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Yasmina Rezas brillante Komödie „Kunst“ spielt in Radebeul nach der Sintflut

Drei Insel-Neurotiker suchen das verlorene Lachen. Einer gibt sogar ein Kabinettstück als Harmoniesüchtiger.

Von Rainer Kasselt
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Ist als Marc schnell auf 180 – Felix Lydike (l.). Ist der Schönling mit Standesdünkel Serge – Johannes Krobbach (r.). Ist die Entdeckung des Abends als harmoniesüchtiger Yvan – Maximilian Bendl.
Ist als Marc schnell auf 180 – Felix Lydike (l.). Ist der Schönling mit Standesdünkel Serge – Johannes Krobbach (r.). Ist die Entdeckung des Abends als harmoniesüchtiger Yvan – Maximilian Bendl. © René Jungnickel

Marc fällt von der Kommode, rappelt sich mühsam auf. Erwacht wie aus einem Albtraum. Da war doch was? Ach ja, die Sache mit diesem verrückten Bild, weiß mit weißen Streifen. Von irgendeinem berühmten Maler. „Hast du für diese Scheiße wirklich 200.000 bezahlt?“, fragte Marc seinen Freund Serge fassungslos. Der reagierte beleidigt. Dann gab ein böses Wort das andere.

Die brillante Komödie „Kunst“ der französischen Bestseller-Autorin Yasmina Reza wurde 1994 in Paris uraufgeführt. Theater in aller Welt spielten es, bisher wurde das Stück in 40 Sprachen übersetzt. Hat es heute noch was zu sagen? Eine Antwort versucht die jüngste Inszenierung der Landesbühnen Sachsen. Premiere war am Wochenende in der Radebeuler Studiobühne.

Männerwahn und Sex-Orientierung

Regisseur Jan Meyer, 33, künftiger Oberspielleiter des Hauses, versetzt die Handlung auf eine unwirtliche Insel nach der Sintflut. Die Klimakatastrophe hat schon stattgefunden. Wie kommen die Akteure damit klar, agieren sie anders? Marc, Serge und Yvan, der Dritte im Bunde, haben anderes als das Klima im Sinn. Sie denken darüber nach, wieso sie sich einst so sehr in die Haare kriegten. Und spielen das Ganze noch mal.

Der Krach beginnt von vorn. Mit Beleidigungen, Unterstellungen, Vorwürfen. Das Bild ist nur der Auslöser des Streits. Die Männer können nicht mehr zusammen lachen. Sie werfen sich unangenehme Wahrheiten an den Kopf. Sie gehen sich aus dem Weg und brauchen einander. „Kunst“ ist ein Stück über die Kunst zu leben. Regisseur Meyer inszeniert die bitterböse und urkomische Komödie nicht vom Blatt. Er setzt auf körperliches, gestenreiches Spiel, mal absurd, mal albern, und nimmt Männerwahn auf die Schippe. Drei kostbare Möbelstücke, die Ausstatterin Henriette Hübschmann auf die Bühne zaubert, sind mehr als Requisiten. Der Schrank ist Fluchtraum und Versteck. Das Sofa Liebesnest und Lümmelplatz. Die Kommode Klettergerüst und Trommelfell. Die Schauspieler haben voll zu tun und mit ihrer sexuellen Orientierung zu kämpfen. Serge, ledig, und Marc, verheiratet, sind ein Paar, anders als bei Reza. Zwischendurch suchen beide Trost bei Yvan, der demnächst heiraten will.

Die drei von der Insel sind aus dem Ensemble gut besetzt. Felix Lydike verkörpert den Luftfahrtingenieur Marc, der schnell auf 180 ist. Ein Vernunftmensch im korrekten Anzug, um Haltung bemüht, als Serge ihm gesteht, wie sehr er dessen Frau verachtet. Johannes Krobbach spielt den schwärmerischen Hautarzt Serge, der unter der Ablehnung seiner Freunde leidet. Ein Schönling im langen Leopardenmantel, nicht frei von Standesdünkel.

Die Entdeckung des 90-minütigen Abends freilich ist Maximilian Bendl. Sein harmoniesüchtiger Yvan im farbenfrohen Seidenanzug hat Komplexe, weil er es nicht weit gebracht hat. Durch neuen Job und die Heirat mit einem Mädchen aus wohlhabender Familie erhofft er Besserung. Sein vergnügliches Telefonat mit Braut und Stiefmutter, deren Stimmen Bendl nachahmt und grell übertreibt, ist ein tolles Kabinettstück.

Was sagt uns die Aufführung? Ob vor oder nach der Katastrophe: Menschen bleiben sich gleich. Sie lachen und weinen, streiten und versöhnen sich. Zumindest in dieser anregenden Inszenierung. In der das weiße Bild nie zu sehen ist.

Wieder am 3. und 11. 2. Kartentel. 0351 8954214