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Die Werkstatt der jungen Dresdner Hacker

Im Dresdner Hygiene-Museum haben junge Computerfreaks verblüffende Ideen ausgeklügelt. Als Mentor war einer dabei, der mit neun Jahren sein erstes Spiel programmiert hat.

Von Christoph Pengel
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Moritz Schulz wurde im Alter von fünf Jahren eingeschult. Später übersprang er eine Klasse. Heute studiert er Informatik an der TU Dresden.
Moritz Schulz wurde im Alter von fünf Jahren eingeschult. Später übersprang er eine Klasse. Heute studiert er Informatik an der TU Dresden. © Christian Juppe

Dresden. Genervt von Cookie-Meldungen? Zur Erinnerung, das sind diese Fenster, die aufpoppen, wenn man eine neue Internetseite aufruft. Die meisten Menschen klicken die Fenster so schnell wie möglich weg. Wer dieses lästige Prozedere umgehen will, kann irgendwann vielleicht ein Produkt aus Dresden nutzen - konzipiert von jungen Hackern.

Solche Systeme werden zwar schon in ähnlicher Form im Netz angeboten. Aber als Jugendliche nun ihren eigenen Prototyp im Deutschen Hygiene-Museum vorstellten, war die Begeisterung groß. 45 Computerfreaks im Alter von zwölf bis achtzehn Jahren haben sich dort am Wochenende getroffen. Bei "Jugend hackt" wurde getüftelt und programmiert, teils bis tief in die Nacht. Ein Marathon, an dessen Ende neun Projekte und 120 leere Flaschen Mate-Tee standen.

Einer, der seit Jahren bei "Jugend hackt" mitmacht, ist Moritz Schulz. Der 18-Jährige war im Hygiene-Museum diesmal als Mentor unterwegs. Er half dem Nachwuchs dabei, ihre Entwürfe zu durchdenken und neue Techniken auszuprobieren. Jeder Vierte war ein kompletter Anfänger. Für Schulz war das Herausforderung und Spaß zugleich. "Es ist cool, wenn die Leute wissbegierig sind", sagt er.

"Man hat die Fähigkeit, Dinge aus dem Nichts zu erschaffen"

Fragt man Moritz Schulz, seit wann er sich für Computer interessiert, ist das so, als ob man einen Fisch fragt, wie er zu seinen Flossen gekommen ist. Es war einfach schon immer so. Seine Eltern haben ihm erzählt, dass er vier war, als er die ersten Bilder mit dem Programm Paint malte. Als er ein Jahr später eingeschult wurde, mussten die Lehrer feststellen, dass er schon lesen und schreiben konnte. "So viel konnten die mir nicht mehr zeigen", sagt er. Deshalb übersprang er bald eine Klasse.

In der fünften Klasse, da war Moritz Schulz neun Jahre alt, programmierte er sein erstes Jump-and-Run-Spiel. Springen, Rennen, Münzen sammeln. Die Grundlagen brachte er sich mithilfe von Youtube-Videos bei. Vom Programmieren ist er bis heute fasziniert.

Am besten sei das Gefühl, das aufkommt, wenn man stundenlang an einem Problem herumgedoktert hat und dann, nach vielen vergeblichen Versuchen, endlich der Aha-Moment eintritt. "Man hat die Fähigkeit, aus dem Nichts Dinge zu erschaffen", sagt Moritz Schulz.

Gute Hacker, böse Hacker

Was dabei herauskommt, wenn junge Menschen zwei Tage lang ihre Köpfe zusammenstecken und scheinbar endlose Reihen von Codes in ihre Tastaturen tippen, war am Sonntag zu sehen. Am Nachmittag stellten die Gruppen ihre Ergebnisse vor, per Livestream konnte man auch außerhalb des Museums dabei sein. Auf der Bühne standen Jungs mit Brillen, Kapuzenpullovern und Ponys, die tief im Gesicht hingen, auch ein paar Mädchen waren dabei.

Programmieren heißt manchmal auch, stundenlang auf Reihen von Codes zu starren und nicht weiterzuwissen. Bei "Jugend hackt" wird Anfängern geholfen.
Programmieren heißt manchmal auch, stundenlang auf Reihen von Codes zu starren und nicht weiterzuwissen. Bei "Jugend hackt" wird Anfängern geholfen. © Steffen Haas - Jugend hackt Dresden

Eine Gruppe hatte eine Internetseite erstellt, auf der Schüler das W-LAN ihrer Schulen bewerten und mit anderen Einrichtungen vergleichen können. Eine andere Gruppe präsentierte ein Programm, mit dem der Geschichtsunterricht spannender werden soll, etwa durch ein Rollenspiel.

Das klingt alles ziemlich harmlos - und so gar nicht nach dem Hacker, der in das IT-System einer Bank eindringt, um Kontodaten zu manipulieren oder Geld zu ergaunern. Tatsächlich ist das nur ein Aspekt des Hacker-Begriffs, der im Prinzip alle Hard- und Software-Kniffe umfasst, die nötig sind, um ein Hindernis zu überwinden. In der Szene wird zwischen Black-Hat- und White-Hat-Hackern unterschieden, also zwischen Hackern mit guten und dunklen Absichten.

Programmieren soll die Welt verbessern

Dass sich die Veranstalter von "Jugend hackt" auf der guten Seite verorten, muss wohl kaum erwähnt werden. Immerhin wird das nicht gewinnorientierte Programm auch vom Freistaat finanziell unterstützt. Die Organisatoren sind das Dresdner Medienkulturzentrum sowiee die Vereine "Open Knowledge Foundation Deutschland" und "Mediale Pfade".

Nicht nur in Dresden findet "Jugend hackt" statt, sondern auch in Städten wie Freiberg, Berlin oder Cottbus. Dahinter steckt die Überzeugung: Code, also Programmieren, verbessert die Welt.

Mit dieser Haltung kann sich auch Moritz Schulz identifizieren. Er studiert Informatik an der TU Dresden und will sein Wissen später für sinnvolle Zwecke einsetzen, zum Beispiel im Bereich erneuerbare Energien. Zudem hilft er in einer Art Werkstatt, die "Jugend hackt" in den Technischen Sammlungen betreibt. Im sogenannten Lab können sich Jugendliche alle zwei Wochen mit Themen wie Künstlicher Intelligenz befassen.

Moritz Schulz hat hohe Ansprüche an die Programme, die er selbst schreibt. Einfach, klar und nachvollziehbar sollen sie sein. Bei Anfängern, die zu "Jugend hackt" kommen, ist er aber nicht so streng. Da ist Unvollkommenheit kein Problem, sondern Teil der Übung.

So wie beim Anti-Cookie-Programm, das nervige Pop-Up-Fenster vermeiden soll. Die jungen Hacker riefen bei der Präsentation am Sonntag zwei Internetseiten zum Test auf. Einmal klappte es, einmal ging es schief. Bis zur Marktreife wird wohl noch viel Mate-Tee fließen.