Ferdinandplatz: Sieger-Entwurf das "geringere Übel"

Dresden. Viel Glas, etwas Farbe und ein Loch: Seit Montag steht fest, wie das neue Dresdner Verwaltungszentrum auf dem Ferdinandplatz aussehen wird. Eine Jury hat den Siegerentwurf gekürt. Das Ergebnis fiel allerdings knapp aus.
Die meisten Punkte (407) hat der Entwurf bekommen, für den sich bereits die Dresdner bei einer Online-Befragung mehrheitlich aussprachen.
Das Konzept stammt vom Bauunternehmen Ed. Züblin AG in einer Bietergemeinschaft mit der Dressler Bau GmbH. Als Planer fungieren in einer Bietergemeinschaft Tchoban Voss aus Dresden und Barcode Architects aus Rotterdam.
Der Entwurf bietet zweifelsfrei die größten farblichen Kontraste. Die beiden oberen Geschosse sind in eine bronzefarbene Verkleidung gehüllt. Die Mitte hebt sich mit einer deutlich helleren Fassade ab. Zur St. Petersburger Straße hin ist der Mittelteil durchbrochen. Anders gesagt, hat die Fassade dort ein Loch, das wie ein Fenster zum Kern des neuen Rathauses wirkt – den Innenhof.

Erd- und erstes Geschoss präsentieren sich zur Innenseite des Ferdinandplatzes hin vollverglast. Wer vom Dr.-Külz-Ring und der St. Petersburger Straße auf das Haus schaut, blickt dagegen auf eine etwas stärker strukturierte untere Zone. Dieser Entwurf erhielt bei der Online-Umfrage eine Zustimmung von knapp 60 Prozent.
Für den zweiten Entwurf stimmten nur 28 Prozent der Befragten. In der Jury-Sitzung erhielt er jedoch 379 Punkte, was zu einem denkbar engen Rennen führte. Die Stadtverwaltung sprach am Montag von einer kontroversen Diskussion einzelner Jury-Mitglieder. Sowohl was die Architektur als auch die städtebauliche Komposition angeht.
Baubürgermeister: "Gegenpol zum Neuen Rathaus"
Ausschlaggebend für die Juryentscheidung seien schließlich die prägnante Fassade, die durch ihre bewusst gewählte Farbigkeit und Materialität zwischen dem historischen Dresden und einem zeitgenössischen, modernen Erscheinungsbild vermittle, und so die Identität des Ortes stärken werden, sagte Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne). "Der Eingangsbereich am Ferdinandplatz wirkt offen und transparent. Das kompakte Volumen wird aufgelöst durch zwei Lichthöfe, wobei der eine mit einem großzügigen Gebäudeausschnitt – einem Stadtfenster – Verbindung zur Umgebung schafft."
Das Gebäude bilde einen bewusst gesetzten Gegenpol zum gegenüberliegenden Neuen Rathaus. "Städtebaulich werden wir einen bislang vernachlässigten Ort im Herzen der Stadt aufwerten und mit einer adäquaten Freiflächengestaltung Aufenthaltsqualität schaffen."

Vergleich mit Kulturpalast
Für den Sieger-Entwurf hat auch Grünen-Stadtrat Thomas Löser gestimmt, der mit in der Jury saß. "Ich fand zum einen das Votum der Bürgerschaft wichtig", begründete Löser am Montag seine Entscheidung. Wenn man die Bürger schon beteilige, müsse das Ergebnis auch berücksichtigt werden. Darüber hinaus hätte ihn die Anordnung der Räume in diesem Entwurf überzeugt.
Stark findet Löser die Glasfassade zum Ferdinandplatz hin, die ihn stark an die Transparenz des Kulturpalastes erinnere. "Das wirkt auf mich sehr einladend." Ökologisch gesehen seien beide Entwürfe gleichauf gewesen. Beide sehen zum Beispiel ein begrüntes Dach und eine Solaranlage vor.
Dennoch habe man die Sieger-Architekten gebeten, die Farbe der Gebäude-Krone noch einmal zu überprüfen, so Löser weiter. So dunkel, wie sie jetzt in den Visualisierungen dargestellt ist, wirke sie doch sehr massiv. Ein etwas hellerer Ton mute leichter an.
Womit der Grünen-Stadtrat unzufrieden ist: Für ein Projekt dieser Größe hätte er gern zwischen mehreren Entwürfen entscheiden wollen. Doch es seien vergleichsweise wenige Gebote abgegeben worden, was aus Lösers Sicht mit den Vorgaben zusammenhängt, welche der Stadtrat beschlossen hatte. Dazu gehört unter anderem die Beschränkung der Gebäudehöhe, um die es viele Debatten gab. "Ohne diese Einschränkungen hätte es vielleicht innovativere Entwürfe gegeben."
Immer wieder der gleiche Sieger
Linke-Bau-Experte Tilo Wirtz kritisiert das Verfahren als "intransparent". "Einmal mehr wie schon bei den städtischen Großprojekten Kulturkraftwerk Mitte und beim Schulkomplex Tolkewitz ist Züblin Sieger, während Hochtief den unerfreulichen zweiten Platz belegt." Damit meint er die Bieter im Verfahren. Das gewählte Verfahren sei "mittelstandsfeindlich". "Nur Großkonzerne wie die genannten können einen Wettbewerblichen Dialog bestreiten. Das grenzt die Entwürfe und damit die Auswahl stark ein. Am Ende ging es nicht um den gelungensten Entwurf, sondern um das geringere Übel.“
Wirtz habe das "Loch in der Fassade" von Anfang an nicht gefallen. "Derartige architektonische Effekthascherei wird mit Komplikationen beim Bau erkauft." Er vergleicht den Entwurf mit einer "Tempeltür". Diese hätte er Dresden "gerne erspart“.
Ähnlich negativ bewertet auch Freie-Wähler-Stadtrat Torsten Nitzsche den Sieger. "Ich halte den Entwurf für städtebaulich unpassend. Er ist zu wuchtig, die „Krone“ ist zu dominant. Das „Fenster“ zur St. Petersburger Str. hin ist unangemessen groß." Dazu kämen im Inneren teilweise "unlogisch lange Wegebeziehungen".
Nitzsche kritisiert, dass sich der Stadtrat mit der Vergabe nicht noch einmal beschäftigen soll. "Eine Vergabe eines solchen Auftrages, in Höhe und städtebaulicher Bedeutung, sollte mit Zustimmung des Stadtrates erfolgen - gerade bei eine städtischen Tochter." In Dresden werde über Turnhallenfassaden, aber nicht über das Verwaltungszentrum diskutiert. "Das ist doch arrogant. Wenn man von dem Entwurf überzeugt ist, dann kann man doch guten Gewissens das gegenüber dem Stadtrat und damit auch den Dresdnern sagen."
"Wird auch Kritiker überzeugen"
An Neumarkt und Altmarkt sei eine städtische Verdichtung gelungen, nun stehen weitere wichtige Räume an, sagt CDU-Bau-Experte Mario Schmidt. "Neben Wallstraße und Lingnerstadt ist der Ferdinandplatz das wichtigste Quartier am Rande der historischen Altstadt." Das neue Verwaltungszentrum werde dort der erste Schritt zum Lückenschluss. "Der Siegerentwurf verspricht, ein echter Hingucker zu werden. Er hebt sich durch die großen Stadtfenster, die markante Öffnung der Ostseite sowie durch seine farbliche Gestaltung klar von der Umgebungsbebauung ab." Gestaltungselemente geben dem Entwurf "eine besondere Note". "Ich will allerdings nicht verschweigen, dass ich mir auch bei diesem Entwurf eine stärkere Akzentuierung der Dachlandschaft gewünscht hätte. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass das neue Verwaltungszentrum, wenn es denn fertig ist, auch seine derzeitigen Kritiker überzeugen wird."
Der Gewinnerentwurf werde die Innenstadt verändern, sagt Stadtrat Richard Kaniewski, der für die SPD in der Jury saß. „Dresden hat als Arbeitgeber eine große Verantwortung seinen Beschäftigten gegenüber. Dieser Verpflichtung kommen wir als Stadt mit dem Bau eines neuen Verwaltungszentrums nach." Als Stadt sei es wichtig, dieses eigene Projekt zu verfolgen und sich damit nicht den Schwankungen des Immobilienmarktes auszusetzen. "Es freut mich sehr, dass am Ende auch der Entwurf gewonnen hat, welcher im Zuge der Bürgerbeteiligung bereits von den Dresdnerinnen und Dresdner präferiert wurde - auch das ist eine gute Entscheidung."
Baustart wohl 2022
Das Angebot der Architekten ist noch bis März bindend. Bis dahin muss der Auftrag vergeben werden. Der früheste Vergabetermin ist Mitte Februar, hatte Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) vor wenigen Wochen gesagt. Dann muss der Vertrag noch von der Landesdirektion genehmigt werden. Nächstes Jahr könnte der Bau dann beginnen. Kosten soll der Neubau 116 Millionen Euro netto.
Die Vergabe erfolgt durch die Kommunale Immobilien Dresden (KID). Der Stadtrat hatte entschieden, dass das Grundstück an die städtische Tochter übertragen wird und diese für den Bau verantwortlich ist. Dadurch lagert die Stadt das Projekt und damit die Kosten aus. Die KID finanziert es über einen Kredit und die Verwaltung mietet sich in das Verwaltungszentrum ein. Die Fertigstellung ist für 2025 geplant.

Auf dem Ferdinandplatz entsteht so eine zentrale Anlaufstelle mit kurzen Wegen bei Grundstücksanfragen, Bauanträgen oder Anliegen zu Mobilität und Klimaschutz. Mit der Wirtschaftsförderung und dem Fundbüro ziehen zwei weitere Ämter ein.
"Das ist ein Meilenstein auf unserem Weg zu einer modernen bürgerfreundlichen Verwaltung", sagte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) am Montag. Bis 2025 werde das Verwaltungszentrum bezugsfertig sein. Es werde ein Ort sein, an dem Verwaltung, Stadtgesellschaft und Politik zusammen- und miteinander ins Gespräch komme. "Eine Agora als zentraler Empfangs- und Begegnungsraum ermöglicht den persönlichen Kontakt und schafft einen Ort für bürgerschaftliches Engagement."