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Asisi: "Die DNA einer Stadt in zwei Bildern"

Zum Jubiläum seines Dresdner Panometers spricht der Ausnahmekünstler Yadegar Asisi über seine Anfänge in Dresden und den Reiz der DDR-Architektur.

Von Henry Berndt
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"Zeichnen ist eine Kulturleistung": Yadegar Asisi in seinem Atelier in Berlin.
"Zeichnen ist eine Kulturleistung": Yadegar Asisi in seinem Atelier in Berlin. © PR/Caro Krekow

Dresden. Vor 15 Jahren hat Künstler Yadegar Asisi sein Panorama im Panometer Dresden eröffnet. Mit Dresden und Sachsen verbindet ihn viel, wie er im Gespräch mit Sächsische.de verrät.

Herzlichen Glückwunsch, vor 15 Jahren wurde Ihr Panorama in Dresden eröffnet. Waren Sie sich sicher, dass das ein Erfolg wird?

Sicherheit gibt es nie, aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich Menschen finden würde, die meine Vision teilen. Die ersten Erfolge in Leipzig gab es ja damals schon. Nur mit Ideen kann man Menschen überzeugen. Wenn das damals in Dresden schiefgegangen wäre, und keiner wäre gekommen, dann würden wir jetzt höchstwahrscheinlich nicht hier sitzen.

Das Panometer in Reick ist ein Touristenmagnet.
Das Panometer in Reick ist ein Touristenmagnet. © PR

Erinnern Sie sich noch, wie das Projekt seinen Anfang nahm?

Der erste Anruf kam von einem Mitarbeiter der Dresdner Stadtwerke. "Herr Asisi, wir haben hier auch ein Gasometer. Können Sie vielleicht mal die Sächsische Schweiz machen?" Offenbar hatte er in Leipzig den Everest gesehen. Nein, habe ich gesagt. Was mich aber wirklich interessierte, war der Dresdner Barock. Ich habe ja in Dresden Architektur studiert. Letztlich habe ich bei den Stadtwerken Mitstreiter vorgefunden, die Lust darauf hatten und nach einer Rechnung auf dem Bierdeckel meinten: "Das klingt gut."

In einer Stadt wie Dresden muss man sich mit neuer Kultur erst einmal durchsetzen. Wie ist das gelungen?

Nur durch die Menschen. Anfangs wurde ich von anderen Kunstschaffenden sehr beäugt und man fragte sich: Was macht denn der da? Das kann doch nichts sein, wenn da so viele Leute reingehen. Aber jeder der kommt, und sein Ticket zahlt, trägt dadurch dazu bei, dass wir das nächste Projekt machen können.

Fühlen Sie sich als Erfinder dieser Kunstform?

Nein, aber das Panorama ist ein Medium, das gerade erst wieder neu entdeckt wird. Zu Unrecht wurde es für lange Zeit eingegraben und als Dinosaurier der Massenunterhaltung des 19. Jahrhunderts verunglimpft.

Ist das Panorama für Sie eher Kino, Museum oder Geschichtsunterricht?

Es ist alles und nichts davon. Es geht um das Werden und Vergehen menschlichen Seins. Das hat auch viel mit Film zu tun, denn der Betrachter wird selbst zum Regisseur seines eigenen Sehens. Genauso könnte man auch einen Roman über ein Panorama schreiben, so wie ich es inszeniere. Teilweise beschreibe ich da ja einen Zeitraum, der bis zu 100 Jahre umfasst.

Das Barock-Panorama haben Sie 2012 noch einmal grundlegend überarbeitet. Warum?

Für jedes Thema in der Kunstgeschichte gibt es Varianten, mit denen es neu aufgegriffen und interpretiert wird. Als ich damals nach Dresden reingerufen habe, was man an dem Bild ändern sollte, kamen erstaunlich wenige Ideen zurück. Ich selbst hatte das Bedürfnis, die Gesellschaft noch anders darzustellen und habe dann sehr viel an den Figuren gearbeitet. Heute würde ich es am liebsten noch einmal überarbeiten, weil auch technisch wieder andere Dinge möglich sind.

Seit zwei Jahren Partner: DDV-Geschäftsführer Carsten Dietmann und Yadegar Asisi. Das Panometer in Dresden wird von der DDV-Mediengruppe betrieben, zu der auch die Sächsische Zeitung und Sächsisch.de gehören.
Seit zwei Jahren Partner: DDV-Geschäftsführer Carsten Dietmann und Yadegar Asisi. Das Panometer in Dresden wird von der DDV-Mediengruppe betrieben, zu der auch die Sächsische Zeitung und Sächsisch.de gehören. © (c) Christian Juppe

Wie kam es dazu, dass Sie Dresden mit dem Panorama über das Jahr 1945 ein zweites Werk widmeten?

Ich wollte mit Dresden 1945 ein Antikriegspanorama machen. Mittlerweile reihen sich da die Panoramen Leipzig 1813, Die Mauer in Berlin und das neue Werk 9/11 ein. Für mich ist das also nicht nur ein Dresdner Thema. Es sollte um das Schicksal einer europäischen Stadt gehen. Diesen Augenblick der Ohnmacht wollte ich zeigen. Heute gehen Großeltern mit ihren Enkeln ins Panometer und sagen ihnen: Das war der Augenblick, den ich als Kind erlebt habe, nachdem ich eben noch Fasching gefeiert hatte. Und heute gehen wir schon in die Knie, wenn wir mal drei Monate nicht rausgehen dürfen. Um aber auf Ihre Frage zurückzukommen: Zwei Bilder, die die DNA einer Stadt behandeln, das ist einzigartig.

Das Zeichnen spielt für Ihre Arbeit bis heute eine große Rolle. Sie haben mal gesagt, Zeichnen sei für Sie so wichtig wie Lesen und Schreiben. Wie kommen Sie darauf?

Zeichnen ist eine Form, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Sie müssen nur Leonardo nehmen. Ohne Zeichnen wäre er nicht der Techniker geworden, nicht der Naturbeobachter, nicht der Künstler. Bei vielen gibt es aber den Reflex: Ich habe kein Talent. Dabei ist Zeichnen erlernbar wie Lesen und Schreiben. Es ist eine Kulturleistung, die wir nicht verlieren sollten.

Geben Sie deswegen auch Zeichen-Kurse auf YouTube?

Vor anderthalb Jahren habe ich mich entschieden, YouTube als Fenster zu nutzen, um das Zeichnen in die Welt zu bringen, so wie ich es für mich erfahren habe. Wir machen jede Woche drei Sendungen und ich bespreche Bilder, die mir eingeschickt werden. Der Zeichenkanal ist eine wirkliche Herzensangelegenheit. Das Medium ermöglicht es mir, meine Erfahrungen mit den Menschen zu teilen und mit ihnen in Kontakt zu kommen. Nächstes Jahr werde ich auch Dresden mehrere Sendungen widmen. Der 300. Geburtstag von Canaletto ist für mich eine Steilvorlage.

Das Dresdner Panorama ist gerade wieder geschlossen. Wie beeinflusst die Corona-Pandemie Ihre Arbeit?

Zu Beginn der Pandemie habe ich noch gedacht, das bekommen wir schon hin. Als dann aber die ganze Dimension klar wurde, haben wir wirklich in vielen Runden hier gesessen und uns gesagt: Es kann sein, dass für uns damit der Schlusspunkt gesetzt wird, weil wir keine Einnahmen mehr haben. Dann kamen die Staatshilfen und wir haben gemerkt, dass in unserem Team auch die Dinge hinter der Kunst gut funktionieren. Dadurch konnten wir überleben.

Und wie sah der Überlebensplan konkret aus?

Ich hätte vor anderthalb Jahren das Geld auf einen Haufen legen können und schauen, wie lange es reicht. Aber das war noch nie mein Ding. Für mich war klar, wenn wir weitermachen wollen, dann müssen wir auch jetzt neue Ideen angehen. Zurzeit arbeite ich mit einem Kernteam von 20 Leuten an vier Projekten gleichzeitig. Die Konzeption für das Panorama 9/11 in Leipzig ist in dieser Zeit fertiggestellt worden, obwohl ich nicht wusste, ob es jemals gezeigt wird. Noch im Dezember werde ich in die Antarktis fliegen, wenn die Pandemie mich lässt.

Es liegen fertige Pläne bereit, um eines Tages beide Dresdner Bilder gleichzeitig zu zeigen. Das Erlwein-Gasometer schreit förmlich nach dem Panorama des Krieges. Das einzige Problem, was wir haben: Solange der Regen dort hineinfällt, wird es immer maroder. Da muss eine Hülle drauf. Irgendjemand muss diese Investition leisten. Der finanzielle Aufwand, das Panorama selbst hineinzubekommen, ist dann im Verhältnis überschaubar. Mit diesem einzigartigen Doppelschlag würde der Ort weltweit bekannt werden. Das würde Dresden äußerst gut zu Gesicht stehen.

Könnte es mal ein Panorama "Dresden 1980" geben? Das DDR-Stadtbild würde sicher viele Menschen interessieren.

Die Frage ist doch, welchen Mehrwert würde das bringen? Die Architektur in der DDR war ja kein eigener Stil. Vielmehr gab es in den 60er- und 70er-Jahren weltweit eine Internationalisierung von Architektur. Da sind Sachen passiert, die für mich nicht wirklich schützenswert sind. Dokumentarisch wäre das bestimmt interessant, aber bis 2030 ist sowieso schon alles durchgeplant. Und mein Leben ist begrenzt.