So schön ist Dresden-Gorbitz heute

Dresden. Als vor 40 Jahren die Bauarbeiten an Dresdens größtem Neubauviertel begannen, war Jörg Bösche ein junger Mann. Mit 34 Jahren hatte der Dresdner Anfang der 1980er-Jahre eine anspruchsvolle Aufgabe zu erfüllen. Mit zwei Kollegen hatte er sich in einem städtebaulichen Wettbewerb mit seinen Entwürfen für das neue Wohngebiet in Gorbitz gegen die Konkurrenz durchgesetzt. Ein komplett neues Stadtviertel, in dem kurz vor der Wende 35.000 Menschen wohnen sollten. Wenig Zeit für ein Bauprojekt dieser Größe. "Das war der Hammer für mich, und ich habe viele Federn gelassen", erinnert sich der 78-Jährige heute.
2021 jährt sich die Grundsteinlegung von Gorbitz. Im Vorfeld des 40. Jubiläums, das am 21. August auf den Tag genau gefeiert werden soll, sind an diesem Mittwochmorgen jede Menge Menschen aus der Stadtverwaltung nach Gorbitz gekommen. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und Chef-Stadtplaner Stefan Szuggat trafen sich mit Antje Neelmeijer, Vorstand der Eisenbahner Wohnungsgenossenschaft (EWG), um einen Eindruck davon zu bekommen, was sich in Gorbitz baulich getan hat. Mit dabei: Jörg Bösche.
Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. So hat die EWG an der Höhenpromenade - im Herzen von Gorbitz - in den vergangenen Jahren viel Geld investiert, um hier mit 370 barrierefreien Wohnungen den Dresdner Senioren eine altersgerechte Unterkunft anbieten zu können. Rund 28 Millionen Euro flossen seit 2008 in das Großbauvorhaben, eine Million Euro Fördergeld konnte die EWG dafür nutzen. Mit der bekannten "Kräutersiedlung", in der die EWG Plattenbauten modern umgestalten ließ, wurde die Genossenschaft zum Vorreiter und mehrfach dafür ausgezeichnet.
Auch für viele andere Projekte hat die Stadt in den vergangenen Jahren Fördermittel für ein schöneres Gorbitz eingeworben. In 30 Jahren flossen insgesamt 35 Millionen Euro in den Stadtteil im Dresdner Westen. Auch die Höhenpromenade selbst ist längst umgestaltet, hier wurden von der Stadt 1,2 Millionen Euro investiert, eine weitere Million in den Merianplatz.
Leerstand ist auf sieben Prozent gesunken
Sanierte Wohnungen, ein attraktives Umfeld mit Spielplätzen und Parks, gute Infrastruktur - damit ist es gelungen, Gorbitz das Schmuddel-Image zu nehmen. Zu DDR-Zeiten ein begehrtes Wohnviertel, blutete Gorbitz nach der Wende nach und nach aus, viele Anwohner zogen weg. Familien mit guten Einkommen wechselten mit jenen, die sich die preiswerten Mieten in Gorbitz noch leisten konnten. Müll war ein Problem, ebenso wie eine konfliktreiche Nachbarschaft.
Inzwischen hat sich nicht alles, aber einiges positiv verändert - auch, weil nicht nur in die Sanierung der Gebäude und Plätze investiert wurde, sondern auch in soziale Projekte und in Bildung, zum Beispiel die Sanierung der Laborschule des freien Trägers Omse e. V. Gorbitz ist wieder attraktiver, mit den Seniorenwohnungen gelingt der viel gepriesene soziale Mix, der oft angestrebt wird, aber schwer umsetzbar ist.
Die gute Entwicklung lässt sich auch am Leerstand ablesen: Standen 2002 noch mehr als 25 Prozent der Wohnungen leer, sind es heute im gesamten Stadtteil sieben Prozent. Bei einigen Vermietern wie der EWG ist der Anteil noch geringer.
"Grüne Stadt Gorbitz" bis heute erhalten
Was auffällt: Gorbitz ist sehr grün, viele größere Bäume und Büsche säumen die Straßen oder spenden in Parks und Innenhöfen Schatten. "Kein Wunder", sagt Planer Jörg Bösche überzeugt. "Schließlich wurde Gorbitz als grüne Stadt konzipiert." Die damals gepflanzten Bäume blieben erhalten und sind heute groß.
Bestes Beispiel ist der Bürgerpark Gorbitz, der sich gegenüber vom Merianplatz hinter dem Schwimmbad Elbamare erstreckt. "Hier musste ich bei der Planung damals schummeln", verrät Bösche. In Berlin seien seine Pläne für den Park nicht auf Gegenliebe gestoßen, denn der Platz sollte doch für neue WBS-70-Wohnungen effektiv ausgenutzt werden. "Irgendwie habe ich es auf dem Papier hinbekommen, dass die vorgeschriebene Bewohnerzahl auf den Hektar kam." Nach der Wende, als Bösche weiterhin als Planer für die Stadt arbeitete, konnte er verhindern, dass Investoren den Park für den Bau großer Einkaufszentren nutzten. "Das war begehrtes Bauland."
Stefan Schubert, der beim Stadtplanungsamt für Gorbitz zuständig ist, führt durch den Park, zeigt die schon gestalteten Grünbereiche, Spielplätze und auch Kunstwerke. Einige der Skulpturen mussten an anderer Stelle im Viertel verschwinden und haben im Volkspark einen neuen Platz bekommen.
"So eine Nobelwohnung habe ich nicht bekommen"
Kunst am Bau und im öffentlichen Raum - auch das war von Beginn an Teil des Konzeptes für Gorbitz. Ganze zwei Prozent der Bausumme wurden für diese Kunstwerke eingeplant und ausgegeben. Bis heute sind viele von ihnen erhalten. Vor zwei Jahren hat ein besonders engagierter Gorbitzer, Matthias Körner, sogar erreicht, dass fünf Gebäude und Kunstwerke unter Denkmalschutz gestellt wurden.
Man kennt sich, sagt Jörg Bösche, der wie Körner für seinen Stadtteil brennt. Wobei - Bösches Stadtteil war Gorbitz nur am Reißbrett. Gewohnt hat er hier nie. "Ich war zu DDR-Zeiten weder Arbeiter noch kinderreich. So eine 'Nobelwohnung' habe ich nicht bekommen", sagt der Senior und lacht.
Sein Fazit, wenn er auf das sanierte Gorbitz schaut? Klar sei er froh, dass die Struktur seines Stadtteils bis heute erhalten geblieben ist. Ist er stolz auf sein Werk Gorbitz? "Stolz vielleicht nicht, aber ich schäme mich auch nicht dafür." Dass er Dresden als Planer nach der Wende nicht verlassen hat, bezeichnet er als "Wiedergutmachung" an Gorbitz, in dem es zu diesem Zeitpunkt kaum Einkaufsmöglichkeiten, kein Ärztehaus und nur eine Gaststätte gab. Später entstanden unter ihm das Sachsenforum und das Kess-Zentrum.
Gaststätte muss für Studentenappartements weichen
Ganz ohne Kritik bleibt Bösche am neuen Gorbitz dann aber doch nicht. Zum einen ärgere ihn der EWG-Neubau, der etwas vorgezogen an der Höhenpromenade errichtet wurde. "Er versperrt die Sichtachse hinunter auf die Innenstadt, die uns beim Planen so wichtig war." Sein zweiter Kritikpunkt: Der Abriss des "Grünen Heinrichs", der ehemaligen Arbeiter- und später Wohngebietsgaststätte am Amalie-Dietrich-Platz.
Der Flachbau macht demnächst Platz für ein neues Wohnhaus, in dem bis Ende 2023 Studentenappartements entstehen sollen. Bösches und Körners Einsatz ist es zu verdanken, dass der Investor die Gedenktafel der Grundsteinlegung, die Zeitkapsel sowie ein Wandgemälde im Inneren des Altbaus sichern und in den Neubau integrieren will. Bösches Urteil über den geplanten Neubau? "Es geht zu ertragen, für meinen Geschmack ist es ein Geschoss zu hoch." Und die Grünflächen um das Gebäude sollten auf keinen Fall vergessen werden.