Von Uwe Salzbrenner
Was hat der Nachbau des Dresdner Zwingers in der japanischen Kleinstadt Arita, dem Zentrum der Porzellanherstellung, mit der Produktion des 1-Megabit-Speichers 1988 in der DDR zu tun? Was mit Meissener Zwiebelmuster-Geschirr oder geheimen Operationen der Staatssicherheit? Es geht um Originale und Kopien. Eine Ausstellung der Rotterdamer Künstlerin Antye Guenther zeigt dies, mit reichlich Archivmaterial und einer Installation mit Tellern neben einem Foto auf Porzellanfliesen.
Guenther hat bei ihren Recherchen gefunden, dass schon der Dresdner Zwinger ein Modell ist ohne die frühere Funktion. Was man als Zwiebelmuster kennt, haben japanische Keramiker chinesischem Geschirr entlehnt und für den europäischen Markt produziert, bevor man in Meißen "Chinoiserien" aus Porzellan fertigt.
Stasi kümmert sich ums Geschäft
Der Speicher-Chip wiederum ist ein Patent der japanischen Firma Toshiba, die damals aufgrund des Embargos des Westens Hochtechnologie eigentlich nicht in die DDR verkaufen darf. Die Stasi kümmert sich um das millionenteure Geschäft, wenigstens Schablonen zu besorgen. Toshiba wird zusätzlich mit dem Monopol für Fernsehbildröhren belohnt.
Den Skandal liefern dann nicht DDR-Betriebe, sondern computergesteuerte Toshiba-Maschinen, die 1986 in der Sowjetunion Antriebsschrauben für U-Boote fräsen, die nicht mehr nach Geräusch zu orten sind. Zu all diesen Themen sammelt Antye Guenther außerdem Gerüchte und Anekdoten – privat kolportiert, was der Sohn vom Vater gehört hat oder der Kollege im Auslandseinsatz.
Ein verschollener Schatz
Einer von Aritas größten Porzellanfabrikanten vermutet in Dresdens Zwinger einen verschollenen Schatz, der aus japanischen Manufakturen stammt. Und ist nicht im Hotel Bellevue Porzellan ausgestellt gewesen und verschwunden? Guenther demonstriert, wohin Neugier eine führen kann und wie viel Willkür Kunst verträgt. Mit der Darstellung eines angeblich im Porzellan versteckten und nun hervorgeputzten Datenträgers treibt sie das auf die Spitze.
Guenther hält ihr Projekt für unabgeschlossen, auch wenn sie zur Eröffnungs-Performance in anderthalb Stunden nicht fertig geworden ist, alle Dokumente an die Wand zu pinnen und zu erklären. Die Basis für ihre bis in die Science-Fiction ausgreifenden Schilderungen ist solides Handwerk: Die 41-Jährige hat an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst Fotografie studiert und zum Diplom bereits mit Keramik gearbeitet.
Arita besucht sie 2019 mit niederländischem Stipendium. Die Fliesen, die sie dort gebrannt hat, zeigen, wie schön und fremd die japanische Zwinger-Kopie in Kobaltblau aussieht – ein passendes Symbol für Guenthers Alien-Gefühl beim ersten Anblick. Die Geschichte des Gebäudes ist ernüchternd für alle, die Kunst wertschätzen: Es dient ein paar Jahre als Themenpark für die einheimische Keramik, dann geht es pleite. Heute ist es Repräsentanz einer Sake-Brauerei.
- Die Schau in der Galerie Ursula Walter Dresden, Neustädter Markt 10, ist bis zum 16. Juli zu sehen, Do/Fr 15 – 18 Uhr; Sa 12 –16 Uhr.