Dresdner starten Vermietung für Babykleidung

Dresden. Wer weiß, ohne die Corona-Krise wäre diese Idee wohl in der Schublade geblieben. Als Sara Schlüter aber vergangenes Jahr einige ihrer längst zu klein gewordenen Babysachen in die Kleiderspende geben wollte, merkte sie: Das ist gar nicht so einfach zurzeit. Viele Einrichtungen sind geschlossen. Andere nehmen nur begrenzt neue Kleidung an.
Mit dieser Erkenntnis verband Sara einen Gedanken, der sie schon seit einigen Jahren beschäftigte: Warum sollte man Kleidung für Babys und Kleinkinder nicht auch mieten können? Bei Autos, Wohnungen und Werkzeugen geht es doch auch, und sogar bei der Umstandsmode hatte sie vor der Geburt ihrer ersten Tochter 2011 schon gute Erfahrungen damit gemacht.
"Es passiert doch so oft, dass man einen Strampler nur ein oder zwei Mal anziehen kann, und schon ist er zu klein", sagt die 33-Jährige. "Bei den kleinsten Größen kann man doch zugucken, wie die rauswachsen." Da wäre doch eine Vermietung nachhaltig, für die Eltern praktisch und möglicherweise für den Vermieter sogar ein spannendes Geschäftsmodell.

War sie bis dahin stets vor der praktischen Umsetzung zurückgeschreckt, machte Sara nun ernst und fand in ihrem Mann Patrick einen Mitstreiter, der von der Idee genauso überzeugt ist wie sie. "In einer Abendrunde zu Weihnachten haben wir uns dann einen Namen für das Unternehmen überlegt", erinnert sich Sara. Herausgekommen ist "Relisa Solutions", nach ihren beiden Töchtern Aurelia, genannt Reli, und Selina.
Vermietet werden ausschließlich gebrauchte Kleidungsstücke von Größe 50 bis 98 für Kinder im Alter von bis zu zwei Jahren. Über den eingerichteten Shop soll das sogar bundesweit funktionieren und sei ein Alleinstellungsmerkmal. Bekannte Alternativen wie Vinted (früher Mamikreisel) seien für sie nur bedingt Konkurrenz. "Viele haben schon schlechte Erfahrungen mit kaputter oder schmutziger Kleidung gemacht und wünschen sich einen Anbieter, dem sie vertrauen können", sagt Sara.
Auch der Umweltschutz spiele eine große Rolle. "Es wird doch viel zu viel neue Kleidung konsumiert, die zu schlimmen Bedingungen in der Dritten Welt produziert wird und hierzulande schnell im Müll landet." Während des Lockdowns würden die großen Modeketten Tonnen an nicht verkaufter Kleidung entsorgen, weil das für sie billiger sei, als zu spenden. "Das muss man sich mal überlegen."
"Wir haben ja die Kosten"
Für ihr Herzensprojekt gibt die gelernte Einzelhandelskauffrau ihre Arbeit im Direktvertrieb auf, mit der sie zuletzt ihren Lebensunterhalt verdient hatte. Patrick arbeitet bei der Feuerwehr, ist gerade aber in Elternzeit. Ihre gemeinsame Tochter Selina ist 11 Monate alt und damit die erste und vermutlich beste Kundin. Nur zahlen wird sie nichts, anders, als die anderen Interessenten aus dem ganzen Land, auf die Sara spekuliert.
Die monatlichen Mietpreise reichen von 1,40 Euro für einen Body bis zu 7,90 Euro für einen Winteranzug. Die Mietdauer ist auf sechs Monate begrenzt. Die ersten rund 500 Teile im Bestand stammen zum großen Teil aus dem eigenen Schrank, aber auch Verwandte, Bekannte und Wildfremde spendeten schon.
Ein Vorwurf liegt bei diesem Prinzip nahe: Ihr macht also Geld mit Kleidung, die euch gespendet wurde. Doch das lässt Sara nicht gelten. "Wir haben ja die Kosten und den Aufwand", sagt sie. "Wir müssen die Kleidung waschen, fotografieren, einstellen und verschicken." Außerdem kaufe sie durchaus auch Sachen an und zahle dabei zwischen einem und vier Euro pro Teil.
Für die Mieter soll der Versand kostenlos sein, so der Plan. In Dresden, Heidenau und Dohna wollen die Gründer die Ware sogar selbst ausliefern.
Traum von der Expansion
"Natürlich sind wir darauf angewiesen, dass die Leute achtsam mit der Kleidung umgehen", sagt Sara, die mit fünf bis sechs Durchläufen pro Stück kalkuliert. Auf eine Kaution oder andere Sicherheiten will sie vorerst verzichten. Zur Not kenne sie da ja noch einige Tricks und das Zaubermittel Gallseife. "Außerdem lässt sich aus einem Pullover mit Löchern im Ärmel immer noch ein T-Shirt machen." Die Nähmaschine ist ihr nicht fremd.
Das Büro in der Fünf-Raum-Wohnung in Großzschachwitz ist zum Lager umfunktioniert worden. Wenn das irgendwann - hoffentlich - nicht mehr ausreicht, gibt es gleich um die Ecke ein Bürogebäude. Auch Mitarbeiter könnten dort später mal beschäftigt werden, denkt Sara voraus. Bis jetzt hilft ihr allerdings nur ihre ältere Tochter ab und zu beim Sortieren der Kleidung.
Offiziell ist das Gewerbe auf Sara angemeldet, die sich selbstbewusst als CEO bezeichnet, also als Chief Executive Officer. Patrick ist der CMO, der Chief Marketing Officer. Wenn das nicht schon nach Big Business klingt.