Dresdner Paar schenkt DDR-Möbeln ein neues Leben

Dresden. Am Anfang stand ein Couchtisch. Über eine bekannte Handelsplattform im Internet sicherte sich Tom Schmid das gute Stück, um es vor einem traurigen Schicksal auf dem Wertstoffhof zu bewahren. Einmal Abschleifen und Ölen später sah das Ding fast wie neu aus. Paul wollte jetzt mehr. Mehr abgewetzte Möbel. Mehr Kreislauf. Mehr Nachhaltigkeit.
Gemeinsam mit seiner Freundin Paula Klepin begann der 24-jährige Student, immer mehr DDR-Möbel abzuholen, aufzukaufen oder am Straßenrand einzusammeln und ihnen ein neues Leben zu schenken. "Abgestaubt" tauften die beiden ihr Projekt, für das sie zunächst ihre WG in der Neustadt nutzten. "Bald waren unsere Zimmer komplett mit Möbeln vollgestopft und auch im Flur konnte man kaum noch treten", erinnert sich die 22-jährige Paula.
Da die Wohnung im dritten Stock liegt, wurden auch die Transporte zunehmend mühselig. Das war der Punkt, an dem sie sich einig waren: Wenn wir weitermachen und wachsen wollen, brauchen wir ein neues Domizil.

Nach langer Suche fanden sie im Frühjahr 2021 eine Halle in der Meschwitzstraße im Industriegelände, die zwar anfangs viel zu groß war, ihnen nach einer Teilung und diversen Umbaumaßnahmen aber den nächsten Schritt ermöglichte. Sie richteten sich eine kleine Werkstatt ein und bauten eine Galerie darüber, um auch den Platz in der Höhe zu nutzen. Mit dem erfahrenen Tischler Frank Schumann fanden sie außerdem die perfekte Ergänzung für ihr Team.
Während Paula vor allem die Möbelstücke heranschafft und Tom für den Verkauf zuständig ist, nimmt sich Frank mit viel Geschick und Liebe der hölzernen Patienten an. Manchmal widmet er sich den Stühlen, Schränken und Tischen für eine Stunde, manchmal auch mehrere Tage lang. Für die Reinigung der Polstermöbel haben sie sich einen Kompressor angeschafft. Notfalls zieht Paula auch einen neuen Bezug drauf. Was original bleiben kann, bleibt aber original. "Jedes Teil erzählt seine Geschichte", sagt sie.
Hellerau besonders begehrt
Nicht jedes Stück können die drei retten. Wenn der Holzwurm zu fleißig war oder Wände von Schimmel durchzogen sind, dann ist alle Mühe vergebens. Oft genug jedoch haben sie Erfolg und können die Möbel online weiterverkaufen. Abnehmer für instandgesetzte DDR-Möbel gibt es genug. Vor allem aus der Neustadt, aus Pieschen und Löbtau kommen die Interessenten bislang, die nach Terminvergabe einen Blick auf die neuen alten Schätzchen werfen können.
"Vor allem Hellerau-Stücke sind natürlich sehr begehrt", sagt Tom. Das gilt für die Kundschaft genauso wie für die Restauratoren selbst. Ein gut erhaltenes Hellerau-Sideboard ist auch eine längere Anfahrt wert. Nach der Restaurierung kann das dann schon um die 600 Euro kosten.
"Unsere Preise kalkulieren sich nach den Kosten des Ankaufs und dem Aufwand für die Aufarbeitung", sagt Tom. Reich werden sie mit "Abstaubt" ganz sicher nicht - das ist aber auch nicht das Ziel. Im Mittelpunkt soll die Nachhaltigkeit für Mensch und Umwelt stehen.

Was sich im ersten Moment ein wenig unglaubhaft anhören mag, findet seinen Ausdruck in konkreten guten Taten. Für jedes verkaufte Möbelstück spenden Tom und Paula über die Plattform "Share the Meal" eine Mahlzeit an hungernde Menschen - und pflanzen außerdem einen Baum. Auch letzteres übernehmen sie nicht selbst, sondern nutzen dafür das Netzwerk "Plant for the Planet". Immerhin 270 Bäume wurden mit ihrer Hilfe bereits gepflanzt.
Leben können Tom und Paula bislang nicht von ihrem Projekt. Paula studiert Soziale Arbeit in Görlitz, Tom beendet gerade sein BWL-Studium, dessen Inhalte er inzwischen allerdings kritisch betrachtet. Nebenbei programmiert er Webseiten und Onlineshops.
"Abgestaubt" wächst unterdessen weiter. Inzwischen melden sich viele Dresdner von allein bei ihnen, wenn sie etwas anzubieten haben. In guten Monaten geben Tom und Paula 30 Möbelstücke in neue Hände weiter. Gerade planen sie den Umzug in eine größere Halle, in der sie mehr Platz für die Werkstatt und ihr Lager haben. "Außerdem wollen wir eine Freifläche einrichten, die für Events genutzt werden kann", sagt Paula. Auch Flohmärkte seien denkbar.
"Bewusstsein ist gewachsen"
Die Studenten wollen sich breiter aufstellen, denn sie sind sich darüber bewusst, dass auf lange Zeit immer weniger DDR-Möbel auftauchen werden, mit denen sie arbeiten können. "Nach der Wende wurde viel auf den Müll geschmissen, aber inzwischen ist bei den Menschen auch das Bewusstsein wieder gewachsen, dass damit Werte verbunden sind", sagt Tom.
Künftig will das Paar anfangen, eigene Möbel zu entwerfen und zu bauen. Auch Produkte anderer nachhaltiger Unternehmen wollen sie ins Programm aufnehmen, etwa Vasen aus Altglas und Poster aus Altpapier. Schon jetzt online im Angebot ist Second-Hand-Kleidung, nicht zerknittert in Pappkisten, sondern von allen Seiten auf einem Bügel fotografiert und ausführlich beschrieben.
Im Mittelpunkt stehen unterdessen weiterhin die Möbel, die nach der Restaurierung manchmal so schick aussehen, dass sie gleich in das eigene WG-Zimmer einziehen. Hier bleiben sie zumindest so lange, bis sie Platz für das nächste Schätzchen machen müssen.