Dresden
Merken

Das Dresdner Staatsprojekt Fernmeldeamt

Beim Dresdner Postplatz erinnert nur der Name an die einstige Bedeutung des Ortes für postalische Dienste. Als Ersatz für das im Krieg zerstörte Fernsprechamt startete vor 45 Jahren der Bau eines neuen Fernmeldeamtes.

Von Ralf Hübner
 4 Min.
Teilen
Folgen
Dominant über viele Jahre: Ende 1980 war der Bau des Dresdner Fernmeldeamtes fast fertig.
Dominant über viele Jahre: Ende 1980 war der Bau des Dresdner Fernmeldeamtes fast fertig. © Foto: SZ/Marion Gröning

Das merkwürdige Gebäude dominierte den Postplatz über viele Jahre: Vor 45 Jahren wurde am 18. April 1978 der Grundstein für ein neues Fernmeldeamt gelegt, 1981 war der Bau vollendet. Dort liefen einst alle Telefonstränge des Raumes Dresden zusammen. Mit dem neuen Fernmeldeamt sollte angeblich die „fernmeldemäßige Versorgung“ verbessert werden. Die Verbesserung werde sich vor allem im Selbstwählferndienst und im internationalen Verkehr auswirken, hieß es damals vollmundig. Die Aussichten auf einen eigenen Telefonanschluss haben sich für die Dresdner in der Regel damit aber kaum verbessert.

Mit den drei traditionellen Hammerschlägen durch den damaligen stellvertretenden DDR-Minister für Post- und Fernmeldewesen Richard Serinek wurde der Grundstein für den ersten Bauabschnitt des neuen Fernmeldezentrums unmittelbar am Postplatz gelegt, berichtete die Sächsische Zeitung.

Mit diesem ersten Bauabschnitt werde der erste Teil eines attraktiven Fernmeldegebäudes im Zentrum der Stadt errichtet – „wie in den Beschlüssen des IX. Parteitages der SED und in der Fünfjahrplandirektive vorgesehen“, schrieb das Blatt. Umfangreiche Erschließungsarbeiten seien der Grundsteinlegung vorausgegangen. Die dichte Bebauung, die bis 1945 dort vorhanden gewesene war, habe sich für die Kollektive aus dem Verkehrs- und Tiefbaukombinat Dresden als erhebliches Hindernis erwiesen. Alte Grundmauern, Trümmerreste und Fundamente hätten zum Teil gesprengt werden müssen. Aus Sicherheitsgründen seien Reste des alten Mühlgrabens zerstört und aufgefüllt worden.

Mit den drei traditionellen Hammerschlägen durch den stellvertretenden Minister für Post- und Fernmeldewesen, Richard Serinek, wurde am 18.04.1978 der Grundstein für den Bau des neuen Fernmeldezentrums gelegt.
Mit den drei traditionellen Hammerschlägen durch den stellvertretenden Minister für Post- und Fernmeldewesen, Richard Serinek, wurde am 18.04.1978 der Grundstein für den Bau des neuen Fernmeldezentrums gelegt. © Foto: SZ/Gunter Hübner

Von Reisekutschen bis Fracht

Oberpostdirektion und Telegrafenamt hatten vor dem Krieg das Erscheinungsbild des Postplatzes geprägt. Einem 1832 an der Südseite des ehemaligen Wilsdruffer Thorplatzes im Stil der Renaissance errichteten Postgebäude verdankt der Platz seinen jetzigen Namen. Die Post – das waren schon damals nicht nur Briefe und Pakete –, das waren auch Reisekutschen, Passagiere, Gepäck und Fracht. Dresden war eine wichtige Station zum Umsteigen und deshalb musste gleich mehrfach angebaut und erweitert werden.

Später hielt die Telegrafentechnik Einzug. Der Platz wurde knapp. Ende des Jahrhunderts hatte die Zahl der Fernsprechteilnehmer sprunghaft zugenommen. Deshalb wurde 1893/94 das Kaiserliche Fernsprechamt und Telegrafenamt, wie sich das Gebäude am Postplatz nannte, aufgestockt und um zwei durchbrochene Ecktürme für die Isolatorenträger der Telegrafen- und Telefonleitungen erweitert.

Schon 1910 bis 1912 wurde erneut um- und angebaut. Von 1901 bis 1906 waren die letzten typischen Postdienste wie die Paketannahme in ein Gebäude auf der anderen Straßenseite der Marienstraße umgezogen, dem späteren Postamt 1.Die Gebäude brannten in den Kriegsjahren 1944/45 aus. Die übrig gebliebenen Gebäudeteile des Fernsprechamtes wurden gesprengt und abgebrochen.

Die noch vorhandenen Kabelkeller blieben jedoch aus betrieblichen Gründen zunächst erhalten. Mit den Sprengungen waren die Reste des ältesten sächsischen Postgebäudes aus dem 19. Jahrhundert verloren gegangen. Weil jedoch nun die Kabelkeller nicht mehr vor Regenwasser geschützt waren, wurde die Stelle mit einer Steinbaracke überbaut.

Planungen sahen zunächst am alten Standort, der Südseite des Postplatzes, einen geradezu gigantischen Neubau für ein Fernmeldeamt und das neue Hauptpostamt 1 vor, der sich bis zur Freiberger Straße erstrecken sollte. Doch wegen fehlender Geldmittel verzögerte sich der Bau immer wieder.

Das neue Fernmeldeamt galt als Staatsprojekt. Der Entwurf für den sechsstöckigen Betonbau mit einer Nutzfläche von 12.600 Quadratmetern stammte von dem Architekten Wolfram Starke. Der Neubau wurde im damals hochmodernen Deckenhubverfahren errichtet. Dabei stellten die Bauleute Stahlbetonplatten am Boden her. Nur einige Stützen ragten in die Höhe. Mit Hilfe von Hydraulikpressen wurden dann die Platten nach oben in die vorgesehene Position gehievt. Die Balkonbrüstungen waren mit Sandstein verkleidet.

In dem fertigen Fernmeldezentrum arbeiteten rund um die Uhr etwa 150 Mitarbeiter. Im ersten Stock war die Ortsvermittlungsstelle, eine Etage darüber die Zentrale für das abgeschirmte Netz der Nationalen Volksarmee, an das auch die Räte der Kreise und des Bezirkes sowie weitere wichtige Behörden angeschlossen waren. Die Übertragungsstelle mit 60 Mitarbeitern war im dritten, die Hauptvermittlungsstelle im vierten Stock untergebracht. In der obersten Etage befand sich das Fernamt, in dem Gespräche von Hand vermittelt wurden.

Eigentlich sollte das Gebäude nur der erste von sechs Bauabschnitten sein. Es blieb jedoch beim ersten Abschnitt. Nach 1990 nutzte die Telekom das Fernmeldeamt, errichtete jedoch 1994 auf dem Nachbargrundstück einen Neubau.Ab Ende der 1990er-Jahre stand das Haus leer. Es wurde an eine Immobilienfirma verkauft und von an 2016 bis 2018 abgerissen.