Dresden. Sie kennt sie alle, die Vorurteile über Plattenbauten. Für acht Jahre ist sie selbst in eine Altbauwohnungen nach Löbtau gezogen, um mal was Anderes kennenzulernen. Doch seit 1998 ist sie wieder zurück im 15-Geschosser ihrer Kindheit. "Und allen, die mir sagen, Plattenbau kommt für sie nicht infrage, zeige ich meine Wohnung", sagt die 53-Jährige lachend.
Der Ausblick aus sämtlichen Fenstern und vom Balkon ihrer 78 Quadratmeter großen Drei-Raum-Wohnung ist atemberaubend. Aus dem 12. Stock schaut man auf das Rathaus und die Kreuzkirche, dahinter ziehen sich die südlichen und westlichen Hänge der Stadt hinauf. Die Elbe liegt beim Blick vom Balkon zu Füßen, der reicht weiter über die Staatskanzlei, die Dreikönigskirche bis in die Dresdner Heide. "Nur die Frauenkirche sehe ich leider nicht, sie wird vom benachbarten 15-Geschosser verdeckt", sagt Simone Esche.
Sie genießt es, wenn die Sonne ab dem zeitigen Nachmittag in die Fenster scheint. Ans Wohnzimmer mit der offenen Küche grenzt der Balkon. "Im Sommer ist es hier oft sehr heiß, obwohl immer ein leichtes Lüftchen weht. Perfekt ist es im Frühling und Herbst."
Mit Interesse hat Simone Esche vom neuen Hochhausleitbild der Stadt in der SZ gelesen. Darin wird explizit auch ihr Haus erwähnt: als ein Hochhaus, das perspektivisch kleiner werden oder sogar abgerissen werden soll. Denn es stört mit den zwei benachbarten 15-Geschossen und dem langen Block auf der Florian-Geyer-Straße die Sichtbeziehungen von den Loschwitzer Elbhängen auf die Dresdner Innenstadt. Doch die Empfehlung der beiden Schweizer Autoren des Leitbildes ist darauf ausgerichtet, nur dann etwas zu verändern, wenn ohnehin etwas an der Substanz der Hochhäuser getan werden muss.

Eigentümer der genannten Hochhäuser ist die Wohnungsgenossenschaft Johannstadt (WGJ). Für sie kommt ein Abriss oder eine Verkleinerung in absehbarer Zeit nicht infrage. "Wir haben seit der Wende fortwährend in die Hochhäuser investiert. Sie sind saniert, mit neuen Versorgungsleitungen ausgestattet, teilweise barrierefrei ausgebaut und mit modernen Aufzügen ausgestattet", sagt Vorstand Alrik Mutze.
Die Nachfrage nach den Wohnungen sei hoch, die Substanz überhaupt nicht gefährdet und die Effizienz der Wohnungen sowohl für Mieter als auch Vermieter gut. "Wir rechnen frühestens in 30 Jahren damit, dass wir über die Erhaltung der Gebäude sprechen müssen."
Das hat Simone Esche mit großer Erleichterung wahrgenommen. Denn sie findet keine Nachteile an ihrem Haus. Und wer sie besucht, kann das absolut nachvollziehen. Der Eingangsbereich und die Gänge wirken gepflegt und sauber. Die Zimmer der Wohnungen sind, anders als in anderen Plattenbautypen, sehr geräumig. Die Abstellkammer hat sich Simone Esche zum begehbaren Kleiderschrank ausgebaut.
"Das Schönste ist, dass ich so gute Nachbarn habe. Die meisten wohnen schon seit über 40 Jahren auf der Florian-Geyer-Straße." Abgesehen vom obligatorischen Blumengießen während des Urlaubes tauscht man sich die Tageszeitung oder auch die Monatskarte der Verkehrsbetriebe. "Von ständigen Ein- und Auszügen sind wir verschont. Wer kommt, bleibt meist lange." So wie ihr Sohn, der vor knapp zwei Jahren in eine der Wohnungen im zehnten Stock gezogen ist. So setzt sich die Familientradition fort, denn Simone Esche ist in dem Haus groß geworden. Nur der Blick war ein anderer: in Richtung Elbhang.
Klarer Standortvorteil ist auch die Nähe zur Innenstadt, findet die 53-Jährige. Sie ist oft zu Fuß unterwegs, wenn sie ehrenamtlich in der Frauenkirche oder bei der Bürgerstiftung arbeitet. "Es ist alles in gut erreichbar."
Vor wenigen Wochen konnte ganz Deutschland einen Blick in Simone Esches Wohnung werfen. Sie war einer der Drehorte im Stubbe-Krimi "Von Fall zu Fall", in dem die kriminellen Machenschaften eines Pflegedienstes beleuchtet wurden. Christine Schorn spielte die Wohnungsmieterin. Im vorigen Sommer wurde gedreht. Simone Esche durfte für fünf Nächte ins Hilton Hotel ziehen, aber ihre Hausgemeinschaft war in Aufruhr.
Immerhin kam auch Wolfgang Stumph zum Dreh und ließ sich zum einen oder anderen Schwatz hinreißen. Die ganze Filmtechnik blockierte lange die Aufzüge. "Ich habe davon ja nichts mitbekommen. Aber der Film hat mir gefallen", sagt Simone Esche lachend.