lichtkaskaden, Videosequenzen, szenischen Einfällen, etwa einem lasziven Tanz oder dem Kameraschwenk ins Publikum. Geschmeidig bewegt sich Karina Plachetka zwischen Traum und Wirklichkeit, wirft sich mit allen Sinnen in das Abenteuer Verwandlung.
Sie schlüpft in ein durchsichtiges rosafarbenes Ganzkörpertrikot wie in eine zweite Haut. Sie reckt und streckt sich, tappt behutsam auf allen Vieren, macht einen Buckel, stellt die Vorderpfoten zierlich auf, scharrt und kratzt, springt aufs Dach der Tierbox, räkelt sich genießerisch, lächelt glücklich. Aufmerksam schweift ihr Blick umher. Könnte ja eine Maus unter der Erde rascheln.
Ein Leben ohne Arbeit und Verantwortung
Die Bühne von Ausstatter Max Schwidlinski: ein Katzentraum, überall Fell, weiches, weißes Fell, ein Kratzbaum zum Tollen, eine Boxhöhle zum Verstecken, rauschhafte Video-Einspiele mit Gras- und Phloxlandschaften, gefilmt aus der Perspektive des Tieres. Es könnte alles so paradiesisch sein, käme nicht die Wirklichkeit dazwischen. Eleonore flieht vor ihrem schlechten Gewissen gegenüber der Mutter im Heim und gegenüber Mietern, die sie hinausgedrängt hat.
Widerwillig erinnert sie sich an Champagnerpartys der Maklerfirma, wenn wieder Platz für eine teure Nobelbehausung geschaffen wurde. Provokant die Gespräche mit dem Psychologen Dr. Wildbruch, der Eleonore kritische Fragen stellt. Wie ist es, wenn man ohne Arbeit und Verantwortung lebt? Wenn man Vögel jagt und zum Artenrückgang beiträgt? Wenn man doch im Haus statt in freier Wildbahn lebt und Dosenfutter vorzieht? Manchmal triumphiert die Katzenfrau in den Rededuellen: „Instinkt sticht Vernunft!“ Oder sie knallt dem Therapeuten Wahrheiten an den Kopf: „Jede Katze ist immer noch umweltverträglicher als jeder Mensch.“
Doch Eleonore kann das Menschsein nicht verdrängen, die alte Eva lässt sich nicht verleugnen. Ernüchtert verlässt Karina Plachetka splitternackt ihre Höhle. Schaut verloren ins Publikum und verschwindet. Die Hoffnung auf ein anderes, naturnahes Leben bleibt. Mit Liebe, Kind und Katze. Der Applaus will kein Ende nehmen.
Wieder am 15., 24. 9. und 3.10. in Kleinen Haus, DD; Kartentelefon: 0351 4913555