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Dresdner Bürgermeister-Streit: Wird die AfD zur "Königsmacherin"?

Nachdem OB Hilbert die Bürgermeister-Verhandlungen für gescheitert erklärt hat, fallen die Stadträte verbal übereinander und ihn her. Der Streit eskaliert, es droht die totale Blockade - und ein Szenario, das viele Stadträte ängstigt.

Von Andreas Weller
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Oberbürgermeister Dirk Hilbert und FDP-Fraktionschef Holger Zastrow stehen im Kreuzfeuer der Kritik.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert und FDP-Fraktionschef Holger Zastrow stehen im Kreuzfeuer der Kritik. © René Meinig

Dresden. Die Besetzung der Dresdner Bürgermeisterposten wird zum Polit-Desaster des Jahres. Nach Monaten der Uneinigkeit hat Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) eine geplante Verhandlungsrunde platzen lassen und angekündigt, nun selbst Vorschläge zu machen, weil er sich mit den fünf verhandelnden Fraktionen nicht einigen kann.

Unmittelbar danach sind die Fronten noch mehr verhärtet. Die FDP kündigt nun an, dass sie ganz raus ist. Sie will in eine andere Richtung. Für Grüne, CDU, Linke und SPD haben OB Hilbert und FDP-Fraktionschef Holger Zastrow einen großen Anteil an der verfahrenen Situation.

Zastrow: "Es gibt nichts mehr zu verhandeln"

"Es gibt nichts mehr zu verhandeln", sagt der FDP-Fraktionschef. Seine Fraktion habe sich bewegt, indem sie überhaupt bereit war, über die Schaffung eines achten Bürgermeisterpostens zu verhandeln. "Das gibt es nun auf keinen Fall mehr mit uns, das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren." Damit meint Zastrow, dass es in Zeiten der Energiekrise nicht vermittelbar sei, einen Posten zu schaffen, der inklusive Mitarbeitern und Ausstattung eine Million Euro pro Jahr koste.

Zastrow würde nicht mal mehr über einen achten Bürgermeister verhandeln, wenn die FDP den Bereich Finanzen besetzen dürfte - so wie es der OB und Zastrow eigentlich wollten. "Das ist vom Tisch", so Zastrow.

"Jetzt wird über ganz andere Sachen diskutiert werden. Ich werde mit allen Fraktionen darüber sprechen, die Anzahl der Bürgermeister auf sechs zu reduzieren." Dabei schließt er die umstrittene AfD explizit mit ein. Und Zastrow schiebt noch nach, dass er die Grüne Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen nicht wählen werde.

Breite Kritik an Zastrow und Hilbert

"Was Herr Zastrow macht, ist unter aller Kanone", wird CDU-Fraktionschef Peter Krüger deutlich. Und auch OB Hilbert bekommt was ab. "Wir haben uns strikt an den Vorschlag des Oberbürgermeisters gehalten: erst die Struktur, dann die Personalien. Aus den Optionen haben sich alle - inklusive OB und FDP - auf die Variante geeinigt, einen achten Bereich Wirtschaft und Digitalisierung zu schaffen."

Der OB führe Dresdens ins Chaos, kritisieren die Grünen. "Oberbürgermeister Hilbert war nicht in der Lage, eine mehrheitsfähige Lösung auszuhandeln und einen Interessenausgleich herbeizuführen", so Fraktionschefin Agnes Scharnetzky. "Es waren zu keinem Zeitpunkt stringente Verhandlungen, insbesondere Herr Zastrow und Herr Hilbert selbst präsentierten immer neue rote Linien, wenn man sich an einer Stelle angenähert hatte." Es werde auch immer schwieriger, mit Zastrow zu verhandeln, da die Position von Partei und Fraktionsspitze weit auseinanderfielen.

Denn entgegen Zastrows Position kann sich Dresdens FDP-Chef und Stadtrat Holger Hase sehr gut vorstellen, Ordnungsbürgermeister zu werden. "Wir waren nicht weit entfernt von einer Einigung", erklärt SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser. "Diese scheitert an Holger Zastrow. Selbst in seiner und Hilberts FDP gibt es gewichtige Stimmen und sogar einen Kandidaten für den zusätzlich aufgewerteten Bereich Ordnung und Sicherheit, nur Holger Zastrow steht dieser Lösung im Weg. Damit droht die ganze Stadt Dresden und ihre Zukunft ins Chaos zu stürzen."

Hilbert will Bündnis aus CDU, Grünen, SPD und Linke aufbrechen

Wie geht es jetzt weiter? OB Hilbert hat angekündigt, den Stadtrat am 6. Oktober abstimmen zu lassen, ob es künftig sechs, sieben oder acht Bürgermeister in Dresden geben soll. Zastrow forciert die Variante mit sechs - die er im Zweifel auch mit Stimmen der AfD durchsetzen wolle.

Parallel dazu will Hilbert mit Personalvorschlägen kommende Woche in die Stadtratssitzung gehen und dort offenbar auf Zufallsmehrheiten setzen, so Druck aufbauen, um das bisherige Bündnis aus Grünen, CDU, Linke und SPD aufzubrechen. "Dieses Bündnis ist endgültig gescheitert", befeuert Zastrow den Streit zusätzlich.

Aber auch von der anderen Seite werden Hilbert und die FDP unter Druck gesetzt. "Wir werden die Hauptsatzung entsprechend dem Vorschlag des Oberbürgermeisters ändern", so Krüger. Denn laut der Vorlage argumentiert Hilbert für acht Bürgermeister. "Dann ist die Zahl acht festgelegt und alle wissen, worüber wir reden", ergänzt Krüger. "Die FDP muss dringend intern klären, wer bei ihr entscheidet. Aktuell wirkt es wie ein heilloser Machtkampf."

Entsetzen über AfD-Kalkulation

Hilbert und Zastrow würden hier klar einkalkulieren, dass am Ende die AfD über den Ausgang des Streits entscheidet. "Wer verantwortungsvoll handelt, betreibt die Bürgermeisterwahl weder als Lotterie noch als Spiel mit dem Feuer", so Linke-Fraktionschef André Schollbach.

Es sei keine Option, ohne Einigung in "Experimente mit Zufallsmehrheiten mit Rechtsaußen" zu gehen, warnt Frohwieser. So dürfe nicht darüber entschieden werden, wer in den nächsten sieben Jahren die Verwaltung führt. "Die AfD darf nicht zum Zünglein an der Waage werden. Grüne, Linke, CDU, SPD und FDP müssen gemeinsam eine Lösung finden."

Auch die Grünen warnen genau davor. "Im worst case schwingt sich die AfD unter Duldung des OBs und der Fraktionsspitze der FDP zur Königsmacherin auf", so Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne. "Dann müssen wir uns aber nicht mehr bundesweit fragen lassen, wie Pegida möglich sein kann." Irgendwie müssten alle zurück an den Verhandlungstisch.

"Es ist viel Porzellan zerschlagen. Aber wir können uns eine Selbstbeschäftigung in diesem Ausmaß angesichts multipler Krisen nicht leisten", sagt Scharnetzky. Man wolle die FDP zurück ins Boot holen, bekräftigt auch Krüger, da eine Mehrheit mit der AfD "keine Option" sei.