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Erzgebirgische Volkskunst auf dem Dresdner Frühjahrsmarkt: "Junge Leute wollen immer das Traditionelle"

Auf dem Dresdner Frühjahrsmarkt macht Angelika Bujok mit ihrer erzgebirgischen Volkskunst schon jetzt Lust auf Weihnachten. Sie berichtet von Kauflust trotz gestiegener Preise und der Rückkehr besonderer Traditionen.

Von Dominique Bielmeier
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Herrin über Nussknacker und Co.: Seit 33 Jahren betreibt Angelika Bujok einen Stand mit erzgebirgischer Volkskunst auf dem Frühjahrs-, Herbst- und Striezelmarkt in Dresden.
Herrin über Nussknacker und Co.: Seit 33 Jahren betreibt Angelika Bujok einen Stand mit erzgebirgischer Volkskunst auf dem Frühjahrs-, Herbst- und Striezelmarkt in Dresden. © Marion Doering

Dresden. 20 Grad, die Sonne scheint, es duftet nach Crêpes und Fischbrötchen auf dem Neumarkt, die niedrigen Holzhütten vor der Frauenkirche sind mit Blumen geschmückt, wer denkt da nicht gleich an... Räucherkerzen. "Ich suche ganz bestimmte", sagt eine Kundin und beugt sich über die Auslage voller tirilierender und musizierender kleiner Holzengel zu Angelika Bujok vor, in der Hand eine Packung mit duftenden Kegelchen für zwei Euro. "Sind das solche, die ein Loch in der Mitte haben?"

Räucherkerzen mit Loch? Davon hat Angelika Bujok noch nie gehört und wenn es um traditionellen Weihnachtsschmuck geht, hat die 62-Jährige wirklich schon alles gehört und gesehen. Aber sie wäre nicht seit 33 Jahren Händlerin von erzgebirgischer Volkskunst, wenn sie sich wegen ein paar löchriger Kerzen geschlagen geben würde.

Die Räucherkerzen, die die Frau in Händen hält, erklärt Angelika Bujok nun, haben zwar kein Loch, brennen aber ganz hervorragend, "ganz hell bis ganz unten", seien außerdem frei von Chemie und obendrein ein altes Familienrezept, das wiedergefunden worden sei. "Die machen das als zweites Standbein und können sich vor Arbeit kaum retten." Die Kundin macht große Augen - und nimmt die Kerzen gut sieben Monate vor Weihnachten mit.

Kunden aus Rostock, der Schweiz oder den USA kaufen erzgebirgische Volkskunst

"Ich habe wirklich Glück", erzählt Angelika Bujok kurze Zeit später, während einzelne Passanten über den Frühjahrsmarkt vor ihrer Hütte schlendern. "Ich verkaufe ein Produkt, hinter dem ich wirklich stehe und mit dem ich mich identifizieren kann." Von der Räucherkerze für zwei Euro bis zum Schwibbogen für mehrere hundert.

Bis unter die Decke voll ist ihre Hütte mit kleinen Engeln, winzigen bis recht stattlichen Pyramiden, bunt uniformierten Nussknackern und Räuchermännchen in allen Größen und Berufsgruppen. Nie würde die Dresdnerin einem Kunden oder einer Kundin irgendetwas andrehen oder sie schlecht beraten, nur um etwas zu verkaufen. "Ich will morgens in den Spiegel schauen können und dass meine Kunden wiederkommen."

Figuren der traditionellen Engelskapelle werden von vielen Menschen gerne gesammelt, weiß Händlerin Angelika Bujok.
Figuren der traditionellen Engelskapelle werden von vielen Menschen gerne gesammelt, weiß Händlerin Angelika Bujok. © Marion Doering
Auch Engelsfiguren von Ellermann verkauft die 62-Jährige an ihrem Stand. Auf dem Striezelmarkt wird sie im Winter Produkte von 28 verschiedenen Firmen anbieten - und ihr Hauptgeschäft machen.
Auch Engelsfiguren von Ellermann verkauft die 62-Jährige an ihrem Stand. Auf dem Striezelmarkt wird sie im Winter Produkte von 28 verschiedenen Firmen anbieten - und ihr Hauptgeschäft machen. © Marion Doering
Solche modernen Krippenfiguren hat Angelika Bujok bereits in ihrem eigentlich sehr traditionellen Sortiment. In der kommenden Weihnachtssaison will sie noch mehr moderne Volkskunst aus dem Erzgebirge aufnehmen - und erstmals einen großen Schwibbogen für rund 2.700 Euro anbieten. Ob dieser ein Hingucker bleibt oder tatsächlich über den Tresen gehen wird? Die Händlerin ist gespannt.
Solche modernen Krippenfiguren hat Angelika Bujok bereits in ihrem eigentlich sehr traditionellen Sortiment. In der kommenden Weihnachtssaison will sie noch mehr moderne Volkskunst aus dem Erzgebirge aufnehmen - und erstmals einen großen Schwibbogen für rund 2.700 Euro anbieten. Ob dieser ein Hingucker bleibt oder tatsächlich über den Tresen gehen wird? Die Händlerin ist gespannt. © Marion Doering
Wegen des Umbaus des Altmarkts findet der Dresdner Frühjahrsmarkt zum zweiten Mal auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche statt. Im kommenden Jahr soll er dann wieder auf den Altmarkt umziehen.
Wegen des Umbaus des Altmarkts findet der Dresdner Frühjahrsmarkt zum zweiten Mal auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche statt. Im kommenden Jahr soll er dann wieder auf den Altmarkt umziehen. © Marion Doering
Angelika Bujok schätzt das Ambiente vor der Frauenkirche, weiß aber auch, dass das Publikum auf dem Neumarkt touristischer und daher manchmal weniger kaufbegeistert ist als auf dem Altmarkt.
Angelika Bujok schätzt das Ambiente vor der Frauenkirche, weiß aber auch, dass das Publikum auf dem Neumarkt touristischer und daher manchmal weniger kaufbegeistert ist als auf dem Altmarkt. © Marion Doering
"Man steht jeden Tag von morgens bis abends bei Wind und Wetter hier und bückt sich 1.000-mal am Tag unter den Tisch", sagt die Händlerin. "Das muss man wirklich lieben, um das zu tun." Aber wenn man am Abend sehe, dass man ein gutes Geschäft gemacht habe, "dann tut der Rücken nur noch halb so weh".
"Man steht jeden Tag von morgens bis abends bei Wind und Wetter hier und bückt sich 1.000-mal am Tag unter den Tisch", sagt die Händlerin. "Das muss man wirklich lieben, um das zu tun." Aber wenn man am Abend sehe, dass man ein gutes Geschäft gemacht habe, "dann tut der Rücken nur noch halb so weh". © Marion Doering

Und das tun sie, Bujok hat nicht nur Stammkunden aus Dresden und der Umgebung, sondern auch aus Berlin, Rostock oder der Schweiz. Manche Kreditkarten, die über ihren Verkaufstresen gehen, stammen aus Frankreich, Italien, Spanien und nicht wenige aus den USA, wo man sich besonders für Holzkunst aus dem Erzgebirge begeistere. Manche Kunden sammeln für ihre Engelskapelle, andere sammeln bemalte Igelchen und Käfer, wieder anderen - wie Bujok selbst - haben es die Winterkinder der Firma Hubrig angetan. "Es wird eigentlich alles gesammelt", sagt die Händlerin.

"Die Leute im Erzgebirge müssen auch ihr Geld verdienen"

Trotz der steigenden Preise. Heute kostet ein Engelchen im Schnitt ab rund 29 Euro, aber es gibt auch welche für 75 Euro. Eine Pyramide gibt es für durchschnittlich 300 bis über 400 Euro. "Aber dieses Jahr kann auch mal eine für 600 Euro dabei sein." Leisten sich die Menschen das in der Inflation noch? Ja, manche stellen das Sammeln ein, gibt die Händlerin zu, gerade, wenn sie schon etwas älter sind. Andere essen lieber mal eine Bratwurst weniger und gönnen sich dafür die nächste Figur für ihre Sammlung.

"Und dann gibt es nach wie vor genügend Leute, die genug Geld haben beziehungsweise auch Verständnis dafür, wie aufwendig die Produkte hergestellt werden", sagt Bujok. Wenn sie auf dem Striezelmarkt zugibt, dass eine Figur auch wegen des gestiegenen Mindestlohnes 15 Euro mehr kostet als im Vorjahr, höre sie nicht selten: "Frau Bujok, die Leute im Erzgebirge müssen auch ihr Geld verdienen."

Nach dem Ende der Corona-Beschränkungen, die die Händlerin dank November- und Dezemberhilfen ganz gut überstanden hat, sei das Geschäft wieder sehr gut angelaufen. Inzwischen lebten sogar alte Traditionen wieder auf wie die von Bergmann und Engel: Wenn ein Junge geboren wird, schenkt man ihm die Figur eines Bergmannes, Mädchen bekommen einen Engel. "Wenn dann jemand zu mir kommt und nur nach einem Engel fragt, weiß ich schon: Na, haben wir ein Mädchen gekriegt?" Einziges Problem gerade: Die großen Engel sind ausverkauft und nicht mehr lieferbar.

Weihnachtsschmuck fürs Kinderzimmer und die erste eigene Wohnung

Dabei gehören nicht nur ältere Menschen zu den Kunden von Angelika Bujok und ihren Kollegen. "Täglich erlebe ich, dass Kinder ihren eigenen Nussknacker, Räuchermann oder eine Pyramide für ihr Kinderzimmer wollen", erzählt die Händlerin. "Die kennen das so von ihren Eltern und Großeltern und wünschen sich das dann selbst."

Eine große Kundengruppe seien auch die 20- bis 25-Jährigen, die Weihnachtsschmuck für die erste eigene Wohnung suchten. "Die lassen sich richtig beraten", sagt Bujok, "und dann nehmen sie immer das Traditionelle, nicht etwa das Moderne". Die Händlerin lacht.

Zum Striezelmarkt in diesem Jahr will sie, die bisher immer stark auf Tradition gesetzt hat, selbst ein wenig moderner werden. "Ich verspreche mir sehr viel davon, man muss auch mal für etwas offen sein." Nur bei einer Sache zieht sie eine ganz deutliche Grenze: Räuchermännchen von Merkel, Baerbock oder Scholz. "Da bin ich ganz konservativ", sagt Angelika Bujok. "Das gehört sich für mich nicht, ich bin der Meinung, dass man auch etwas Respekt vor diesen Menschen haben muss." Nur den Räucher-Drosten, den fand auch sie ein wenig witzig.

Der Frühjahrsmarkt auf dem Neumarkt findet noch bis zum 21. Mai statt. Geöffnet ist täglich von 10 bis 19 Uhr. Highlight zum Marktabschluss wird vom 19. bis 21. Mai das 51. Internationale Dixieland-Festival auf dem Neumarkt sein. Am Sonntag trifft um 16.30 Uhr hier die Dixie-Parade ein, danach gibt es auf der Bühne eine große Jam-Session unter anderem mit der Band Swing'it, die im Finale des norwegischen Vorentscheids zum Euro Vision Song Contest dabei war.

Mehr Informationen zum Frühjahrsmarkt und das Bühnenprogramm gibt es unter dresden.de/fruehjahrsmarkt.