Dresden
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Tatort Gartensparte

An einem sonnigen Julitag brannten einem 53-Jährigen die Sicherungen durch – und es folgte eine Litanei rassistischer Beleidigungen.

Von Alexander Schneider
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Am Amtsgericht Dresden wurde nun ein zwei Jahre alter Streit unter Laubenpiepern befriedet. Es ging um fremdenfeindliche Beleidigungen gegenüber einer syrischen Familie.
Am Amtsgericht Dresden wurde nun ein zwei Jahre alter Streit unter Laubenpiepern befriedet. Es ging um fremdenfeindliche Beleidigungen gegenüber einer syrischen Familie. © Nikolai Schmidt

Dresden. Seit mehr als zwei Jahren haben die Gartensparten-Nachbarn kein Wort mehr miteinander gewechselt. Dabei hatte es so gut angefangen. Beide Pächter haben seit 2017 ihre Parzellen in einem Kleingartenverein an der Karlsruher Straße – ein 53-jähriger Dresdner Landschaftsgärtner mit seiner Freundin und eine Familie aus Syrien, die seit 17 Jahren in Dresden lebt. Anfangs hatte der 53-Jährige seinem Nachbarn noch geholfen, die Parzelle zu entmüllen. Doch seit dem 24. Juli 2018 war alles anders.

Damals eskalierte es zwischen den Familien. Für den 53-Jährigen endete die Auseinandersetzung mit einem Strafbefehl wegen Beleidigung. Da er seine Geldstrafe von 1.800 Euro nicht akzeptiert hatte, saß er am Dienstag vor Strafrichter Jochen Meißner am Amtsgericht Dresden. Laut Anklage soll der 53-Jährige zu den Syrern unter anderem gesagt haben: „Leute wie sie gehören in die Gaskammer.“

Der Angeklagte räumte ein, er habe an jenem sonnigen Julinachmittag die Beherrschung verloren. Die Familie habe seine Ruhe und Entspannung gestört, weil sie so laut gewesen sei. Vor allem habe er sich darüber erregt, dass die Mutter mit eingeschaltetem Lautsprecher am Handy telefonierte. Er sei zum Zaun gegangen und habe unter anderem zu dem 14-Jährigen gesagt, er solle „das Maul halten“ und dass er ihm „die Löffel langziehen“ werde. Das mit dem Gas habe er jedoch nicht gesagt.

Späte Einsicht

Er wisse, was die Nazis verbrochen hätten, er sei doch kein Rechter. Allerdings fiel mindestens ein weiterer rassistischer Satz, den der Angeklagte einräumte: „Solche Leute gehören nicht in dieses Land.“ Er sei genervt gewesen, habe das aus Wut gesagt. Richter Meißner nahm dem Angeklagten nicht recht ab, dass er das mit dem Gas nicht gesagt haben will.

Mutter und Sohn hätten als Geschädigte in ihrer Polizeivernehmung alle anderen Beleidigungen aufgezählt, wieso also hätten sie sich auch noch etwas zusätzlich ausdenken sollen? Dieser Frage wich der 53-Jährige aus, betonte nochmals, wie laut die Nachbarn doch gewesen seien. Bei einer Kettensäge, so der Kleingärtner, wisse man, wann Schluss sei. 

Auf Nachfrage des Richters musste der Laubenpieper jedoch auch zugeben, dass er zuvor keinerlei Versuche unternommen hatte, die Nachbarn entweder persönlich zu bitten, etwas leiser zu sein, oder den Vorstand des Kleingartenvereins einzuschalten, um gegebenenfalls auf die Spartennachbarn einzuwirken.

Nachbarin hatte Angst

Die 38-jährige Geschädigte sagte im Zeugenstand, sie habe nicht verstanden, warum der Nachbar so wütend gewesen sei. Die habe sich gefragt, ob er betrunken gewesen sei. Man habe einen guten Kontakt gehabt. Seitdem habe sie jedoch Angst vor dem Mann, sagte die Zeugin. Ihr Sohn habe geweint. Einen Monat sei sie nicht mehr in ihrer Parzelle gewesen. „Wir sind vor dem Krieg geflüchtet und wollen hier keinen neuen Krieg haben“, sagte sie.

Da die Frau heute kein Interesse hat, dass der Angeklagte bestraft werden müsse, nahm sie ihren Strafantrag auf Frage des Richters zurück. Da der nicht vorbestrafte Angeklagte einsichtig war und die Sache bedauerte, stellte Meißner das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage von 500 Euro ein. Jetzt herrscht wieder Frieden in der Sparte.

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