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"Es fehlen kleine Landwirtschaftsbetriebe in Dresden"

Die "Marktschwärmer" reformieren den herkömmlichen Bauernmarkt. Jetzt öffnet der vierte seiner Art in Dresden. Warum das Modellprojekt an seine Grenzen stößt.

Von Luisa Zenker
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Fanny Schiel von der Dresdner Marktschwärmerei wünscht sich mehr Lebensmittel, die aus Dresden und Umgebung kommen.
Fanny Schiel von der Dresdner Marktschwärmerei wünscht sich mehr Lebensmittel, die aus Dresden und Umgebung kommen. © Sven Ellger

Dresden. Marktplätze gibt es schon seit tausenden von Jahren. Erzeuger und Konsumenten feilschen dort um Obst, Gemüse, Brot und Käse aus der Region. Heutzutage hat der Supermarkt diesen Platz für viele Kunden eingenommen. Unter dem Namen "Marktschwärmer" versucht eine Initiative, den Bauernmarkt neu zu erfinden. Das scheint in Dresden Erfolg zu haben, denn seitdem die erste Marktschwärmerei 2016 eröffnet hat, sind drei weitere hinzugekommen. Jetzt hat eine neue in Pieschen eröffnet.

Was unterscheidet eine Marktschwärmerei von einem normalen Markt?

Online bestellen und anschließend die Lebensmittel direkt beim Erzeuger auf dem Markt abholen - und das zu einer Uhrzeit, die auch für die "normal arbeitende Bevölkerung" möglich ist. Genau das unterscheidet die Marktschwärmerei von einem normalen Markt, erklärt die Verantwortliche Fanny Schiel. Sie hat das Konzept 2016 aus Frankreich nach Dresden gebracht.

Sie haben besonders zwei Punkte überzeugt, erzählt sie. Erstens, die Konsumenten lernten die regionalen Lieferanten vor Ort kennen, weshalb das Essen wieder mehr wertgeschätzt werde. Und zweitens: Durch die Online-Plattform, wo die Lebensmittel vorher bestellt werden, könnten die Produzenten genauer kalkulieren. "Unsere Erzeuger bringen nur das zum Markt mit, was bestellt wurde." Die Reste schnell verderblicher Lebensmittel landen so seltener im Müll.

Was wird angeboten?

"Angeboten werden Grundnahrungsmittel, Hygieneprodukte und Feinkostspezialitäten aus der Region" erklärt Fanny Schiel. Die Produktpalette ist breit: Sie reicht vom Apfel, über Käse bis hin zur handgemachten Seife. Das meiste kommt aus einem Umkreis von 40 Kilometern. Bio kann, muss aber nicht. Die Regionalität steht im Vordergrund.

In Pieschen gibt es jetzt an der Gehestraße den neuesten Bauernmarkt der Marktschwärmerei in Dresden.
In Pieschen gibt es jetzt an der Gehestraße den neuesten Bauernmarkt der Marktschwärmerei in Dresden. © Sven Ellger

Das sei aber gar nicht so einfach. "Es fehlt in der Region Dresden an kleinen Landwirtschaftsbetrieben, die wir unterstützen können", sagt Schiel. Gerade Butter oder Sahne würden fast ausschließlich großindustriell produziert. "Es mangelt auch an Betrieben, die Lebensmittel verarbeiten." Bio-Schlachthöfe oder Bio-Getreidemühlen seien in Sachsen rar.

Wie funktioniert es?

Wie viel Käse und Wurst, welches Obst und Gemüse, all das kann der Kunde vorher online auswählen. Auf der Webseite listet jeder Marktplatz seine Angebote auf. Die Kunden können dann zwei Tage vorher entscheiden, was sie möchten. In Pieschen findet die Marktschwärmerei jeden Freitagnachmittag zwischen 16 und 17 Uhr statt. Das heißt, die Kunden können bis Mittwochnacht vorbestellen. Bezahlt wird online. Am Freitagnachmittag stehen die Erzeuger in der Markthalle mit den bestellten Produkten bereit, die dann abgeholt werden können.

Wer kann mitmachen und wo gibt es die Schwärmereien?

Die Teilnahme ist kostenlos und unverbindlich. "Bestellen kann man jede Woche, muss man aber nicht", erklärt Schiel. Es gibt weder Mitgliedsbeiträge noch Mindestumsatz oder Bestellpflicht. Auch auf einen Bestellort muss man sich nicht festlegen. In Dresden werden die Produkte in vier Schwärmereien angeboten, in Pieschen, Striesen, in der Friedrichstadt und in der Neustadt.

Johann Franz und Clara Baumgart bieten auf dem Markt in Pieschen Lebensmittel aus eigenem Anbau am Stadtrand von Dresden an.
Johann Franz und Clara Baumgart bieten auf dem Markt in Pieschen Lebensmittel aus eigenem Anbau am Stadtrand von Dresden an. © Sven Ellger

Hat das Projekt in Dresden Erfolg?

Die Zahl der Teilnehmer wächst stetig, so Fanny Schiel. Insgesamt zählt die Dresdner Marktschwärmerei knapp 10.000 Mitglieder. Die meisten kaufen in der Friedrichstadt ein. Auch die Erzeuger werden stetig mehr. Gerade in der Corona-Zeit habe der Online-Bauernmarkt Zuwachs erhalten. "Viele haben angefangen, wieder zu Hause zu kochen, und sich auf regionale Lebensmittel besinnt. Manche wollten lieber das Geld regionalen Lieferanten zugutekommen lassen."

In der Corona-Zeit habe sich außerdem ein neues Konzept bewiesen. Seit einem Jahr können die Kunden ihre Lebensmittel am Mittwoch- oder Donnerstagabend direkt nach Hause liefern lassen; fünf Euro kostet der Transport.

Die Schwärmereien auf einen Blick:

  • Dresden-Pieschen (GEH8, Gehestraße 8): Freitag von 16 bis17 Uhr
  • Dresden-Neustadt (Club Kwang Lee, Görlitzer Str. 35): Dienstag von 17.30 bis 19 Uhr
  • Dresden-Friedrichstadt (riesa efau, Wachsbleichstraße 4a): Donnerstag von 17 bis 19 Uhr
  • Dresden-Striesen (Montessorischule Huckepack, Glashütter Str. 10): Mittwoch von 16 bis 17.30 Uhr
  • Alles weiteren Informationen finden sich unter: www.marktschwaermer.de