Dresdens Klimavertrag liegt auf der langen Bank

Dresden. Der menschengemachte Klimawandel macht nicht Halt vor Dresden. In den vergangenen sechzig Jahren hat sich die Stadt um etwa ein Grad erwärmt, hunderte Bäume sind wegen der Dürre abgestorben. Deshalb hat Dresden ein Klimaschutzkonzept erarbeitet, doch die Maßnahmen stocken.
Zudem ist Dresden in ein neues EU-Programm aufgenommen worden. Das hat zum Ziel, die Landeshauptstadt bis 2030 klimaneutral zu machen. Kritik kommt nun überraschenderweise von den Umweltschützern. Was das EU-Programm beinhaltet und warum das neue Klimaschutzkonzept noch immer da ist.
Dresden ist EU-Pilotstadt für Klimaneutralität. Was heißt das?
Energieversorgung, Wohnen, Mobilität, Fernwärme, Bauen, Beleuchtung, Abfall – in all diesen Bereichen soll sich die Stadt in den nächsten acht Jahren verändern. Das zumindest erklärt OB Dirk Hilbert (FDP) in einer gemeinsamen Pressmitteilung mit der Sachsen-Energie, der Stadtentwässerung, Stadtreinigung und Stadtverwaltung.
Grund dafür ist, dass Dresden seit dem Frühjahr der EU-Mission "100 klimaneutrale und intelligente Städte bis 2030" angehört. Nun soll mit der EU ein Klimavertrag ausgearbeitet werden, um Dresden bis 2030 klimaneutral zu machen. Dafür erhalten die 100 ausgewählten Pilotstädte insgesamt 360 Millionen Euro.
Klimaneutral bis 2030: Was passiert, wenn Dresden das Ziel nicht einhält?
Nichts. Das Konzept ist rechtlich nicht bindend. "Es wird keine rechtlichen Konsequenzen geben", teilt die EU mit. Auch Pressesprecher der Stadt Kai Schulz erklärt: "Was genau 2030 sein wird, kann jetzt nicht vorausgesagt werden."
Rechtlich bindend jedoch ist der Stadtrats-Beschluss vom 30. Januar 2020. Darin heißt es, dass Dresden deutlich vor 2050 klimaneutral werden will. Die deutsche Bundesregierung selbst hat sich zum Ziel gemacht, bis 2045 die Klimaneutralität zu erreichen.
Dresdens Umweltschützer sind nicht nur begeistert von der EU-Mission. Warum?
"Wir dürfen uns von der Zusage nicht täuschen lassen: Die EU-Mission macht Dresden nicht klimaneutral!", erklärt Moritz Piepel von Dresden Zero. Die Initiative setzt sich mit einer Unterschriftensammlung für ein klimaneutrales Dresden bis 2035 ein. Eine fünfstellige Zahl an Bürgern hat das Begehren bisher unterschrieben.
Piepel fordert einen verbindlichen Plan mit jährlich messbaren Zielen. Die EU-Mission helfe zwar, man könnte damit aber nicht alle notwendigen Schritte für ein klimaneutrales Dresden finanzieren. Er wünscht sich vielmehr, dass das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept der Landeshauptstadt überarbeitet wird und darin ein rechtlich bindendes Klimaneutralitätsziel bis 2035 festgesetzt wird.
Kritik gibt es auch an den Inhalten im EU-Programm: "In Dresden ist der Großteil der Emissionen auf
die Wirtschaft zurückzuführen. Hier unternimmt die Stadt bisher wenig eigene
Schritte, um die Dresdner Wirtschaft klimaneutral zu machen", erklärt der Vorsitzende Martin Ahlfeld vom BUND Dresden.
Der Stadtrat beauftragte die Behörden im Jahr 2020 damit, ein neues Klimakonzept zu erarbeiten. Was ist daraus geworden?
Im April sollte die überarbeitete Version des Dresdner Energie- und Klimaschutzkonzeptes vorliegen. Daraus ist noch nichts geworden.
Leider könne man "den ursprünglich anvisierten Zeitplan nicht einhalten", erklärt OB Dirk Hilbert und der Geschäftsbereich um Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne). Aufgrund "etwaiger Unstimmigkeiten hinsichtlich des Umfangs und des Inhalts der zu erarbeitenden Konzeptbausteine sei eine weitere Zusammenarbeit mit dem Auftragnehmer derzeit in Prüfung", heißt es auf Anfrage von Linken-Stadtrat Tilo Wirtz. Ursache sei zudem die "aufgrund der Pandemie eingeschränkten Kapazitäten im Klimaschutzstab". Ein neuer Zeitplan liegt der Öffentlichkeit bisher nicht vor.
Tilo Wirtz erklärt dazu: "Klimaneutralität ist eine gewaltige technische, politische, terminliche und finanzielle Herausforderung. Da kann es nicht sein, dass schon bei der Fortschreibung des grundlegenden städtischen Konzepts Schiffbruch erlitten und Zeit verloren wird."

Wo steht Dresden derzeit beim Klimaschutz?
Bisher hat Dresden seine beschlossenen Klimaschutzziele nicht erreicht. Die Stadt hat sich 2005 verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2030 alle fünf Jahre um zehn Prozent zu senken. Das ist bisher noch nicht geschehen.
Zwischenzeitlich sind die Emissionswerte sogar nach oben geschnellt. Die Stadt muss nun innerhalb der nächsten zehn Jahre den Treibhausgasausstoß um 40 Prozent minimieren, um das selbstgesteckte Ziel zu erreichen. Gerade dann, wenn OB Hilbert die Zeitspanne verkürzt. In seinem Wahlprogramm nannte OB Hilbert zuletzt 2040 als Zieljahr für ein klimaneutrales Dresden.