SZ + Dresden
Merken

Die Privilegien eines Wehrmacht-Generals in Dresden

Friedrich Paulus war einer der bekanntesten deutschen Militärs des Zweiten Weltkrieges. Er starb vor 65 Jahren in Dresden.

Von Ralf Hübner
 4 Min.
Teilen
Folgen
Eine Villa in Dresden: Nach der Freilassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft lebte Paulus auf der Preußstraße 10 in Oberloschwitz.
Eine Villa in Dresden: Nach der Freilassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft lebte Paulus auf der Preußstraße 10 in Oberloschwitz. © MHD

Dresden. Kein Sieg – eine katastrophale Niederlage hat dem General zu Bekanntheit verholfen. Der Name von Generalfeldmarschall Friedrich Paulus steht für den Untergang der 6. Armee der deutschen Wehrmacht 1943 in Stalingrad. Deutschland ging seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg entgegen. Nach der Freilassung aus der Kriegsgefangenschaft lebte Paulus in Dresden. Er wohnte in einer Villa in der Preußstraße in Oberloschwitz. Den einen galt er damals als Verräter, den anderen als Patriot. Vor 65 Jahren starb Paulus am 1. Februar 1957.

Die Berichterstattung in der Sächsischen Zeitung zur Beerdigung von Paulus fiel knapp aus. Unter der Überschrift „Friedrich Paulus eingeäschert“ wurde vermeldet, dass an der Trauerfeier im Krematorium Mitglieder des Präsidiums des Nationalrates der Nationalen Front, Vertreter der staatlichen Organe, der Parteien und Massenorganisationen sowie eine Delegation des Ministeriums für Nationale Verteidigung teilgenommen hätten.

Friedrich Paulus entstammte einer preußischen Beamtenfamilie. Als Sohn eines Buchhalters kam er 1890 in Guxhagen im damals zu Preußen gehörenden Hessen-Nassau zur Welt. Nach dem Gymnasium wollte er zur Kaiserlichen Marine, wurde aber abgelehnt. Ein Jurastudium brach er ab, trat 1910 als Fahnenjunker ins Heer ein und wurde schon ein Jahr später Leutnant.

Während des Ersten Weltkriegs schaffte er es bis zum Hauptmann. Er erkrankte und wurde nach der Genesung an verschiedenen Fronten als Stabsoffizier eingesetzt. Sein Talent als Planer und Organisator waren geschätzt. 1919 wurde er schließlich in die Reichswehr übernommen, war zunächst wieder Generalsoffizier, später auch Kompaniechef und danach Taktiklehrer.

In der Kriegspropaganda populär geworden

Als nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland wieder aufgerüstet wurde, nahm auch Paulus‘ Karriere Fahrt auf. Ein Nazi ist Paulus nicht gewesen, wohl aber ein gehorsamer Soldat. 1935 wurde er Oberst. Er nahm am Überfall auf Polen und dem Frankreichfeldzug teil, arbeitete an Plänen für eine Invasion Großbritanniens und am Aufmarschplan „Barbarossa“ für den Überfall auf die Sowjetunion.

Januar 1942 wurde Paulus der Oberbefehl über die 6. Armee übertragen, die zu dem Zeitpunkt bei Charkow in der Ukraine stand. Die Ernennung war nicht unumstritten. Einige dienstältere Offiziere waren übergangen worden, Paulus verfügte zudem kaum über Truppenerfahrung. Als es ihm jedoch gelang, eine Offensive der Roten Armee abzuwehren, verstummten die Kritiker. Paulus wurde in der Kriegspropaganda populär. Anders als sein Vorgänger sprach sich Paulus gegen den „Kommissarbefehl“ in seinem Bereich aus, der vorsah, Politkommissare der Roten Armee bei Gefangennahme sofort zu erschießen.

In Stalingrad wurde die 6. Armee im November 1942 bei einem Gegenstoß der Roten Armee eingeschlossen. Vergeblich bat Paulus Hitler, ausbrechen zu dürfen. Wider besseren Wissens, harrte er mit seinen Soldaten im tödlichen Kessel aus. Seither galt er als entschlussschwach, als Zögerer und Zauderer.

Beförderung als Suizid-Aufforderung?

Noch am 29. Januar 1943 ließ er anlässlich des 10. Jahrestages der Machtergreifung der Nazis eine Ergebenheitsadresse an Hitler funken, der ihn umgehend einen Tag später zum Generalfeldmarschall beförderte. Die Beförderung in praktisch letzter Minute ist als Aufforderung zum Suizid aufgefasst worden, denn ein preußischer Generalfeldmarschall ergab sich nach damaliger Auffassung nicht. Wieder nur einen Tag später war der Krieg für ihn zu Ende. Paulus wurde in seinem Hauptquartier im Keller des Kaufhauses „Univermag“ gefangen genommen.

In der Gefangenschaft versuchte Wilhelm Pieck, der spätere DDR-Staatspräsident, zunächst vergeblich ihn für das Nationalkomitee Freies Deutschland zu gewinnen. Unter Druck erklärt er sich schließlich zur Kooperation bereit und unterschrieb am 8. August 1944 einen Appell an das deutsche Volk, in dem er dazu aufrief, sich von Hitler loszusagen. Bei vielen Kriegsgefangenen stieß das auf Empörung.

Nach Kriegsende wurde Paulus Anfang 1946 nach Deutschland geflogen, um im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess als Zeuge auszusagen. Er berichtete über seine Rolle bei der Vorbereitung des Unternehmens „Barbarossa“ und benannte Wilhelm Keitel, Alfred Jodl und Hermann Göring als Hauptschuldige. Obwohl er mit der Aussage die Erwartungen seiner sowjetischen Betreuer erfüllte, blieb ihm ein Wiedersehen mit seiner damals schwerkranken Frau verwehrt. Sie starb 1949, ohne ihren Mann noch einmal gesehen zu haben.

Paulus musste bis 1953 auf seine Entlassung warten. Im September kam Walter Ulbricht, um mit ihm die Rückkehr zu besprechen, und am 26. Oktober betrat Paulus erstmals seit 1946 wieder deutschen Boden. Zuvor hatte er vor seiner Abfahrt mit dem Zug noch eine weitere Ergebenheitsadresse an die Sowjetunion abgegeben.

In Berlin wurde er zu einem offiziellen Empfang der Staats- und Parteiführung der DDR gebracht. Als Wohnung wurde ihm eine Dresdner Villa in Oberloschwitz zugewiesen. Er erhielt das Privileg zum Besitz einer eigenen Handfeuerwaffe sowie eines westdeutschen Autos, eines Opel „Kapitän“. Paulus wurde von der DDR-Staatssicherheit komplett überwacht. Ein Teil der Bediensteten waren Zuträger, die Post wurde kontrolliert, Telefon und Wohnung wurden abgehört.

Seine offizielle Funktion war damals die des Leiters des Kriegsgeschichtlichen Forschungsrates an der Hochschule der Kasernierten Volkspolizei. In Studien sowie in zwei Vorträgen beschäftigte er sich 1954 mit der Schlacht von Stalingrad. 1955 war er die Galionsfigur der SED-Initiative „Gesamtdeutsches Offizierstreffen“, mit dem die Wiederbewaffnung und die Westintegration Westdeutschlands verhindert werden sollte.

Paulus zog sich vor allem aus gesundheitlichen Gründen immer mehr zurück. Er litt an einer amyotrophen Lateralsklerose, die bei völliger geistiger Klarheit zur Lähmung der Muskulatur führt. Seine Studie über die Schlacht von Stalingrad blieb unvollendet. Er starb am Nachmittag des 1. Februar 1957 in seiner Villa.