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Erinnerungen an Dresdner Kamerawerk Pentacon gesucht

Dieter Burkhardt war Produktionsleiter beim VEB Pentacon und hat einige Kameras aus jener Zeit gesammelt. Am 21. März sind ehemalige Mitarbeiter mit ihren Erinnerungen in den Ernemann-Turm eingeladen.

Von Nora Domschke
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Dieter Burkhardt hat nicht nur Kameras gesammelt, die in Dresden hergestellt wurden, sondern auch andere Kuriositäten aus seiner Zeit bei Pentacon.
Dieter Burkhardt hat nicht nur Kameras gesammelt, die in Dresden hergestellt wurden, sondern auch andere Kuriositäten aus seiner Zeit bei Pentacon. © Sven Ellger

Dresden. Dieter Burkhardt hat nur eine kleine Auswahl mitgebracht. Im Turmcafé der Technischen Sammlungen öffnet er den Deckel eines silbernen Koffers, packt behutsam drei Kameras aus und erzählt, wie er zu den Sammlerstücken gekommen ist. Und davon, wie er die eine oder andere Kamera selbst etwas modifiziert hat. "Diese Kameras zeigen die ganze Spanne der Dresdner Produktion von Spiegelreflexkameras."

Vorsichtig nimmt er die Kine Exakta zur Hand, die 1936 von der Firma Ihagee in Dresden hergestellt wurde und als Meilenstein in der Entwicklung der Fotografie gilt. Sie war die erste in Serie produzierte Kleinbildspiegelreflexkamera. Gekauft hat Dieter Burkhardt sein Exemplar vor einigen Jahren von einem Mann aus Jena, der sie von seinem Vater bekommen hatte. "Ich war so glücklich, denn die Kamera ist fast unbenutzt." Zart streicht er über das metallene Gehäuse. 600 Euro hat Dieter Burkhardt dafür bezahlt, heute könnte sie etwa 1.000 Euro Wert sein, schätzt der 85-Jährige.

"Plötzlich hatte ich eine Westkamera"

Dieter Burkhardt kennt sich aus mit Kameras aller Art. Von 1970 bis 1988 hat der gebürtige Dresdner beim VEB Pentacon gearbeitet, ab 1973 leitete er dort sogar die Produktion. Als gelernter Feinmechaniker hatte er als junger Mann bei Ihagee einige Jahre selbst Kameras montiert, was ihm später bei seinem Ingenieursstudium und als Chef in der Pentacon-Produktion oft geholfen habe. Als Ihagee 1970 von Pentacon übernommen wird, erkennt man seine Qualitäten und macht ihn sogleich zum Betriebsleiter.

Sein handwerkliches Geschick stellt Dieter Burkhardt auch unter Beweis, als er damals eine Exakta Varex umbaut. Er greift zur zweiten Kamera auf dem Tisch vor sich. Das Model wurde vorwiegend für den Export in den Westen produziert, für den DDR-Bürger war es ein Luxusprodukt. In einem Sonderverkauf konnte Dieter Burkhardt dennoch eine ergattern.

"Wahrscheinlich hatte sie einen kleinen Schaden und wurde deshalb ausgemustert." Kurzerhand besorgt er sich einen Belichtungsmesser, baut ihn für die Exakta um und montiert ihn oben auf dem Gehäuse. "Plötzlich hatte ich eine West-Kamera." Bis heute ist sie für ihn ein ganz persönliches Erinnerungsstück an seine Pentacon-Zeit.

Diese Exakta Varex erweiterte Dieter Burkhardt um einen Belichtungsmesser, den er oben auf die Kamera montierte. Ein ganz persönliches Unikat.
Diese Exakta Varex erweiterte Dieter Burkhardt um einen Belichtungsmesser, den er oben auf die Kamera montierte. Ein ganz persönliches Unikat. © Sven Ellger

In der kommenden Woche laden die Technischen Sammlungen Dieter Burkhardt und seine ehemaligen Kollegen aus dem VEB Pentacon in das Café in den Ernemann-Turm ein. Dass dieser Einladung viele Dresdner folgen werden, ist sich Stefanie Düring-Schmidt, die sich bei den Technischen Sammlungen um solche Veranstaltungen kümmert, sicher. Denn bereits zur Premiere des Erzählcafés im Dezember vergangenen Jahres kamen fast 40 frühere Mitarbeiter des Kamerawerkes im Ernemann-Turm zusammen. Sie erzählten von ihren Aufgaben als Ingenieur, als Bandarbeiterin, in der Betriebsleitung, in der Automatendreherei oder im Büro.

Für einige sei es ein Wiedersehen nach vielen Jahren gewesen, andere sahen sich zum ersten Mal, berichtet Stefanie Düring-Schmidt. Und wieder andere konnten den Kontakt zueinander seit 1990 aufrechterhalten.

Kurz nach dem Fall der Mauer liquidierte die Treuhand den Betrieb. Bekanntgegeben wurde dies nur einen Tag vor der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Nicht jedem Mitarbeiter gelang es, einen neuen beruflichen Weg einzuschlagen. Auch von gebrochenen Biografien ist die Rede im Erzählcafé. Und dennoch sei zu spüren, wie sich die früheren Kollegen verbunden fühlen - miteinander und mit ihrem damaligen Betrieb.

Erinnerungsstücke aller Art gefragt

Immerhin gehörte die bei Pentacon produzierte Praktica zu den starken Ostmarken - ähnlich wie das Waschmittel Spee und die Filterzigarette F6. Das jähe Ende war für viele Mitarbeiter ein Schock. Doch die Produktion lief weiter, als der Betrieb später von der auf industrielle Foto- und Filmtechnik spezialisierten Schneider-Gruppe aus Rheinland-Pfalz als Tochterfirma übernommen wurde.

2001 wurden die letzten 100 Exemplare der Spiegelreflexkamera Praktica BX20s in Dresden hergestellt und verkauft. Die Kamera mit der Nummer 96 gehört zur Sammlung von Dieter Burkhardt, der sich damals um eines der 100 Auslaufmodelle bewarb - und den Zuschlag bekam. "Auch da hatte ich riesiges Glück."

Von diesen Bierkrügen mit dem Ernemann-Turm gibt es nur 30 Stück. Sie wurden für eine Sportgruppe des VEB Pentacon angefertigt.
Von diesen Bierkrügen mit dem Ernemann-Turm gibt es nur 30 Stück. Sie wurden für eine Sportgruppe des VEB Pentacon angefertigt. © Sven Ellger

Stefanie Düring-Schmidt wünscht sich, dass am 21. März möglichst viele Gäste mit einem eigenen Erinnerungsstück ins Erzählcafé kommen. "Schön wäre es natürlich, wenn nicht alle eine Kamera mitbringen." Briefe, Urkunden oder andere Dokumente aus jener Zeit, aber auch Werkzeuge oder ein Souvenir aus einer der Kulturgruppen oder Sportgemeinschaften - all das soll den Blick zurück in die Pentacon-Vergangenheit möglich machen. "Vielleicht hat ja auch jemand noch Schulungsmaterial für den versprochenen Neuanfang in der freien Marktwirtschaft."

Neben seinen Kameras hat auch Dieter Burkhardt noch ein ganz besonderes Erinnerungsstück aufbewahrt: einen Bierkrug mit dem Ernemann-Turm und den drei Buchstaben LKS - die Abkürzung für Leitkadersport. Eine Betriebsärztin hatte für die Herren in gehobenen Positionen eine Sportgruppe gegründet und ein spezielles Programm entwickelt, das sie wissenschaftlich begleitete und ihre Doktorarbeit dazu verfasste. "Zum Abschluss haben wir diese Krüge machen lassen, von denen es nur 30 Stück gibt", erinnert sich Dieter Burkhardt.

Das Pentacon-Erzählcafé findet am Dienstag, 21. März, von 15 Uhr bis 18 Uhr im Turmcafé der Technischen Sammlungen, Junghansstraße 1-3, statt. Der Eintritt und Kaffee sind kostenlos.Wer dabei sein will, sollte sich vorher telefonisch unter 0351 488 7272 oder per Mail an [email protected] anmelden.