Feuilleton
Merken

Stehende Ovationen zum Start der Dresdner Musikfestspiele

Fulminanter Start der Dresdner Musikfestspiele: Die Münchner Philharmoniker begeisterten mit großer Sinfonik von Schostakowitsch und Mahler.

 3 Min.
Teilen
Folgen
Das Publikum im Kulturpalast feierte die Musiker aus München mit Ovationen.
Das Publikum im Kulturpalast feierte die Musiker aus München mit Ovationen. © Oliver Killig

Von Jens-Uwe Sommerschuh

Kraftvoll und erbaulich begannen am Donnerstag die 46. Dresdner Musikfestspiele, mit Schostakowitsch und Mahler und zwei Sinfonien, zwischen denen Welten zu liegen scheinen. Das passt zum Festspiel-Motto „Schwarzweiß“, das Kontraste verspricht. Das Spektrum der 64 Konzerte vom 18. Mai bis 18. Juni ist aber letztlich durchaus vielfarbig und reicht von Klassik verschiedenster Formate über Jazz bis zur Weltmusik. Zum Auftakt im Kulturpalast gastierte mit den Münchner Philharmonikern ein Orchester mit 130-jähriger Geschichte inklusive charismatischer Maestros wie Celibidache, Thielemann und Maazel. Zuletzt war der Russe Gergijew Chef, wurde aber voriges Jahr aus politischen Gründen suspendiert. Unter jenen, die sich seither als Gäste am Pult abwechseln, ist auch sein Landsmann Tugan Sochijew. Dessen Name wird in der marktkonformen englischen Transkription „Sokhiev“ geschrieben, was dazu führt, dass ihn die meisten falsch aussprechen. Seine Haltung ist freilich unmissverständlich. Im März 2022 gab er mit Verweis auf „die aktuellen Ereignisse“ seinen Chefposten am Moskauer Bolschoi auf.

Sopranistin Christiane Karg besang im Konzert "himmliche Freuden".
Sopranistin Christiane Karg besang im Konzert "himmliche Freuden". © Oliver Killig

Auch Schostakowitschs Sinfonie Nr. 6 h-Moll vom Herbst 1939, mit der Abend und Festival eröffnet wurden, spiegelt das ambivalente Verhältnis von Musik und Politik. Der Jahrhundertkomponist, der sich trotz Phasen der Ungnade und Demütigung immer wieder mit dem Sowjetsystem arrangierte, hatte die Sinfonie zunächst Lenin widmen wollen, kam aber davon ab und schrieb ein teils nachdenkliches, teils brüchiges Werk, mit dem er selbst Bewunderer irritierte.

Dirigent Sochijew ließ das düstere Largo des Kopfsatzes als instrumentale Klage durch den Saal wehen, verlieh dem Allegro robuste Forsche und dem finalen Presto eine laute, derbe Fröhlichkeit, die doppelbödig anmuten mag – ein überraschend muskulöser Schostakowitsch, dem allerdings jene blitzende Tiefenschärfe abging, die hier möglich wäre.

Mahlers Sinfonie Nr. 4 G-Dur, die 1901 in München vom Kaim-Orchester, wie die Philharmoniker anfangs noch hießen, uraufgeführt wurde, fiel damals ebenfalls aus dem Rahmen hochgesteckter Erwartungen. Nach den pathetischen, pompös dargebotenen Vorgängerinnen wirkte die Vierte recht verträumt und wurde von der Kritik als „wenig erquicklich“ geschmäht. Heute gilt sie als subtiles Meisterwerk, und auch nun stand der Feinsinn Pate. Sochijew setzte bei der Melange aus kindlicher Naivität und romantischer Melancholie auf noble Streicherklangbahnen und ließ den erhabenen Soli von Oboe, Horn und Violine hinreichend Spielraum. Im Finalsatz besang Sopranistin Christiane Karg die „himmlischen Freuden“ mit leuchtendem Timbre. Das war alles recht schön. Doch fehlte es dieser Vierten insgesamt an jener spirituellen Tiefe, die schmerzhaft zu Herzen geht. Dankbarer Beifall für respektable Münchner Spielkultur.

Festspiel-Tipps (Auswahl)

  • Der ehemalige Festspiel-Chef und Stardirigent Hartmut Haenchen ist mit dem ihm sehr vertrauten Nederlands Philharmonisch Orkest am 21. Mai ab 11 Uhr im Kulturpalast zu erleben. Sie musizieren Bruckners Siebte. Mit den Jussen-Brüdern als Solisten steht zudem Mozarts Konzert für zwei Klaviere auf dem Programm. Konzerteinführung: 10 Uhr.
  • Wieder einmal gastiert das Gustav-Mahler-Jugendorchester in Dresden. Diesmal spielt der Klangkörper unter Leitung vom designierten Staatskapellen-Chef Daniele Gatti am 22. Mai ab 19.30 Uhr im Kulturpalast Mahlers Erste sowie das Adagio der unvollendeten Zehnten. Konzerteinführung: 18.30 Uhr.
  • Auch mit großer Sinfonik gastiert am 23. Mai das Symphonieorchester des BR unter Daniel Harding. Ab 19.30 Uhr erklingen im Kulturpalast Werke von Schumann, Dvorak und Brahms. Konzerteinführung: 18.30 Uhr.
  • Karten: tel. unter 0351 65606700 oder

https://www.musikfestspiele.com