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Dresdner Volkshochschul-Chef: "Alle Dinge müssen angesprochen werden dürfen"

Seit zehn Jahren leitet Jürgen Küfner die Dresdner VHS, seit 30 Jahren lebt er im Osten, fühlt sich als "Wossi". Den Dialog abzubrechen, kommt für ihn nicht infrage - auch, wenn er sich damit manchmal Feinde macht.

Von Nora Domschke
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Jürgen Küfner ist seit zehn Jahren Direktor der Dresdner Volkshochschule.
Jürgen Küfner ist seit zehn Jahren Direktor der Dresdner Volkshochschule. © Christian Juppe

Dresden. Raus aus der Kirche, raus aus der Volkshochschule - hin zu den Menschen, in ihre Stadtteile, in ihr Wohnumfeld. Dieses Konzept verfolgt Jürgen Küfner, studierter Theologe und seit zehn Jahren Direktor der Dresdner Volkshochschule, seit jeher auf seinem Berufsweg. "Nur so kann man die Menschen erreichen, die bislang damit eher weniger zu tun hatten." Er will Begegnungen schaffen, die offen in jeder Hinsicht sind, aber auch kritisch sein dürfen. In Zeiten wie diesen sei das besonders wichtig.

"Alle Dinge müssen angesprochen werden dürfen, und alle Seiten sollten einander zuhören." Auf Dialog setzt Küfner seit Jahren auch mit seinem Angebot in der Volkshochschule. Politische Gesprächsrunden oder Salons in lockerer Atmosphäre am Kamin, dazu vielleicht ein Gläschen Wein - das kommt bei den Dresdnern besonders gut an. Dafür holt Küfner schonmal Sachsens Sozialministerin Petra Köpping in den Volkshochschulsaal in der Annenstraße, ebenso wie Ministerpräsident Michael Kretschmer. "Es geht um Gespräche, die völlig ergebnisoffen sind."

Für all jene, die nicht in die Volkshochschule kommen, will Jürgen Küfner künftig noch mehr Angebote schaffen. Zwar gibt es schon rund 100 Veranstaltungsorte verteilt über das Dresdner Stadtgebiet, doch es sollen weitere dazukommen. In Einkaufszentren etwa. Mit Kursen und Diskussionsrunden, die auf ein spezielles Publikum zugeschnitten sind. "Was bewegt die Menschen, die in Prohlis oder Gorbitz leben?" Erst, wenn man das richtig verstanden habe, könne daran ein Bildungskonzept anknüpfen, betont Küfner.

"Fühle mich als Wossi"

Das berufliche Leben des gebürtigen Würzburgers, der sich mit einem zwinkernden Auge selbst als "Weinfranke" bezeichnet, ist von Beginn an geprägt von einem starken Mix aus Wissenschaft und Praxis. Während er in Erlangen als Hochschullehrer arbeitete, leitete er dort zugleich das Evangelische Bildungswerk. Als es ihn 1995 nach Sachsen verschlug, arbeitete er als Referent bei der Evangelischen Erwachsenenbildung Sachsen und leitete parallel dazu in Zwickau ein Seniorenprojekt des Sozialministeriums.

"Ich bin damals in einer Phase des Umgestaltens nach Sachsen gekommen. Das war viel spannender, als an einer fränkischen Uni zu arbeiten", erinnert sich der heute 57-Jährige an seine erste Zeit im Osten. Inzwischen lebt er länger in diesem Teil Deutschlands, als im Westen. Hier fühle er sich als "Wossi", wie er sagt. "Obwohl ich mich inzwischen zugehörig fühle und dazugehören will, ist es manchmal schwierig." In seinem Freundeskreis spiele es indes keine Rolle, woher er stammt. In Dresden lebt er mit seiner Frau und dem 22-jährigen Sohn, der hier geboren wurde.

Burka-Kurs in Gorbitz sorgte für Aufregung

In die sächsische Landeshauptstadt kam Küfner 1996, um hier die Dreikönigskirche zur Stadtakademie auszubauen. "Das war die wichtigste Zeit in meinem Leben." Sein Ziel: die Kirche für die Welt zu öffnen, die Theologie in den Alltag der Menschen zu holen. Viele Besucher auch ohne christlichen Hintergrund seien damals zu den Veranstaltungen in die Evangelische Akademie gekommen, die Themen drehten sich um die Sorgen des alltäglichen Lebens - und das kam gut an.

Schließlich gab es sogar eine Veranstaltungsreihe "Theologie in der Kneipe" mit Gesprächen zu theologischen Themen beim Bier. Stammtisch mal anders. "Es ist schön, sich so auf Augenhöhe zu begegnen", erzählt Küfner. Austausch sei immer sein Leitmotiv gewesen. In seiner Anfangszeit als Direktor der Volkshochschule wird er das Jahre später unter Beweis stellen müssen. Seinen Einstand feiert Jürgen Küfner zunächst mit dem ein oder anderen prominenten Gesprächsgast, darunter Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und der amerikanische Star-Architekt Daniel Libeskind. Sie widmen sich 2014 den "Grundfragen der Zeit". Das Dresdner Publikum nimmt solche Angebote gern an.

Mit der Flüchtlingskrise 2016 wird der Ton in den Diskussionsrunden rauer. 2018 schließlich zieht ein Kurs über die Bedeutung und das Tragen der Burka, der sich eigentlich an Flüchtlingshelfer wandte, jede Menge Kritik auf sich. Bis hin zu Protesten in Gorbitz, wo die Kurse stattfanden. "Das wurde europaweit zur Schlagzeile. Und es zeigt, dass man sich mit so einem Thema schnell Feinde machen kann." Den Dialog abzubrechen, das kommt für Küfner nicht infrage. "Die Kultur des Miteinanders zu pflegen ist eine große Herausforderung." Und der will er sich auch künftig stellen.