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Dresdner Altmarkt: Der „Festsaal“ wird aufgebaut

Der Altmarkt ist der wichtigste Platz Dresdens. Um seine Gestaltung wurde vor 70 Jahren beim Wiederaufbau nach dem Krieg hart gerungen.

Von Ralf Hübner
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Zur Grundsteinlegung am Altmarkt waren neben Walter Ulbricht auch Martin Andersen-Nexö, Otto Buchwitz und Dresdens Oberbürgermeister Walter Weidauer gekommen.
Zur Grundsteinlegung am Altmarkt waren neben Walter Ulbricht auch Martin Andersen-Nexö, Otto Buchwitz und Dresdens Oberbürgermeister Walter Weidauer gekommen. © SLUB/Deutsche Fotothek/Höhne-Po

Auch heute ist der Altmarkt eine Dauerbaustelle. Jetzigen Planungen zufolge haben dort noch bis zum Herbst vor allem Bauarbeiter das Sagen. Tatsächlich ist er der älteste Platz der Stadt und war einst deren „Festsaal“. Am Ende des letzten Krieges lag der „Saal“ jedoch in Trümmern. Vor 70 Jahren, am 31. Mai 1953, legte schließlich der damalige SED-Generalsekretär Walter Ulbricht den Grundstein für den Neuaufbau.

„Wir bauen Dresden schöner denn je zuvor“, titelte die Sächsische Zeitung. Ulbricht habe unter dem Jubel Zehntausender Werktätiger den Grundstein zu den Bauten gelegt, die die Umgestaltung Dresdens zur sozialistischen Großstadt einleiteten, hieß es. Das neue Dresden werde auch durch sein architektonisches Bild den historischen Sieg der Arbeiterklasse über die kapitalistische Gesellschaftsordnung widerspiegeln.

Dabei gab es zum Zeitpunkt der Grundsteinlegung noch gar keinen fertigen Bauplan. Die ersten Zeichnungen für die Westseite des Platzes lagen den Bauarbeitern erst Anfang Juli vor. Und auch die Grundsteinlegung selbst war mehrfach verschoben worden: vom 1. Januar erst auf den 13. Februar und schließlich auf den 31. Mai.

Der Altmarkt ist seit 1370 aktenkundig. Mit ihm begann die planmäßige Anlage eines Straßennetzes. Dort standen die wichtigen Gebäude der Stadt sowie die Häuser der Ratsfamilien. Der Altmarkt war Schauplatz fürstlicher Lustbarkeiten, von Turnieren und Ringrennen. Auch Tierhatzen waren beliebt. Bei einem großen Ritter- und Turnierspiel 1553 führte die Stechbahn vom Schloss bis zum Markt. Auch bei der Hochzeit von Kurprinz Friedrich August II. mit der Kaisertochter Maria Josepha 1719 war der Altmarkt einer der Schauplätze der Feierlichkeiten.

Dresdens Altmarkt in Flammen und Revolution

Der Hof verfolgte das Geschehen auf dem Altmarkt damals in der Regel vom Rathaus aus, einem frei stehenden, dreigeschossigen Renaissancebau auf der Nordseite. Der Standort erschien ungünstig, und so wurde der Bau auf Druck August des Starken 1707 abgebrochen. Mit dessen Billigung erwarb die Stadt 1709 als Ersatz das gräfliche Taubische Haus, das von 1741 bis 1745 nach Entwürfen von Johann Christoph Knöffel ausgebaut wurde und der Stadtverwaltung bis 1910 als Sitz diente.

Nach dem Beschuss der Stadt im Siebenjährigen Krieg standen im Juli 1760 die Häuser am Altmarkt in Flammen.

Während der Napoleonischen Zeit schlugen dort Truppen ihr Lager auf. 1830 und 1849 war der Platz ein Ort revolutionärer Unruhen. Immer wieder wurde um- und neu gebaut. Geschäfts- und Kaufhäuser, Hotels und Cafés bestimmten das Bild wie das Café Kreutzkamm und das Kaufhaus Renner, damals das größte Kaufhaus der Stadt mit der ersten Rolltreppe in Dresden, die Marienapotheke, das Deutsche Familien Kaufhaus (DeFaKa) und das Café Central.

Dann kam die Zerstörung: Nach den Luftangriffen 1945 wurden auf dem Platz 6.865 Leichen aufgestapelt und verbrannt.1952 wuchs der Druck auf die Stadt, den Wiederaufbau des Altmarktes voranzutreiben. In der DDR sollten die Grundlagen des Sozialismus aufgebaut werden. Walter Ulbricht verkündete zur „baulichen Manifestierung“ der neuen Ordnung den Beschluss des SED-Politbüros, mit dem Aufbau des Altmarkts zu beginnen. Damit wurde der Platz zum Politikum. Die Stadt musste rasch einen Bebauungsplan vorweisen und schrieb in aller Eile einen Architekturwettbewerb aus.

Ein Streitpunkt war die künftige Größe des Platzes. Wie andere DDR-Städte sollte auch Dresden einen Fest- und Aufmarschplatz für etwa 100.000 Menschen erhalten. Der Platz sollte deswegen auf 20.000 Quadratmeter erweitert werden und an der Nordseite Platz für Tribünen haben. Die Südseite sollte für ein „Haus der SED“ und der Norden für ein „Haus des Rates des Bezirkes“ frei gehalten werden. Damals noch existierende Gebäuderuinen wie etwa die der Kaufhäuser Renz und DeFaKa hätten demnach einbezogen werden können.

Sieger wurde schließlich ein Entwurf, der ein Gebäude mit einem Turm vorsah. Er galt den Preisrichtern als Zeichen des neuen Dresden. Mit einer Höhe von 124 Metern hätte dieser Turm noch den Rathausturm überragt. Um die Proportionen an dem vergrößerten Platz zu wahren, wurde die Firsthöhe der Gebäude angehoben. Kritiker warnten, dass der Altmarkt in dieser Größe den früheren saalartigen Charakter nicht mehr haben werde.

Die neuen zumeist siebenstöckigen Häuser erinnern bis heute mit der Sandstein-Putzfassaden, den Erkern, Satteldächern, Dachgauben sowie gesprengten Giebeln an den Dresdner Barock. Auf individuelle Wohn- und Geschäftshäuser wurde schließlich verzichtet. Die unteren Geschosse blieben Läden und Gastronomie vorbehalten. Ein Arkadengang machte das Ensemble unverwechselbar.

Der Altmarkt gilt heute allgemein als gelungenes Beispiel für den „Sozialistischen Klassizismus“. Die geschlossenen Baukörper im Osten und Westen wirken jedoch wie Riegel, die den Platz zu anderen Innenstadtbereichen absperren. Mit den Nebenstraßen und Gassen, die einst zum Altmarkt führten, ging auch die Durchlässigkeit des Platzes verloren. Im Norden wurde er 1969 durch den Kulturpalast geschlossen, im Süden wurde 2010 das letzte Haus gebaut.