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Architektur der Ostmoderne in Dresden: Funktionale Schlichtheit

Gebäude für Kultur und Industrie aus der Zeit der DDR prägen heute noch Dresdner Stadtteile. Für den Umgang mit dem Erbe gibt es gute und schlechte Beispiele.

Von Peter Ufer
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Das ehemalige Post-Hauptgebäude an der Königsbrücker Straße 21 ist für Architekten heute eine Art "Ost-Kult der Sixties".
Das ehemalige Post-Hauptgebäude an der Königsbrücker Straße 21 ist für Architekten heute eine Art "Ost-Kult der Sixties". © Deutsche Architektur; Repro

Dresden. Wenn am 7. Oktober der 50. Geburtstag des Rundkinos gefeiert wird, könnten sich der Party andere anschließen. Denn in Dresden entstanden während der Zeit der DDR weitere architektonisch prägende Kultur- und Industriebauten.

In der Altstadt, der Albertstadt, der Neustadt, in Dobritz oder der Seevorstadt-West und -Ost wurden Ende der 1950er- bis in die 1980er-Jahre vorzugsweise zweckmäßige Bauten errichtet. Einer ihrer erkennbaren Stile: Schlichtheit und Funktionalität. Eines dieser Zeugnisse verschwand erst kürzlich am Sternplatz. Der Gebäudekomplex mit Restaurant, dem Kabarett "Herkuleskeule", das seit 2017 im Kulturpalast spielt, und der Ladenstraße nach Norden war von 1963 bis 1965 unter städtebaulicher Leitung von Herbert Schneider und Kurt Röthig erbaut worden.

Alle Versuche, den Gebäudekomplex zu retten, scheiterten. Grüne, Linke und SPD standen im Stadtrat hinter dem Abriss. Der angegebene Grund: Auf der Fläche sollten 39Wohnungen für die neue Woba "WID" entstehen. Nach dem Abriss der Gebäude ist jetzt allerdings eine Neubebauung am Sternplatz offenbar in weite Ferne gerückt. Die "WID" hat ihr Projekt aus Finanznot auf Eis gelegt. Wegen der steigenden Baupreise sei die Finanzierung nicht mehr gesichert, sagte vor einigen Tagen eine Unternehmenssprecherin. Das Gelände bleibt vorerst eine Brache.

Doch es existieren auch andere Beispiele für den Umgang mit dem Erbe der DDR-Architektur: Das Verwaltungsgebäude des einstigen VEB Strömungsmaschinen mit den zwei flachen Anbauten an der Königsbrücker Straße 96 wurde 1956/57 von Axel Magdeburg errichtet. Imposant der monolithisch erbaute sechsgeschossige Stahlbetonskelettbau samt Rasterfassade mit farbigen Keramikbrüstungsfeldern und dem Flugdach. 2004 erwarb das Gelände die B&E Vermögensverwaltung GmbH & Co. Grundbesitz KG und entwickelte von 2005 bis 2009 in vier Bauabschnitten das Konzept "Zeitenströmung". Die Gestaltung wurde 2016 beendet, und das Gelände ist heute ein lebendiger kleiner Stadtteil mit kreativen Werkstätten, Restaurants, Büros und Ausstellungen.

Ein DDR-Bau, der nicht zu retten war, ist dieser Gebäudekomplex mit Restaurant, dem Kabarett "Herkuleskeule" und einer Ladenstraße nach Norden.
Ein DDR-Bau, der nicht zu retten war, ist dieser Gebäudekomplex mit Restaurant, dem Kabarett "Herkuleskeule" und einer Ladenstraße nach Norden. © SLUB Dresden / Deutsche Fotothek

Zu den Zeugnissen der 60er-Jahre-Architektur gehört ebenso das von der Königsbrücker Straße 21 zurückgesetzte, langgestreckte ehemalige Post-Hauptgebäude. Den Gebäudekomplex, bestehend aus hohem Hauptbau und sich anschließendem niedrigem Anbau, entwarfen die Architekten Kurt Nowotny und Wolfram Starke. 1962 begann der Bau. Heute eine Art "Ost-Kult der Sixties", meinen Architekten.

Ebenso prägend sind Hochhäuser aus den 1960er-Jahren, die für Betriebe errichtet wurden. Dazu gehört unter anderem das Verlagshaus der Sächsischen Zeitung auf der Ostra-Allee, erbaut von 1960 bis 1961 von Wolfgang Hänsch, saniert 2003 nach der Flut von 2002. Außerdem imposant das "Blaue Haus". Das achtgeschossige einstige Bürogebäude am Lennéplatz mit Galeriegeschoss und Empfangsgebäude wurde von 1958 bis 1960 nach Plänen der Architekten Alfred Gottfried und Georg Wolf errichtet.

Das "Blaue Haus" auf der Wiese Lennéplatz/Tiergartenstraße wurde ab 1958 als Bürogebäude errichtet. Heute befinden sich Wohnungen darin.
Das "Blaue Haus" auf der Wiese Lennéplatz/Tiergartenstraße wurde ab 1958 als Bürogebäude errichtet. Heute befinden sich Wohnungen darin. © René Meinig

Zu DDR-Zeiten befand sich dort das Zentrale Forschungsinstitut für Arbeit (ZFA). Nach 1989 befand sich in dem Haus kurzzeitig das Arbeitsamt, von 2012 bis 2013 wurde das Gebäude zu einem Wohnhaus umgebaut. Ein weiteres "Blaues Haus" gab es übrigens unter anderem am Carolaplatz. Der Zehngeschosser wurde von 1963 bis 1965 erbaut und beherbergte einen Teil der Pädagogischen Hochschule. Nach 1989 saß dort die Polizeidirektion Oberes Elbtal/Osterzgebirge, Anfang 2012 wurde das Gebäude abgerissen.

Eine weitere Besonderheit der DDR-Industrie-Architektur ist in Dobritz an der Breitscheidstraße zu finden. Dort steht das elfgeschossige Gebäude, das Verwaltungssitz des VEB Schokopack war, der zum Kombinat Nagema gehörte. Für viele ist es nach wie vor das "Schokopack-Haus". Baubeginn für das Gebäude war 1957. 2019 eröffnete der neue Eigentümer, der SAP-Spezialist Itelligence, das Haus, ließ es für rund 20Millionen Euro sanieren. Seit 1990 stand das Haus leer, aber unter Denkmalschutz. Auf rund 9.000 Quadratmetern Fläche befinden sich nun moderne Büros mit weißen Wänden und schlichter Einrichtung, mehrere Besprechungsräume in der elften Etage mit Blick über Dresden. Der Umgang mit dem einstigen DDR-Industriebau ist beispielgebend.

Das elfgeschossige Hochhaus in Dobritz, einst Verwaltungssitz des VEB Schokopack, wurde ab 1957 in Stahlbeton-Skelettmontage gebaut. Noch heute ist es vielen bekannt als "Schokopack-Haus".
Das elfgeschossige Hochhaus in Dobritz, einst Verwaltungssitz des VEB Schokopack, wurde ab 1957 in Stahlbeton-Skelettmontage gebaut. Noch heute ist es vielen bekannt als "Schokopack-Haus". © Archiv: Kurt Neumann

Diskussion zur Dresdner Ostmoderne: Am 7. Oktober, ab 17 Uhr, lädt das Rundkino zum 50. Geburtstag ein. Gezeigt wird ein Film von Ernst Hirsch mit Architekt Landgraf und zum Aufbau Dresdens in den 1970er- und 1980er-Jahren. Außerdem gibt es eine Diskussion zur Rettung der Dresdner Ostmoderne. Karten gibt es im Rundkino oder unter www.cineplex.de/dresden.