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Bekommt Dresden ein festes Ukraine-Haus?

Um Ukrainern in Dresden den Kontakt untereinander zu vereinfachen, gibt es einen neuen Vorstoß. Dahinter steckt eine seltene politische Kooperation, die noch mehr plant.

Von Andreas Weller
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Ilja und Oleh vom Verein Plattform richten Räume für Ukrainerinnen und Ukrainer in Dresden ein.
Ilja und Oleh vom Verein Plattform richten Räume für Ukrainerinnen und Ukrainer in Dresden ein. © René Meinig

Dresden. Vor dem Krieg in der Ukraine haben rund 1.500 Menschen aus dem Land in Dresden gelebt - mittlerweile sind aufgrund von Flucht und Vertreibung rund 8.000 Ukrainerinnen und Ukrainer dazugekommen, die in der Stadt leben - zumindest vorübergehend.

Für sie soll es einen speziellen Rückzugsort geben, einen Schutzraum, in dem sie sich treffen und ihre Kultur leben können. Dafür wird ein Ukraine-Haus gefordert, dass die Stadt unterstützt.

SPD und FDP sollen Ukraine-Haus anschieben

Seit fast neun Monaten ist Krieg in der Ukraine. Nach anfänglicher großer Solidarität der Dresdnerinnen und Dresdner mit ihnen, drohen sie im Alltag vergessen zu werden - das befürchten zumindest Sebastian Ramisch-Paul, Stefan Scharf und ihre Mitstreiter.

Ramisch-Paul ist Dresdner SPD-Mitglied, Scharf in der Dresdner FDP. Beide haben in ihren Parteien Anträge eingebracht, die sich inhaltlich erstaunlich ähneln und - als sie davon erfuhren - entschieden, gemeinsam zu agieren. Sie wollen unter anderem ein Ukraine-Haus als Institution in Dresden, das mindestens bis Ende 2023 sicher betrieben werden kann.

Menschen in Not zu unterstützen sei selbstverständlich, sagt Ramisch-Paul. Er hat zur ukrainischen Geschichte promoviert und sagt, Dresden müsse mehr machen. "Vor dem Maidan 2014 war in Deutschland über die Ukraine als Land, seine Kultur und Geschichte nur wenig bekannt. Wir pflegten ein sehr negativ behaftetes Bild von Korruption und Armut." Er erinnert daran, dass die Ukraine freie Wahlen ermöglicht hat, in der auch politische Machtwechsel möglich waren, in der es Pressefreiheit gab und ein Parteienwesen, dass pro-westliche und pro-russische Parteien ermöglichte.

Bisher nur verstreute Angebote für Ukrainer

Auch seien die Ukrainerinnen und Ukrainer 2004 und 2014 gegen Korruption, Wahlfälschungen und die Einflussnahme von außen auf die Straße gegangen. "Wir haben die Selbstständigkeit der Ukraine allzu lange ignoriert oder sie nur als ein Anhängsel Russlands betrachtet", so Ramisch-Paul. "Mit der Unterstützung für ein Ukrainisches Zentrum in Dresden können wir ein sichtbares Zeichen setzen, dass wir die große ukrainische Community in unserer Stadt wahrnehmen und ernst nehmen und damit unser Übersehen der Vergangenheit überwinden."

"Ein Problem ist, wo sich die Betroffenen treffen können", erläutert Scharf. Aktuell gebe es als Art Zufluchtsorte und Anlaufstellen, an denen Hilfen gebündelt werden, die Ukrainische Personalpfarrei St. Michael von Pfarrer Bogdan Luka an der Dohnaer Straße, das "Ukrainische Koordinationszentrum Dresden" des Vereins Plattform, initiiert von Ukrainerinnen und Ukrainern in Dresden, und einige andere lose Initiativen, wie Scharf sie nennt.

Es gebe zwar andere russischsprachige Angebote in Dresden, diese würden aber von Menschen aus der Ukraine kaum angenommen. "Da das Vertrauen untereinander fehlt", erklärt Scharf. Der Verein Plattform hat eine Einrichtung, die in die Richtung geht, wie Scharf und Ramisch-Paul es sich vorstellen. An der Töpferstraße werden gerade die Räume dafür eingerichtet.

"Wir wollen das Gefühl von Geborgenheit vermitteln"

Tetiana Ivanchenko von dem Verein hat Monate an dem Konzept gearbeitet, sagt sie. Geplant ist auch ein Kinderzentrum. Dort soll es Entwicklungskurse mit Vorschul- und jüngeren Schulkindern, Ausflüge, Workshops, Freizeitgestaltung für Kinder sowie Vorträge und Babykurse für Mütter geben. "Wir wollen das Gefühl von Geborgenheit vermitteln - ein Ort glücklicher Kinder und beruhigter Eltern", erklärt Ivanchenko.

Außerdem ist eine Medienschule geplant, in der Menschen aus der Ukraine, aus Deutschland, aus der ganzen Welt gemeinsam Videos sowie Texte erstellen. Weiterhin vorgesehen ist eine Bibliothek mit Bücher- und Kinoclub, mit Leseecken, Lesungen auf Deutsch und Ukrainisch.

Für geflüchtete Frauen soll es einen Frauenclub geben, mit Selbsthilfegruppen und Workshops zur Integration in Deutschland, aber auch Sportkursen, Treffs sowie Kunst-Therapien. Ebenfalls geplant ist ein deutsch-ukrainischer Stammtisch zum kulturellen Austausch und Planung gemeinsamer Projekte.

Für geflüchtete Künstler soll ein kreatives Umfeld geschaffen werden, damit sie sich kennenlernen und gemeinsam Kunstwerke mit Dresdner Künstlern schaffen.

80.000 Euro Miete im Jahr

Allerdings gibt es ein Problem für das Projekt an der Töpferstraße. "Es ist zunächst nur eine Zwischenlösung und nicht sicher, wie lange diese erhalten bleibt", so Scharf. Ramisch-Paul und Scharf können sich aber gut vorstellen, dass dieser Verein, der bereits die Pläne hat, ein dauerhaftes Ukraine-Haus in Dresden betreiben könnte.

"Dafür bedarf es einer institutionellen Förderung", erklärt Scharf. Zuerst muss ein Objekt gefunden werden, das sich als Ukraine-Haus eignet. Es würden etwa 80.000 Euro für Miete pro Jahr benötigt, die die Stadt fördern solle, fordern die beiden Dresdner. In dem Haus könnten auch andere Hilfsgruppen und ein Materiallager untergebracht werden.

Zusätzlich wollen sie eine Städtepartnerschaft zwischen Dresden und einer Stadt in der Ukraine - mindestens gleichwertig zu anderen Partnerschaften Dresdens, sagen sie. Ramisch-Paul und Scharf wollen erreichen, dass ihre ihre Fraktionen einen entsprechenden Antrag in den Stadtrat einbringen, der dann darüber entscheidet.