Dresden
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Wie Dresden zur Kinostadt aufstieg

Dresden ist noch immer eine Kinostadt. Vor dem Krieg gab es in der Innenstadt zahlreiche Filmpaläste. Eines dieser Häuser war das Universum, das 1933 eröffnet wurde.

Von Ralf Hübner
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Die ehemalige Straßenfront der Prager Straße Ecke Waisenhausstraße von 1905. Dort ist 1933 im vertieften Untergeschoss des Kabaretts Rialto das Tonfilmtheater Universum eröffnet worden.
Die ehemalige Straßenfront der Prager Straße Ecke Waisenhausstraße von 1905. Dort ist 1933 im vertieften Untergeschoss des Kabaretts Rialto das Tonfilmtheater Universum eröffnet worden. © SZ-Archiv/Kunstverlag Max Köhler

Dresden. Die Dresdner sind begeisterte Kinogänger. Vor der Corona-Pandemie strömten laut Statistik jährlich mehr als 1,5 Millionen Zuschauer in die Lichtspielhäuser. Vor zehn Jahren waren es sogar in der Regel mehr als zwei Millionen. Angeblich hat die Stadt bezogen auf die Einwohnerzahl bundesweit mit die meisten Kinoplätze. Doch schon vor dem Zweiten Weltkrieg war Dresden Kinostadt. Der Kinobesuch galt als Hauptvergnügen. Die Ära der großen Filmpaläste, die "goldene Zeit" des Dresdner Kinos, hatte Mitte der 1920er-Jahre begonnen. Am 5. Januar 1933 wurde das Tonfilmtheater Universum auf der Prager Straße eröffnet. Das war vor 90 Jahren.

Das Ereignis wurde von der Presse aufmerksam verfolgt. Im Publikum saßen Vertreter der Behörden, Prominente der Dresdner Stadtgesellschaft und Künstler. Sie wurden mit Paukenwirbeln und schmetternden Fanfaren ehemaliger Hoftrompeter in Galauniform begrüßt. "Das Haus war bis auf den letzten Platz ausverkauft und mit einer erwartungsvollen Menge in Festkleidung angefüllt", berichteten die Dresdner Nachrichten. Als erster Streifen wurde "FP1 antwortet nicht" mit Hans Albers, Sybille Schmitz und Paul Hartmann in den Hauptrollen gezeigt. Das Publikum habe spontan Beifall gespendet, berichtete das Blatt. Die Schauspielerin Sybille Schmitz überbrachte die Grüße von Hans Albers.

Dedrophon: Erstes Kino öffnete am Wettiner Platz

Das neue Kino mit seinem eleganten Foyer bot 1.067 Zuschauern Platz. Es gehörte neben den U.T.-Lichtspielen (Union-Theater) und dem Ufa-Palast, beide in der Waisenhausstraße, sowie dem Capitol und dem Prinzeß-Theater auf der Prager Straße zu den großen Lichtspielhäusern im Zentrum der Stadt. Dazu war das ehemalige Rialto-Café in nur fünf Monaten völlig umgebaut und für das Parkett 3,60 Meter Erde ausgeschachtet worden, berichteten die Dresdner Nachrichten.

Dresden war den deutschen Großstädten in Sachen Kino anfangs voraus. Schon vor dem Ersten Weltkrieg besaß die Stadt große, gut eingerichtete und für die damalige Zeit moderne Häuser.

Den Anfang hatte Otto Dederscheck im Juli 1906 im Grundstück Wettiner Straße 34, der jetzigen Schweriner Straße, mit dem Dedrophon-Theater gemacht. Im Zuschauerraum war ein Kommen und Gehen, denn es wurde durchgespielt. Das Programm bestand aus kurzen Filmen.

Als Anfang Januar 1907 König Friedrich August III. das Dedrophon mit der gesamten Hofgesellschaft beehrte, bekam er die Streifen "Zahnschmerzen" (humoristisch), "Die kleine Blinde" (sensationell), "Ein zerstörter Mittag" (sehr heiter), "Drama in Venedig" (tragisch), "Amerikanische Schwanenfarm" (Naturaufnahmen), "Auf der Wohnungssuche" (zum Totlachen) zu sehen. Die Kinos schossen förmlich aus dem Boden. In der Großen Brüdergasse etablierte sich das Welttheater, am Freiberger Platz öffnete in den Räumen des ehemaligen Kaufhauses Zur Glocke das Campaneta-Theater, das dritte Dresdner Kino.

Capitol wird zum größten Kino Dresdens

Viele der kleine Ladenkinos, wie sie genannt wurden, weil sie oft leerstehende Läden nutzten, überlebten nicht lange. Doch es entstanden auch die ersten größeren Häuser wie 1908 das Tonbildtheater in der Prager Straße oder das Olympia-Tonbild-Theater am Altmarkt.

Der Dresdner Architekt Martin Pietzsch errichtete 1911 in der Waisenhausstraße mit dem U.T. das erste Superkino der Stadt mit mehr als 1.000 Sitzplätzen, mit Rang- und Seitenlogen. Das Haus galt im Kinobau als vorbildhaft. "Das elektrische Lichtspiel grün-gold klingt mit dem schwarz-grün-goldenen Farbenklang der Saalfärbung zusammen", berichtete die Presse. Noch im gleichen Jahr eröffnete das Prinzeß-Theater in der Prager Straße. Im Victoria-Revuetheater in der Waisenhausstraße wurden schon ab 1916 Filme gezeigt, 1924 wurde es zum Ufa-Palast umgebaut, eine noble Spielstätte mit zwei Rängen und 1.022 Plätzen.

Ab 1924 stieg in nur vier Jahren die Zahl der Kinos von 28 auf 40. 1925 eröffnete das Capitol in der Prager Straße, das mit 1.750 Plätzen größte Kino der Stadt. "Überwältigend ist der Eindruck beim Betreten dieses Raumes durch die entgegenstrahlende Lichtfülle und die wundervolle Farbtönung", wurde berichtet. Das Universum war das jüngste dieser einstigen Kinogiganten. Fast alle Theater leisteten sich den Luxus einer kostenträchtigen Reklame in knalligen Lettern und großformatige Künstlerporträts an den Kinofassaden. Zwischen dem Hauptbahnhof und dem Postplatz wurden sieben Filmpaläste gezählt.

Auch wenn die meisten Ur- oder Erstaufführungen in Berlin über die Leinwand flimmerten, erlebte Dresden in den sieben Erstaufführungskinos bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 40 Uraufführungen. Den Anfang machten am 25. Dezember 1930 "Stürme über dem Montblanc", 1934 gab es ebenso wie 1936 gleich fünf Premieren. Der Opernstar Maria Cebotari kam auf einen Sprung von der Semperoper zur Premiere ihres Films "Mädchen in Weiß" ins U.T.

Die letzte Ufa-Uraufführung "Die Jahre vergehen" war für den 6. Februar 1945 im Capitol geplant, kam aber nicht mehr zustande. Gut eine Woche später versanken beim Luftangriff auf Dresden Filmpaläste in Schutt und Asche. Auch das Universum wurde schwer getroffen, lediglich das Foyer im Erdgeschoss blieb weitgehend verschont.