Dresden. Daniel Siemon wohnt seit zwölf Jahren in einem der Hochhäuser an der Michelangelostraße. Der 46-jährige Altenpfleger lebt gern in Zschertnitz, er liebt den Ausblick von seiner Wohnung über die Stadt, er mag seine Nachbarn. Allerdings nicht alle, räumt er ein. Auf einige von ihnen ist er ziemlich sauer.
Seit Jahren gibt es im Wohngebiet ein massives Problem mit Sperrmüll, überfüllten Tonnen und Ratten.
Alte Schränke, Sofas und Matratzen werden einfach auf den Müllplätzen vor den Hochhäusern abgestellt. Backöfen, aufgeplatzte Müllsäcke, Essensreste - der Anblick ist mehr als unappetitlich.

Das ist zum einen nicht erlaubt, denn Sperrmüll muss auf den Dresdner Wertstoffhöfen entsorgt werden. Zum anderen macht sich das Problem zunehmend in den Betriebskostenabrechnungen aller Mieter des Areals bemerkbar.
"Ich habe so die Nase voll", sagt Daniel Siemon frustriert. Er sei es leid, dass sein hart verdientes Geld für jene Mieter drauf geht, die sich nicht an die Regeln halten.
Allein 100 Euro werden auf seiner jährlichen Abrechnung unter dem Posten Sperrmüll angeführt, zuletzt wurde er wieder um sieben Euro erhöht. Auch die anderen Müllgebühren seien deutlich gestiegen, weil der Abfall nicht ordentlich getrennt in den Tonnen landet.
Während er von den Zuständen in seinem Viertel erzählt, gesellen sich fünf ältere Damen hinzu. Eine von ihnen berichtet, dass seit Jahren ein Kammerjäger versucht, das Rattenproblem in den Griff zu bekommen.
Ohne Erfolg, denn mit den Essensresten, die neben den Tonnen landen, finden die Tiere genug Nahrung. Die Verzweiflung ist spürbar, zu lange schon versuchen Siemon und auch die Mieterinnen, den Eigentümer auf das immer größer werdende Problem hinzuweisen, ohne dass sich etwas tut.
Ordnungsamt mit Corona-Kontrollen beschäftigt
Nun hat sich AfD-Stadtrat Heiko Müller der Sache angenommen. Er und die Mieter betonen mehrfach, dass es nicht nur ausländische Bewohner sind, die den Müll verursachen. Und dennoch seien sie ein gewichtiger Teil des Problems.
Müller greift die Sorgen auf, nimmt sie mit in die Stadtverwaltung, will dort darauf aufmerksam machen. Im September letzten Jahres suchten Müller und Siemon das Gespräch mit Dresdens Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel, es sei aufgeschlossen gewesen.
Anfang Februar beantwortete die Stadt eine E-Mail-Anfrage von Daniel Siemon, was sich in der Sache getan hat. Demnach gab es Gespräche zwischen dem Vermieter und städtischen Ämtern, Mitarbeiter des Ordnungsamtes haben vier Wochen lang in dem Wohngebiet regelmäßige Kontrollen durchgeführt.
"Zusammenfassend lässt sich dabei feststellen, dass es insbesondere ein Problem mit illegalen Sperrmüllablagerungen gibt." Allerdings beobachteten die Kontrolleure nur in einem Fall Mieter dabei, wie sie Möbel abstellten. Sie wurden mündlich verwarnt und mussten den Müll wegräumen.
Dass es keine weiteren Kontrollen gibt, erklärt das Ordnungsamt damit, dass seine Mitarbeiter seit Herbst 2020 intensiv in die Kontrolle der Corona-Schutzverordnung eingebunden sind.
Vonovia: "Wir kümmern uns um das Thema"
Bei den Behörden ist das Thema Sperrmüll in den großen Dresdner Wohngebieten durchaus nicht neu. Probleme der Abfallentsorgung in Großwohnanlagen sind bekannt und bestehen bundesweit, teilt das Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft auf SZ-Anfrage mit.
"Verantwortlich für die Standplätze und ihre Gestaltung ist der Eigentümer eines Grundstückes." In diesem Fall ist das der Großvermieter Vonovia. Er muss sich um ausreichend Tonnen und um die Reinigung der Müllplätze kümmern.
Auch die Entsorgung des Sperrmülls muss das Wohnungsunternehmen beauftragen. Was es auch tut, bestätigen die Mieter, allerdings aber eben auch auf Kosten aller anderen Bewohner.
Das Abfallamt unterstützt Dresdner Vermieter außerdem mithilfe eines ausführlichen Informationsblattes zur Abfalltrennung in zwölf Sprachen sowie ein Hinweisblatt "Abfalltrennung in Bildern". Entsprechende Aushänge in den Hochhäusern gebe es allerdings nicht, sagt Daniel Siemon.
Der Großvermieter bleibt in Bezug auf das massive Müllproblem zunächst vage und vertröstet jene, die eine Lösung fordern. "Wir kümmern uns um das Thema, damit die Menschen in unseren Quartieren künftig weniger von Sperrmüll gestört werden", teilt Vonovia-Sprecher Matthias Wulff mit.
"Wir sind in Gesprächen und in der Planung weiterer Maßnahmen und halten unsere Mieterinnen und Mieter auf dem Laufenden." Was genau geplant ist, lässt Wulff offen.
Nachschub an günstigen Möbeln im Sozialkaufhaus
Als Hauptursache des Problems haben Daniel Siemon, Heiko Müller und die Damen die im Sozialkaufhaus kostenlos zur Verfügung stehenden Möbel ausfindig gemacht.
Die Vermutung: Die Möbel werden regelmäßig ausgetauscht, niemand kontrolliert dort, wer sich bereits Möbel abgeholt hat, es gibt einen praktisch nicht enden wollenden Nachschub, sodass die Wohnungseinrichtungen immer wieder erneuert und die alten Sachen vor dem Haus entsorgt werden.
Tatsächlich bekommen Dresdner, die Sozialhilfe beziehen, vom Sozialamt oder vom Jobcenter einen Berechtigungsschein, mit dem sie im Sozialkaufhaus des Sächsischen Umschulungs- und Fortbildungswerks Dresden kostenlose Möbel und Haushaltsgegenstände abholen können.
Aber: "Der Berechtigungsschein wird nur in den Fällen ausgefertigt, wenn die betroffenen Leistungsberechtigen erstmalig eine Wohnung beziehen oder beispielsweise - im Rahmen einer Erstausstattung - im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes oder mit anderen Ereignissen, wie vorheriger Wohnungslosigkeit", erklärt das Sozialamt. Wer das in Anspruch genommen hat, bekommt keinen weiteren Berechtigungsschein.
Dennoch können Menschen, die Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe beziehen oder einen Dresden-Pass haben, günstige Möbel im Sozialkaufhaus erwerben, allerdings auf eigene Kosten. Wie oft das in Anspruch genommen wird, könne das Sozialamt nicht sagen.
Im Zschertnitzer Wohnviertel scheint das ziemlich häufig der Fall zu sein, seit vielen Monaten dokumentiert Daniel Siemon das Sperrmüll-Problem in zahlreichen Fotos.
Nachdem das Ordnungsamt bei den Kontrollen nun zumindest das Ausmaß des Müllproblems erkannt hat und mit dem Vermieter in Kontakt steht, hoffen Siemon und seine Nachbarinnen, dass Vonovia die angekündigten "Maßnahmen" nun auch wirklich umsetzt. "So kann es nicht weitergehen."