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Faszination Romantik: Warum diese Frau am Donnerstag im Kostüm über den Dresdner Neumarkt flaniert

Könnte eine Wette romantischer sein? Am Donnerstag wollen Dresden und Greifswald so viele Menschen wie möglich in ihre Innenstädte bringen, die im Stil der Romantik gekleidet sind. Eine von ihnen ist Angelika Grunwald.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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Angelika Grunwald schwärmt von der Romantik. Es seien die Rückbesinnung auf die Psyche und die Natur, die sie an der Epoche so faszinieren. Zur Stadtwette am Donnerstag wird sie auf dem Dresdner Neumarkt im Romantik-Kostüm erscheinen.
Angelika Grunwald schwärmt von der Romantik. Es seien die Rückbesinnung auf die Psyche und die Natur, die sie an der Epoche so faszinieren. Zur Stadtwette am Donnerstag wird sie auf dem Dresdner Neumarkt im Romantik-Kostüm erscheinen. © DMG/Sven Döring

Dresden. Wie hat Dresden wohl ausgesehen, als Caspar David Friedrich 1798 in die Stadt zog? "Dresden war auf jeden Fall sehr viel kleiner als heute", sagt Angelika Grunwald, die sich in diese Epoche, die wir heute als Romantik kennen, ein Stück weit verliebt hat. Um die 60.000 Menschen lebten damals in Dresden, das sich noch vom Siebenjährigen Krieg erholte. "Man muss sich alles wegdenken, was uns in der Stadt heute als wichtig erscheint - gepflasterte Straßen waren nicht die Regel, es gab sehr viel mehr Grünflächen und fast jedes Haus hatte einen kleinen Garten."

Auch die Menschen veränderten langsam, aber sicher ihr Erscheinungsbild. Denn die Französische Revolution, die 1798 noch ein Jahr dauern sollte, hatte bereits Einfluss auf das Leben vieler Dresdner genommen - unter anderem auf deren Kleidungsstil. Was Mann und Frau damals am Leib trugen, wird man an diesem Donnerstag von 17 bis 20 Uhr im Herzen Dresdens - auf dem Neumarkt - erleben können.

Stadtwette startet um 17 Uhr auf dem Dresdner Neumarkt

Denn zum 250. Geburtstag Caspar-David-Friedrichs sind Dresden und Greifswald, die Geburtsstadt des Malers, eine Wette eingegangen: Welche Stadt schafft es, mehr im Stil der Romantik gekleidete Menschen in der Innenstadt zu versammeln?

Angelika Grunwald wird ein unter der Brust geschnürtes pastellblaues Kleid mit kurzen Ärmeln und weißem Spitzenkragen tragen, dazu ein Tuch über Schultern und Armen sowie Haube mit Kinnschleife. "Ein Alltagskleid, das nach historischem Vorbild genäht wurde und normalerweise im Kügelgenhaus aufbewahrt wird", sagt die 66-jährige Museumspädagogin, die sonst Schülern im Kügelgenhaus von der Romantik-Epoche, im Kraszewski-Museum von Tinte und Feder und im Palitzsch-Museum von den Sternen erzählt. Der glatt nach unten fallende Stoff erinnere an griechische Gewänder.

Die Dresdner Museologin Angelika Grunwald und Lutz Reike, bei den Museen der Stadt für Bildung und Vermittlung zuständig, sind im Stil der Romantik gekleidet. Am Donnerstag werden sie zur Stadtwette auf dem Neumarkt Gesellschaft bekommen.
Die Dresdner Museologin Angelika Grunwald und Lutz Reike, bei den Museen der Stadt für Bildung und Vermittlung zuständig, sind im Stil der Romantik gekleidet. Am Donnerstag werden sie zur Stadtwette auf dem Neumarkt Gesellschaft bekommen. © DMG/Sven Döring

"In der Französischen Revolution ist mit der Mode des Hofes radikal gebrochen worden", erklärt die Radebeulerin den Wandel, der sich zu dieser Zeit auch in der sächsischen Mode vollzog: Bequeme Kleider statt enger Korsetts. Wobei in Deutschland aufgrund des Klimas nicht die ganz dünnen Kleider getragen, sondern etwas wärmere Stoffe verwendet wurden. Das seien Naturstoffe gewesen wie Baumwolle oder Leinen. Schwer im Kommen sei Musselin gewesen, ein sehr feiner Baumwollstoff.

Doch wer konnte sich solche Kleider früher leisten? "Ich würde denken, die Frau, die so ein Kleid trug, war gut situiert, die bürgerliche Hausfrau." Menschen aus einfacheren Verhältnissen seien der Mode der damaligen Zeit nicht allzu sehr unterworfen gewesen, sie konnten sie sich schlichtweg nicht leisten. Zumal es anders als heute keine Modegeschäfte gab, in denen Kleider auf der Stange hingen. "Es gab noch keine Nähmaschinen, es wurde viel zu Hause genäht", sagt Angelika Grunwald. "Oder man musste zur Schneiderin oder zum Schneider gehen und sich seine Sachen anfertigen lassen."

"Es ist die Rückbesinnung, die mich so fasziniert"

Und die Männer der Romantik? Viele trugen einen Frack - vorn kurz, hinten lang. "Die Herren haben sich dick eingewickelt", so die Museologin. Das Hemd hatte einen hohen Kragen, darüber kam eine Weste, darüber wiederum der Frack. "Für einen gut angezogenen Mann gehörte das dazu." Backenbärte, wie Caspar David Friedrich ihn trug, seien dagegen weniger verbreitet gewesen. Dies sei eher eine modische Spezialität des Künstlers gewesen.

Kulturgeschichtlich gesehen dauerte die Romantik 40 Jahre - von 1795 bis 1835. Sie steht für Fernweh, Natursehnsucht, aber auch den Rückzug ins Private und die Beschäftigung mit dem inneren Ich. "Es ist die Rückbesinnung, die mich an dieser Zeit so fasziniert", sagt Angelika Grunwald. Die Rückbesinnung auf das, was in den Zeiten davor als nicht wertvoll angesehen wurde. "Das sind die Psyche und die Natur. Man ist von der Vorstellung weggekommen, dass die Welt mechanisch wie ein Uhrwerk funktioniert, und hat akzeptiert, dass es Dinge gibt, die man nicht fassen kann." Dazu gehöre auch die Rettung des Märchens als Textgattung durch die Brüder Grimm. "Es wäre ein unglaublicher Verlust, hätten wir heute keine Märchen."

Wer sich Angelika Grunwald am Donnerstag auf dem Neumarkt anschließen möchte und sich unsicher ist, was er tragen sollte, für den gibt hier ein paar Tipps. Zwei der folgenden Kostümelemente müssen getragen werden, um in die Wertung aufgenommen zu werden:

Hauben für die Damen, Westen für die Herren

Damen und Mädchen, wie es heißt, können mit Haube, Schutenhut oder Sonnenhut mit heruntergezogener Krempe erscheinen, zusammengehalten von einem Schleifenband, das charmant unter dem Kinn gebunden wird. Alternativ ist eine Hochsteckfrisur oder ein Dutt erlaubt. Empfohlen wird darüber hinaus ein fließendes, langes Schultertuch oder ein Schal, getragen über Schultern und Arme. Und, das Wichtigste: ein Kleid oder ein langer Rock - boden- oder knöchellang.

Herren tragen einen Hut, ein Barett oder Zylinder. Die größte Herausforderung dürfte allerdings der empfohlene Backenbart sein, wie ihn Caspar David Friedrich trug. Wer den Rasierer bis zur Wette nicht ruhen lassen möchte, kann jedoch beruhigt sein: Der Bart darf auch aufgeklebt oder aufgemalt sein. Und, zum Schluss, gehört eine klassische Weste zum Dresscode. Wie gesagt: Nur zwei der aufgezählten Kostümelemente müssen getragen werden.

"Ich hoffe, dass sich viele Leute von meiner Begeisterung anstecken lassen", sagt Angelika Grunwald, die selbstverständlich stilecht im Romantik-Kostüm über den Neumarkt flanieren wird.

Mehr dazu - auch zu möglichen Accessoires - finden Interessierte hier.

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