Dresden stoppt neues Klimaschutzkonzept

Dresden. Das Dresdner Klimaschutzkonzept wirkt vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen wie aus der Zeit gefallen. So geht das Konzept bis 2030 "unter der Annahme einer weitgehend friedlichen Entwicklung" von einem "moderaten Anstieg der Energiepreise auf dem Weltmarkt" aus. Nicht nur wegen der Ukraine-Krise wäre eine Überarbeitung dringend nötig, immerhin ist das Papier inzwischen neun Jahre alt. Aktuell sieht es jedoch ganz danach aus, als müssten die neuen Dresdner Klimaziele erst einmal warten.
Welche Annahmen enthält das veraltete Konzept?
Vor neun Jahren hat Dresden im "integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept" den Klima-Fahrplan der sächsischen Landeshauptstadt festgeschrieben. In verschiedenen Szenarien wird dabei die Entwicklung der Stadt bis zum Jahr 2030 beschrieben. Zudem werden einzelne konkrete Maßnahmen benannt, wie eine "Initiative zur Heizungsmodernisierung mit Holzpellets" in Stadtrandlagen.
Für Dresden wurde für Erdgas und Strom mit einem jährlichen Preisanstieg für von unter zwei Prozent gerechnet. Im Januar 2020 hat der Stadtrat daher eine Fortschreibung der Dresdner Klimaschutzziele beschlossen, unter anderem weil "die bisher umgesetzten Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen", um zum Beispiel die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten.
OB Dirk Hilbert (FDP) wurde beauftragt, dass vorhandene Klimaschutzkonzept grundlegend zu überarbeiten. Das wichtigste Ziel dabei: Dresden soll "deutlich vor 2050" eine Klimaneutralität erreichen. In seinem Wahlprogramm nennt OB Hilbert 2040 als Zieljahr für ein klimaneutrales Dresden. Der Stadtspitze wurde für das neue Konzept eine Frist bis Juni 2022 gegeben.
Was ist mit dem neuen Konzept passiert?
Aus einer Vorlage der Stadt aus dem Mai 2020 geht hervor, dass daran eine Zeitlang auch intensiv gearbeitet wurde. Immerhin 245.000 Euro wurden für externe Dienstleister ausgegeben. Dresden wollte so den Betrachtungszeitraum bis zum Jahr 2050 erweitern und neue Umsetzungsziele formulieren.
Doch daraus wird nun nichts: Bereits im April war klar, dass sich Stadt und die beauftragten externen Berater komplett überworfen haben. In der Antwort auf eine Anfrage von Stadtrat Tilo Wirtz (Linke) teilte das Rathaus mit: "Der ursprünglich anvisierte Zeitplan kann nicht eingehalten werden." Hauptgrund dafür seien Unstimmigkeiten mit den beauftragen Experten "hinsichtlich des Umfangs und des Inhalts der zu erarbeitenden Konzeptbausteine". Jetzt ist klar: Das Rathaus hat sich von den beauftragen Ingenieurbüros und Wissenschaftlern getrennt.
Warum haben sich Stadt und Wissenschaftler getrennt?
Stadtsprecher Kai Schulz: "Es hat sich herausgestellt, dass die vereinbarten Leistungen so nicht erbracht werden können. Das Konzept hätte einer fachlichen und politischen Überprüfung für Dresden nicht standgehalten. Das machte eine einvernehmliche Trennung notwendig." Laut SZ-Inforationen hat sich die Stadt wesentlich mehr Tiefe und besser nachvollziehbare Grundannahmen gewünscht.
Aus Sicht der Verwaltung waren die Gräben zu groß: "Es ist besser, ein gutes Konzept später vorzulegen, als schnell ein schlechtes Konzept. Die Notwendigkeit eines fundierten und nachvollziehbaren Konzeptes geht hier dem Zeitdruck vor."
Das heißt, Dresden arbeitet erst einmal ohne Klimaziele?
Dresden will die Unterbrechung nun nutzen, um die veränderte Situation der Energie- und Rohstoffpreise sowie die auf Bundesebene geplanten Veränderungen im Energie- und Planungsrecht einzuarbeiten. Kai Schulz: "Das wäre auch notwendig gewesen, wenn die Trennung von den Auftragnehmern nicht zustande gekommen wäre."
Obwohl Teile des nun abgelehnten Konzeptes die Grundlage für die weitere Arbeit neuer Experten bilden werden, wird erneut viel Zeit vergehen. Das neue Konzept soll vom Stadtrat "vor Ablauf dieser Wahlperiode" beraten und beschlossen werden. Ein neuer Stadtrat wird 2024 gewählt - in zwei Jahren also.
Was bringt die Klima-Klausur?
Für die Klimaschutzbemühungen der Stadt ist das ein deutlicher Rückschlag, dennoch wird weiter gearbeitet. Noch bis Samstag haben sich OB Hilbert und Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) zusammen mit Vertretern von Wirtschaft (unter anderem Vonovia) und städtischen Unternehmen zur Klima-Klausur zurückgezogen.
Umweltbürgermeisterin Jähnigen will dabei eine Übersicht mit aus ihrer Sicht wichtigen Projekten und Entscheidungspunkten besprechen, die "zeitnah entschieden werden sollten". Zentrale Forderung: Der städtische Versorger Sachsen-Energie soll schnellstmöglich die eingeforderten Konzepte zur Klimaneutralität bis 2035 vorlegen.
Jähnigen weist darf hin, dass das Unternehmen bereits Ende 2021 ein Konzept zum Einsatz kohlenstoffarmer Energiequellen in der Fernwärme hätte vorlegen sollen. Das zentrale Ziel der Umweltbürgermeisterin: Die Kraftwerke der Stadt sollen von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt werden.
Zudem will Frau Jähnigen weitere 200.000 Euro im Haushalt der kommenden beiden Jahre verankern, um möglichst viel Beleuchtung auf LED umzustellen. Gründächer auf städtischen Gebäuden sollen passive Kühlung ermöglichen und Klimaanlagen unnötig machen. Weiterhin soll Dresden die Potenziale von Windkraft, Wasserkraft und Biomasse auf dem eigenen Stadtgebiet ausloten. Mit knapp 800.000 Euro soll ein Bestand an klimaneutralen Gebäuden angeschoben werden.
Viele dieser Ideen sollen noch dieses Jahr in den Planungen für den kommenden Doppelhaushalt verankert werden.