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Brandopfer vom Weißen Hirsch in Dresden suchen Hilfe bei der Stadt

Noch immer sucht der Großteil der Mieter des Brandhauses eine neue Wohnung. Schnelle Hilfe kann die Stadt nur bedingt geben, doch ein wichtiges Problem ist immerhin gelöst.

Von Nora Domschke
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Die ehemaligen Bewohner des Brandhauses am Weißen Hirsch in Dresden. Noch immer suchen viele von ihnen ein neues Zuhause - und fühlen sich von der Stadt alleingelassen.
Die ehemaligen Bewohner des Brandhauses am Weißen Hirsch in Dresden. Noch immer suchen viele von ihnen ein neues Zuhause - und fühlen sich von der Stadt alleingelassen. © René Meinig

Dresden. Regelmäßig trifft sich die Hausgemeinschaft vor ihrem Wohnhaus am Lahmannring 17. Oder besser: vor dem, was davon übrig geblieben ist. Erinnerungen werden ausgetauscht über jenen Abend, der das Leben der Bewohner komplett auf den Kopf stellen sollte. In ihrem Haus hat es am Abend des 19. Juni gebrannt, rasch breiteten sich die Flammen im hölzernen Dachgeschoss des denkmalgeschützten Gebäudes aus. Auch das Obergeschoss stand irgendwann lichterloh in Flammen.

Mit Tausenden Liter Wasser konnten die Einsatzkräfte der Feuerwehr den Großbrand nach Stunden löschen - die 38 Wohnungen sind aber allesamt zerstört. Verletzt wurde glücklicherweise niemand.

Hier gibt es kein Reinkommen, das Brandhaus am Lahmannring darf nicht betreten werden. Wann und ob es saniert wird, ist derzeit unklar.
Hier gibt es kein Reinkommen, das Brandhaus am Lahmannring darf nicht betreten werden. Wann und ob es saniert wird, ist derzeit unklar. © Sven Ellger

Eine schnelle Sanierung des Hauses, das ursprünglich als Bettenhaus für das bekannte Sanatorium gebaut wurde, ist nicht in Sicht. Noch immer ermittelt die Dresdner Kripo zur Ursache des Brandes, fahrlässige Brandstiftung kann bislang nicht ausgeschlossen werden.

Viele Mieter sind bei ihren Familien untergekommen, einige wohnen in einer Pension, die Älteren werden in Senioreneinrichtungen betreut. Die Suche nach einer neuen, dauerhaften Bleibe gestaltet sich zäh. Obwohl die Hilfsbereitschaft der Dresdner groß ist, fühlen sich viele der Mieter alleingelassen. Vor allem von der Stadt. Deshalb haben sie Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) kontaktiert.

Feuerwehr hat Zugriff auf Notunterkünfte

Der Einladung zu einem Gespräch folgen am vergangenen Donnerstag Kerstin Zimmermann, Leiterin im Bürgermeisteramt, und Christian Barth, der als Stadtbezirksamtsleiter für die Bereiche Blasewitz und Loschwitz zuständig ist. Die Stimmung in der Runde, die im Restaurant Delizia gleich um die Ecke der Brandruine stattfindet, ist angespannt. Vorwürfe werden laut, warum die Stadt bislang noch nicht reagiert und von sich aus Hilfe angeboten hat.

Die Nerven liegen blank, das Leben in der Pension hinterlässt Spuren, an Alltag ist bei Frank und Ulrike Jaeschke nicht zu denken. Erst vor gut einem Jahr waren sie am Lahmannring eingezogen, aus Hannover ist das Ehepaar nach Dresden gekommen, um ihre hilfebedürftige Mutter zu betreuen. "Wir hatten eine schöne Wohnung und eine tolle Hausgemeinschaft", sagt Frank Ulrich.

"In der Pension sind wir gut untergekommen, aber wir haben nichts Persönliches bei uns. Und eine dauerhafte Lösung ist das auch nicht." Ihre Sachen, die sie noch aus der Brandwohnung retten konnten, sind in einer Lagerbox untergebracht. Für die Kosten der Pension kommt die Hausratversicherung der Jaeschkes auf, aber nur für eine bestimmte Dauer. "Wir haben uns schon mehrere Wohnungen angeschaut. Nun haben wir zwar eine passende gefunden, aber sie ist zu teuer." Seine Arbeit erschwere die Suche, dienstlich muss er in der Woche nach Hannover fahren.

Vom Treffen mit Kerstin Zimmermann erhoffen sich Frank und Ulrike Jaeschke Antworten auf ihre Fragen, die sie auf einem Zettel zusammengetragen haben. Vieles dreht sich auch noch einmal um die Brandnacht und warum es für solche Notfälle keine Unterkünfte gibt. Die gibt es, sagt Kerstin Zimmermann. Die Feuerwehr habe dafür Zugriff auf Wohnungen in Dresden. Nur habe an diesem Abend niemand nachgefragt. "Da gibt es sicherlich einiges aufzuarbeiten", sagt Frank Jaeschke. Auch, um auf solche Notsituationen besser vorbereitet zu sein.

Bürgerstiftung übernimmt Spendensammlung

Aber nun sei es Zeit, nach vorn zu schauen, ergänzt Jaeschke. Dringendstes Problem ist die Sache mit dem Spendenkonto. Das hatte der Verein Chinesischer Pavillon zur Verfügung gestellt, doch er darf nur Spenden annehmen, die für ein denkmalgeschütztes Gebäude verwendet werden. Seitdem versucht Ina Giuffrida, die sich der Bewohner angenommen hat und deren Mutter vom Brand ebenfalls betroffen war, die finanzielle Hilfe von den Dresdnern in die richtigen Bahnen zu lenken. Bislang ohne Erfolg. 8.000 Euro sind zwar schon zusammengekommen, doch sie müssen auf dem richtigen Konto eingezahlt werden.

Inzwischen hatte sich auch Christian Barth der Sache angenommen und bei vielen Stellen nachgefragt, unter anderem bei der Stadtkasse, doch es ist zu kompliziert. Zum Treffen hat der Stadtbezirksamtsleiter dennoch gute Nachrichten: Die Bürgerstiftung Dresden übernimmt das Geld vom Verein Chinesischer Pavillon, Barth rechnet damit, dass in ein bis zwei Wochen alles so weit geregelt ist, dass diejenigen finanzielle Hilfe bekommen, die sie nun dringend brauchen. Doch auch hier ist Vorsicht geboten, sagt Barth. Der Bedarf muss detailliert ermittelt und dokumentiert werden. Wer braucht was und wofür? "Wir müssen die Regeln einhalten, sonst droht am Ende noch eine Rückzahlung oder Streit."

Neue Praxis in den Flammen zerstört

Das will auch Katja Nicolai vermeiden. Und dennoch müssen sie und die anderen Bewohner eine Kaution für eine neue Wohnung stemmen, während die andere noch beim Vermieter des Brandhauses liegt. Katja Nicolai braucht zudem neue Arbeitsräume. Mit ihrer Psychotherapiepraxis war sie zwei Tage vor dem Unglück gerade erst frisch eingezogen. Dafür hatte sie zuvor eine Festanstellung aufgegeben, nun muss sie weiter Geld verdienen. Untergekommen ist sie bei ihrem Freund, ihre 17-jährige Tochter bei ihrem Vater.

"Bei uns in der Wohnung ist alles abgebrannt", erzählt sie. Im Zimmer ihrer Tochter sei nicht mehr zu erkennen gewesen, wo das Bett und der Schreibtisch gestanden hatten. Alles verkohlt. Mit Sachspenden soll die neue Wohnung eingerichtet werden. Hilfsangebote gibt es genug, aber der Lagerplatz fehlt. Darum will sich Kerstin Zimmermann vom Bürgermeisteramt jetzt kümmern. Zudem soll die Stadt Kontakt zum Eigentümer aufnehmen, bei ihm nachfragen, wie es mit dem Gebäude weitergeht und Unterstützung beim Wiederaufbau anbieten. Bei dem Eigentümer handelt es sich um eine Gesellschaft mit 25 Mitgliedern. Noch ist nichts zu deren Plänen über die Zukunft des Brandhauses bekannt.

Zum Abschluss des Gesprächs sichert Christian Barth seine Unterstützung bei der Wohnungssuche zu. "Das wird sicherlich nicht auf dem Weißen Hirsch sein", räumt er ein, aber womöglich in Loschwitz oder Blasewitz. Ulrike Jaeschke ist etwas versöhnt. "Die Menschen brauchen jetzt ein Zeichen der Hoffnung." Am 20. Juli wollen sich die Bewohner erneut mit der Stadt treffen.

Wer die Bewohner des Brandhauses unterstützen will, kann das auf folgendem Konto tun: Bürgerstiftung Dresden, Commerzbank Dresden, IBAN: DE27 8508 0000 0143 0130 14, Verwendungszweck (bitte unbedingt angeben): Brandopfer Lahmannring 17

Am 13. Juli findet zudem eine Benefizveranstaltung mit Lesung und Musik statt. In der evangelischen Kirche auf dem Weißen Hirsch wird Uwe Tellkamp aus seinem Buch lesen, dazu begleitet ihn das Collenbusch Streichquartett. Los geht es 19.30 Uhr in der Luboldtstraße 11.