Stolz und blutig bei "Macbeth" in Dresden

Wenn Christian Friedel als Regisseur Christian Friedel als Hauptdarsteller inszeniert, sind die Erwartungen riesig. Noch dazu liefert seine Band Woods of Birnam den Soundtrack. Der Name der Band wiederum stammt aus William Shakespeares Macbeth. Damit wäre ein Kreis geschlossen, aus dem sich über die aufwendige Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden nach der Premiere am Sonnabend berichten ließe.
Doch es drängt etwas hinein in den Kreis, in dem der Königsmörder Macbeth/Friedel König wird und dann immer weiter mordet, das eine solche Präsenz und Ausdruckskraft hat, dass es die anderen Elemente der Inszenierung oft überstrahlt: der zeitgenössische Tanz. Schon in der allerersten Szene, in der die Anmaßungen und Verzweiflungen des fünften Aktes vorweggenommen werden, nehmen die Tänzerinnen und Tänzer unter der Choreografie von Valentí Rocamora i Torà die Bühne ein, auf der Christian Friedel in der Mitte sitzt und - vorerst - leise rezitiert.
Dass es nicht lange leise bleibt, gehört zu der Erwartung an Stücke von und mit Friedel. Sie wird erfüllt. Friedel beendet die Einleitung mit einem kraftvollen Song seiner Band und einer facettenreichen Stimme, die man so später vermissen wird. Licht, Video, Tanz erzeugen eine Stimmung, die einem wuchtig in den Bauch fährt. Die Spur ist gelegt, es wird an Mitteln fortan nicht gespart.
Und auch die andere Spur liegt bereit: „Diese Nacht macht alles Vorige klein“, sagt Lady Macduff, nachdem der König Schottlands tot aufgefunden wurde. Die „Zeitenwende“, die der Bundeskanzler ausrief, kommt ins Gedächtnis. Doch auf dieser Spur dann nichts mehr, das sich so konkret ans Zeitgeschehen binden ließe. Die Entscheidung, Macbeth zu inszenieren, war auch durch die Vorgänge um die Wahl Thomas Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten mithilfe der Stimmen der AfD angeregt worden. Vor zweieinhalb Jahren war die Premiere geplant, nun endlich darf Macbeth wüten – und was geschah nicht seitdem.
Dreistündige Aufführung im Staatsschauspiel Dresden
In der Dresdner Inszenierung schaut man vor allem in den Kopf von Macbeth, der als netter Held von nebenan beginnt und als Tyrann endet. Wobei Christian Friedel auch den Tyrannen vor allem als Selbstzweifler und nahbaren Nachbarsjungen verkörpert: „Setzt euch! Setzt euch! Tragt mal frisches Fleisch rein“ flötet er zum Gelage, das doch ein Blutmahl ist für das nächste Opfer. Getötet aus Furcht des Herrschers vor den Konsequenzen seiner Taten.
Während das beeindruckende Licht, die Musik, Video und die Tänzer fortwährend Emotionen ausleuchten und Zugänge zum Stoff und Seelenleben der Figuren bauen, bleibt das Schauspiel doch überraschend blass. Beim extrem komplexen Zusammenfügen aller Elemente, so scheint es, hat dem Regisseur Friedel für das Kerngeschäft die letzte Energie gefehlt, mangelt es dem Spiel vor dem Hintergrund des Gesamtspektakels an Wucht, Eindringlichkeit und Überzeugung.
Auch für Friedel selbst wäre der Blick eines Regisseurs, der nicht er selbst ist, hilfreich gewesen, um ihn zu mehr Abwechslung anzustiften. Seine Position ist oft statisch im Zentrum deklamierend, und die Facetten seiner Schauspielkunst kommen nur phasenweise in Gänze zum Klingen. Dann sind es die Choreografien der Tänzer, die mit ihrer Ausdrucksstärke helfende Impulse bringen.

Als der ermordete König, gespielt von Ahmad Mesgarha, wieder erscheint und Macbeth herausfordert, kann man auch die Ebene des Schauspiels sehen, auf der der Schauspiel-König den jüngeren Star-Mimen Friedel fordert. Und wie Mesgarha da funkelt!
Zu sehen gibt es in der knapp dreistündigen Aufführung immer etwas, und jeder kann andere Gründe finden, hingerissen zu sein. Diese Verbindung großer Künstler ist ein Fest. Der Blick in den Kopf des Despoten bleibt aber wie die Inszenierung: bunt, in alle Richtungen ausfächernd, doch endgültig unentschieden. Neues über den Stoff oder den Charakter kann sie ihm über die Ausgestaltung bekannter Deutungen hinaus nicht abringen. Anregende Erweiterungen und Thesen fehlen ebenso, sieht man von der aufblitzenden erotischen Anwandlung des Schottenkönigs Duncan für Macbeth ab.
Für jeden ist da etwas dabei. Auch für den, der sich im Theater gern richtig ärgern will. Beispiel: Gegen Ende begeht Lady Macbeth (Nadja Stübinger), die ihren Mann zu den Verbrechen anstiftete, Suizid. Wohl auch, weil sie die Morde an Kindern im Verlauf der Handlung nicht erträgt. Sie, die Verbrecherin und Lügnerin, tut dies wortreich zu sphärischen Klängen in Büßerpose und geht in ein gleißendes, nebelverhangenes Licht. Erlöst? Geläutert? So leicht sollte man es einer bis dahin komplex geführten Figur nicht machen.
Enorm durchdacht und durchgehend vielschichtig ist hingegen die Rolle der Hexen um Oberhexe Gruoch, die historische Lady Macbeth, die es bei Shakespeare so gar nicht gibt. Hannelore Koch bringt in dieser Rolle durch ihre Präsenz tatsächlich Magie auf die Bühne. Zusammen mit drei Gespielinnen winden sie sich in immer neuen Bildern um die Aufbauten und vielen fahrbaren Objekte von Alexander Wolf.
Das trägt dazu bei, dass Macbeth ein mitreißendes, ästhetisch faszinierendes Theaterstück oder Musical oder Show oder Tanzstück, schließlich Gesamtkunstwerk ist, das auch ohne (oder wegen des Fehlens) der expliziten Verweise in die konkrete Welt für viel Gesprächsstoff sorgen wird.
Karten gibt es wieder für die Aufführungen am 16. Oktober und 30. Oktober, jeweils 19 Uhr.
Kartentelefon: 0351/4913555 oder E-Mail an [email protected]