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"Zwangsräumungen in Dresden nehmen zu"

Zum Tag der Wohnungslosen am 11. September sprechen Sozialarbeiter über die Zunahme von Problemen wie Altersarmut und Stromschulden.

Von Julia Vollmer
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Ein Schlafplatz in Dresden.
Ein Schlafplatz in Dresden. © Sven Ellger

Dresden. Die Corona-Pandemie hat viele Dresdner hart getroffen. Durch die Krise und die Schließungen von Läden und Lokalen verloren einige ihre Jobs. Doch es gibt Menschen, die die Gesellschaft oft vergisst oder nicht sehen will: Menschen, die auf der Straße leben und kein eigenes Zuhause haben. Zum Tag der Wohnungslosen an diesem Samstag wollen Dresdner Sozialarbeiter auf sie aufmerksam machen.

Wie viele Wohnungslose gibt es aktuell in Dresden?

Im Sozialamt werden diejenigen wohnungslosen Menschen statistisch erfasst, die in einer städtischen Unterbringungseinrichtung als Wohnungsnotfall ordnungsrechtlich untergebracht sind. Ende Juni waren das insgesamt 312 Menschen, darunter 14 Kinder sowie 62 Frauen und 236 Männer. 44 von ihnen haben eine nicht-deutsche Staatsbürgerschaft, erklärt das Sozialamt.

Wie viele Plätze für Wohnungslose gibt es aktuell?

Das Sozialamt Dresden hat aktuell 365 Plätze zur Verfügung, 308 in Übergangswohnheimen und 57 Plätze in Wohnungen. Neu nach einer Sanierung in Betrieb gegangen ist das Übergangswohnheim am Emerich-Ambros-Ufer mit vorerst 44 Plätzen. Bald sollen es laut Sozialamt 52 Plätze sein. Dafür wird das Heim auf der Bauhofstraße ab Oktober für die Unterbringung von geflüchteten Menschen genutzt.

Was sind die Gründe für Wohnungslosigkeit?

Die Gründe, weshalb jemand wohnungslos wird, so beobachtet etwa Gunter Jentzsch, Einrichtungsleiter des Heimes für wohnungslose Senioren der Awo, sind vielfältig. "Vor allem bei Senioren nimmt das Problem Wohnungslosigkeit zu", sagt er. Er hat in seiner Einrichtung in Prohlis 20 Plätze, aufnehmen könnte er aber viel mehr Menschen. Der Bedarf ist riesig. Mitte 50 bis 86 Jahre sind seine Bewohner alt, viele seien aufgrund von Demenz oder den Folgen einer langen Alkoholsucht pflegebedürftig.

"Außerdem beobachten wir, dass immer mehr Menschen zwangsgeräumt werden. Sie bezahlen dreimal die Miete nicht und zack werden sie geräumt", sagt er. Dabei spiele es teilweise keine Rolle, ob der oder die Betroffene vielleicht vorher lange im Krankenhaus war. Die Armut im Alter nehme zu.

Das Team von Safe DD: Heidi Hemmann, Alexander Beuschel und Arian Speer (v.l.).
Das Team von Safe DD: Heidi Hemmann, Alexander Beuschel und Arian Speer (v.l.). ©  privat

"Es gibt Gründe, warum Menschen keine Wohnung haben und diese sind viel vielschichtiger als die Klischees, die die Gesellschaft oft im Kopf hat", betont Heidi Hemmann, Sozialarbeiterin beim Träger Safe DD, der suchtspezifische Straßensozialarbeit macht. "Wohnungslos zu werden, geht leider viel schneller, als vielen bewusst ist", sagt sie.

Ein Jobverlust, eine schlimme Trennung, Suchterkrankungen oder eine schwere Krankheit können die Ursachen sein. "Die Menschen, die wir begleiten, sind eine sehr heterogene Gruppe, es gibt Betroffene mit Abitur, manche haben früher eine eigene Firma geleitet", so Hemmann. Ähnlich wie Jentzsch von der Awo beobachtet auch Hemmann die Zunahme von Altersarmut und Einsamkeit.

"Für viele unserer Klienten ist es schwierig, all die Dinge einzuhalten, die mit einer eigenen Wohnung einhergehen: Miete und Strom zahlen, sich beim Amt melden", erzählt Hemmann. Aktuell habe das Team viel mit dem Thema Stromschulden zu tun.

Welche Hilfen erreichen die Menschen am besten?

Zwei Teams von Safe DD, eines in der Altstadt und Neustadt sowie eines in Prohlis und Gorbitz sind unterwegs, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. "Wir suchen Orte auf, an denen sich unsere Adressaten aufhalten und begleiten sie dann bei Bedarf und je nach Problemlage zum Arzt oder zur Schuldnerberatung, wenn sie das möchten", so ihr Kollege Arian Speer. Hat jemand Schulden beim Stromanbieter, unterstützen die Sozialarbeiter bei den Gesprächen mit dem Sozialamt, Jobcenter und dem Stromanbieter.

Gunter Jentzsch, Einrichtungsleiter der Awo für wohnungslose Senioren und seine Kollegin Daniela Willmann setzen auf klare Strukturen. "Viele unserer Bewohner müssen erst wieder lernen, früh aufzustehen, sich anzuziehen und zu frühstücken", sagt er. Es gebe in seinem Heim feste Zeiten für die Mahlzeiten, gekocht wird dreimal in der Woche gemeinsam mit den Bewohnern. Es gibt klare Regeln: keine Drogen und kein Schnaps. Dafür ein offenes Ohr. "Das Ziel ist immer, die Menschen wieder in eine eigene Wohnung zurückzubringen", sagt Jentzsch.

Daniela Willmann, stellvertretende Leiterin des Awo-Wohnens für wohnungslose Senioren.
Daniela Willmann, stellvertretende Leiterin des Awo-Wohnens für wohnungslose Senioren. © René Meinig