Dresden
Merken

Dresdner Auffangstation in Not: "Unsere Wildvögel fallen durchs Raster"

Über 1.000 Wildvögel wurden 2022 in der Wildvogelstation in Dresden-Kaditz gepflegt. Nun werden der Einrichtung öffentliche Gelder gestrichen. Wie geht es weiter?

Von Juliane Just
 4 Min.
Teilen
Folgen
Ein verwaister Schwan aus Sporbitz wird derzeit in der Wildvogelauffangstation in Dresden-Kaditz aufgepäppelt. Wie es in der Einrichtung ohne öffentliche Gelder weitergehen soll, weiß Leiterin Ronja Fulsche nicht.
Ein verwaister Schwan aus Sporbitz wird derzeit in der Wildvogelauffangstation in Dresden-Kaditz aufgepäppelt. Wie es in der Einrichtung ohne öffentliche Gelder weitergehen soll, weiß Leiterin Ronja Fulsche nicht. © Sven Ellger

Dresden. Als Ronja Fulsche die Voliere betritt, steht ein junger Schwan schon am Eingang und wartet auf sie. Immerhin hat die Leiterin der Wildvogelauffangstation eine Schüssel mit einer Salat-Körner-Mischung dabei. Der verwaiste Schwan aus der Kiesgrube in Sporbitz, dessen Geschwister von einem Fuchs totgebissen wurden, wurde vom Team der Auffangstation gerettet. So wie 1.000 andere Wildvögel im Jahr 2022. Doch ob Dresdens Wildvögel auch 2023 hier gepflegt und aufgepäppelt werden können, ist ungewiss.

Der Auffangstation wurden öffentliche Mittel gestrichen. Diese Gelder deckten bislang nicht einmal 50 Prozent der Kosten der Wildvogelstation. Bergung, medizinische Versorgung, Betreuung und Pflege der Tiere kosten bis zu 85.000 Euro jährlich. Bisher erhielt die Station jährlich bis zu 6.000 Euro aus öffentlichen Finanztöpfen, die nun fehlen.

"Es ist frustrierend. Wir sind die größte Einrichtung in Sachsen, aber wir werden nicht unterstützt", sagt Ronja Fulsche. Der Grund für die fehlenden Mittel: Im Juli 2022 wurde die Sächsische Förderrichtlinie für Tierschutz neu aufgesetzt. Darin steht, dass nur noch Heimtiere förderfähig sind, Wildtiere jedoch nicht. "Unsere Wildvögel fallen damit durchs Raster", ärgert sich Leiterin.

Sechs Jungschwäne in der Wildvogelstation großgezogen

Dabei war Ronja Fulsche es, die die Einrichtung im Herbst 2021 vor der Schließung rettete. Die Zukunft der Station, die zum Dresdner Umweltzentrum gehört und auch von der Stadtentwässerung unterstützt wird, sah düster aus. Der Grund: Personalmangel. Die damals 23-Jährige wurde neue Leiterin und kümmert sich seither aufopferungsvoll um Wildvögel, die in Dresden Hilfe brauchen.

Und davon gibt es genug. Große Aufmerksamkeit erlangte der Fall von sechs Jungschwänen, die im Juli plötzlich Waisen wurden, als ein Hund ihre Eltern auf dem Ulleradorfer Golfplatz totbiss. Drei Monate wurden sie in der Wildvogelauffangstation aufgepäppelt und großgezogen. Im Oktober konnten sie ausgewildert werden. Die Jungschwäne seien dann nach Kötzschenbroda abgetrieben, mehr ist bisher noch nicht bekannt.

Bis zur Auswilderung verschlangen die sechs Geschwister etwa 25 Kilogramm Wassergeflügelfutter pro Woche - und damit etwa 300 Euro. Uwe Neumann hat sich nun als Geschäftsführer der Golfanlage mit 500 Euro und einem Sack Vogelfutter für das Engagement der Mitarbeiter bedankt. Eine Geste, die über Leben und Tod anderer Vögel entscheiden kann. "Ohne private Spenden wäre der Betrieb der Wildvogelstation gar nicht möglich. Jeder Euro hilft", betont Ronja Fulsche. Dazu zählen auch Patenschaften, die Privatpersonen übernehmen können.

Konsequenzen aus dem Finanzloch: Weniger Tiere in Obhut

Neben den sechs verwaisten Schwänen gehörten zu den Schützlingen 2022 auch Mäusebussarde, aus dem Nest gefallene Turmfalken, Mauersegler mit gebrochenen Flügeln, Uhus und verschiedene kleinere Eulenarten. Genauso werden aber auch Singvögel wie Spatzen, Meisen und Amseln aufgepäppelt. Dafür arbeiten inzwischen neben Ronja Fulsche drei weitere Mitarbeiter in der Auffangstation. Doch die Mitarbeiter sind für bestimmte Projekte eingesetzt, ihre Anstellung endet mit dem jeweiligen Projekt.

Und selbst vier Personen reichen noch nicht. "Wir mussten im Sommer einen Aufnahmestopp verhängen, weil wir uns nicht um alle Tiere kümmern konnten", sagt Ronja Fulsche. Die Vögel sind je nach Verletzung von einem Tag bis mehrere Monate in der Auffangstation. Ist ein Vogel beispielsweise gegen eine Scheibe geflogen, könne er meist am nächsten Tag "entlassen" werden. Wurde er von einer Katze verletzt, kann das mehrere Wochen dauern.

Obwohl es im Winter normalerweise auf der Station ruhiger zugeht, brauchen viele Mäusebussarde und Ringeltauben derzeit Hilfe von dem Team. "Es ist ein extrem schlechtes Mäusejahr, die Tiere hungern", so Fulsche. Dass die Tiere jetzt schon so ausgehungert sind, deute auf einen extremen Winter für die Wildvögel hin.

Wie es im kommenden Jahr mit dem derzeit klaffenden Finanzloch weitergeht, darüber zuckt Ronja Fulsche hilflos die Schultern. "Wenn wir das Geld für die Futtermittel nicht über andere Spenden einnehmen können, müssen wir weniger Tiere aufnehmen", stellt die Leiterin klar. Sie hofft, dass es Menschen da draußen gibt, die ein Herz für Pechvögel haben - im wahrsten Sinne des Wortes.