Dresden. Kokain galt lange Zeit als Droge der reichen Oberschicht. Doch im vergangenen Jahr hat das Bundeskriminalamt einen deutlichen Anstieg an Delikten im Zusammenhang mit der Droge verzeichnet. Besonders jüngere Menschen aus allen Gesellschaftsschichten konsumieren demnach mittlerweile deutlich öfter Kokain.
Auch in Dresden, das lange Zeit als eine der deutschen Crystal-Meth-Hochburgen galt, ist eine Trendwende erkennbar, wie Abwasseruntersuchungen der TU Dresden für die Europäische Drogenüberwachungsbehörde (EMCDDA) zeigen.
"Die Märkte weiten sich aus"
"Wir beobachten schon länger, dass sich die Märkte ausweiten", sagt Björn Helm. Der Diplomhydrologe an der TU und sein Team untersuchen regelmäßig deutschlandweit Abwasser nach Rückständen von Drogen, Arzneistoffen, neuerdings zum Beispiel aber auch nach Coronaviren.
Von 2013 bis 2018 war es vor allem Crystal-Meth, das in Dresden Anlass zur Sorge gab. Denn Jahr für Jahr stiegen die Werte, die die Forscher im Abwasser fanden an und bewegen sich bis heute in einer Größenordnung, die nur von Chemnitz und Erfurt regelmäßig übertroffen wird.
So war der Konsum der hochaufputschenden Droge in Dresden 2017 zwölf Mal so hoch wie in Berlin und 50 Mal so hoch wie in Hamburg. Der Grund: Im Nachbarland Tschechien existieren unzählige kleine und große Drogenlabore.
Dort wird das Rauschmittel günstig produziert und ist für Konsumenten aus Sachsen trotz aller Kontrollbemühungen der Polizei relativ einfach zu beschaffen.
Der Weg der Drogen: Von den Niederlanden nach Dresden
"Wir sehen es als Muster, dass Städte an der Grenze zu Tschechien deutlich stärkeren Gebrauch von Methamphetamin [Anmerkung: chemisch korrekte Bezeichnung von Crystal-Meth] haben", sagt Helm.
Kokain hingegen gelangt - das zeigen Studien der EMCDDA - am häufigsten von Lateinamerika über den Hafen in die Niederlande und von dort aus nach Nordrhein-Westfalen. Die Folge: Städte wie Dortmund und Hannover liegen in der Kokain-Statistik ganz vorne.
Auch Hamburg mit seinem großen Güterhafen ist ein beliebtes Einfallstor für die Droge, die den Konsumenten euphorisch und selbstbewusst fühlen lässt, aber auch das Risiko für Herzinfarkte massiv steigen lässt.
Doch Helm und seine Kollegen beobachten seit etwa zwei Jahren, dass sich etwas in dieser Logik verändert. "Früher wurde in Dresden viel Meth gedealt, jetzt ist es zunehmend Kokain", sagt er.
Auch der Markt für Ecstasy-Pillen, die vor allem auf Partys eingenommen werden, ist in Dresden größer geworden - bewegt sich aber seit 2016 auf einem relativ gleichmäßigen Niveau.
Lockdown-Daten noch nicht ausgewertet
Dagegen ist die Höhe der gemessenen Kokain-Rückstände im Dresdner Abwasser seit 2015 um über 200 Prozent gestiegen - von 7,8 Milligramm pro 1.000 Einwohner am Tag auf über 28,4 Milligramm 2019. Diese Menge entspricht auf die gesamte Stadt gesehen etwa 670 Dosen Kokain.
Aus den Daten der Forscher ergibt sich ebenfalls, dass der Drogenkonsum in Dresden an den Wochenenden - wenig überraschend - ansteigt. Allerdings ist dies bei Crystal Meth nicht ansatzweise so ausgeprägt wie bei Kokain.
Das wiederum lässt darauf schließen, dass Crystal auch im Arbeitsalltag von vielen Dresdnern konsumiert wird - und dass darunter ein großer Teil an Menschen sein dürfte, der täglich Methamphetamin nimmt.
Und was ist mit Corona? "Wir haben auch Proben vor und während des Lockdowns genommen, die aber noch ausgewertet werden müssen", sagt Helm. Ein erster Blick in andere Proben aus dem August zeige aber bereits, dass - anders als in den Vorjahren - in Dresden plötzlich auch unter der Woche vermehrt Kokain und Ecstasy konsumiert wurde. Zeit und Datum, sie spielen im Corona-Jahr eben nur eine untergeordnete Rolle.