Flughafen Dresden: Wo man eine Stecknadel zu Boden fallen hört

Dresden. Dieses monströse Geräusch ist nicht zu überhören. Nicht in der Ankunftsebene des Flughafens, auch nicht in der Abflugebene darüber, der noch höher gelegenen Konferenzetage oder auf der Aussichtsplattform. Weder die Stimmen von Fluggästen übertönen es, noch Kofferrollen. Nur die Rolltreppen sind etwas lauter, aber die laufen nur selten an diesem Vormittag. Überall ist zu hören, wie eine Stecknadel auf den Boden fällt. Ein monströs leises Geräusch, aber lauter als alle anderen.
Mehr Mitarbeiter als Fluggäste
"Bissel zu ruhig", findet Peter Jargosch. Er ist einer der wenigen Fluggäste, die gerade eingecheckt haben. Über München geht es nach Florenz, dort macht der Dresdner mit seiner Frau Frühlingsurlaub. Zweimal im Jahr fliegt das Ehepaar ab Dresden, einmal im Frühjahr und einmal im Herbst.
"Wir legen großen Wert darauf, ab Dresden fliegen zu können", sagt Jargosch und schiebt seinen kleinen Koffer in Richtung Sicherheitskontrolle. "Es ist schade, dass so wenig Menschen hier sind", stellt er fest. Jargosch und seine Frau sind gemeinsam mit allen anderen Fluggästen in der Unterzahl an diesem Donnerstagvormittag auf der Abflugebene.
Der Donnerstag ist natürlich kein klassischer Abreisetag für Urlauber. Dennoch: An diesem Vormittag übertreffen allein die Bundespolizei und das Flughafenpersonal die Zahl der Reisenden. Rechnet man noch die Mitarbeiter in den fünf Reisebüros dazu, bevölkern eine Stunde vor dem Start der Lufthansa-Maschine nach München mindestens doppelt so viele Mitarbeiter wie Reisende die Etage mit den Check-in-Schaltern.

Optimistische Prognose
Dabei geht es aufwärts in Klotzsche. Das sagt zumindest Uwe Schuhart. Er ist Sprecher der Mitteldeutschen Flughafen AG, zu der die Airports in Leipzig und Dresden gehören. Von Amts wegen hat er natürlich ein Interesse daran, dass es läuft in den Terminals. "Für 2022 gehen wir von einer weiteren Erholung im Passagierverkehr aus", sagt Schuhart, Fluggesellschaften und Reiseveranstalter registrierten eine "stark steigende Nachfrage".
Passagierzahlen nennt Schuhart nicht. Die stehen dafür in den Monatsberichten der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV). Der aktuell jüngste Bericht stammt vom Februar. 20.003 Passagiere sind dort in Dresden verzeichnet - Ankunft und Abflug zusammen. 28 Flughäfen stehen in der Statistik. Klar an der Spitze ist Frankfurt am Main mit mehr als 2,1 Millionen Fluggästen im Februar, Schlusslicht ist Lübeck mit knapp 1.200. Leipzig steht mit knapp 37.000 Passagieren in der Liste, Dresden gehört zu den Airports mit besonders wenig Zuspruch.
Rund 385.700 und 331.400 Fluggäste nutzten das helle Terminal in Klotzsche in den zwei Corona-Jahren 2020 und 2021. "Der Passagierverkehr unterlag nicht nur am Flughafen Dresden, sondern branchenweit infolge weltweiter Reisebeschränkungen und Quarantäneregelungen starken Einschränkungen", erklärt Schuhart.
Zum Vergleich: Die meisten Passagiere starteten oder landeten bisher 2011 in Klotzsche. Damals waren es fast zwei Millionen. Immer noch deutlich weniger, als die Kapazität des Terminals möglich macht. Es ist für bis zu 3,5 Millionen Fluggäste pro Jahr konzipiert.
Ruhe vor der Sicherheitskontrolle
Dresden ohne Flughafen kann sich Peter Jargosch nicht vorstellen. "Nee, das wäre blöd", stellt er fest und ist sich dabei mit Margita Wax einig. Ihr wird er später in der Maschine nach München begegnen, auch die Rentnerin aus Hochkirch nahe Bautzen fliegt an diesem Donnerstag nach Florenz. "Das wäre schlecht für die Landeshauptstadt", ist die Rentnerin überzeugt, jede müsse einen Flughafen haben. "Jedenfalls Dresden!"
Der Flughafen nahe der A4 ist ein Airport der kurzen Wege. Minuten genügen für die Strecke vom Parkplatz oder dem S-Bahnhof bis in den Abflugbereich. An diesem Donnerstag ist sogar die Sicherheitskontrolle fix erledigt. Dort steht eine Passagierin, deren Laptoptasche zeigt, dass sie beruflich in Dresden war. Ihren Namen will sie nicht nennen, beantwortet aber freundlich alle Fragen.
"Es ist niemand hier, ich bin überrascht", stellt sie fest, während sie ihr Flugticket aus der Handtasche holt. Sie war das erste Mal in Dresden und fliegt nach Brüssel. Von dort kenne sie lange Schlangen und Gedränge, in Dresden sei es "calm". Das ist das englische Wort für ruhig. Kein Kompliment für die Flughafenmanager, für die Passagierzahlen und Flugbewegungen die entscheidenden Größen sind.

Zwei Flugziele fehlen, eins ist neu
Vor Corona registrierten die Verantwortlichen in Klotzsche mehr als 28.500 Flugbewegungen. Das war 2019. Im Jahr 2021 waren es nur noch etwa halb so viele, reichlich 14.400 gibt Schuhart an. Doch 2022 soll wieder mehr Leben im Terminal sein. "Im Linienverkehr werden ab Dresden alle Ziele wieder angeboten", so Schuhart. Nur Basel und Moskau fehlen. Neu ist dafür im Sommer London.
Und noch eine Zahl, die Ausdruck für Erfolg oder Misserfolg ist: 169 Starts waren in einer Sommerwoche 2019 normal, in diesem Sommer werden es 143 sein.
Dass aktuell nicht viel los ist in Klotzsche, zeigen unter anderem die drei Ankunftstafeln im Erdgeschoss des Terminals. Alle ankommenden Flieger bis zum Abend des Folgetages haben dort Platz. Auch die Zahl der Abholer bleibt damit überschaubar. Sie finden ohnehin keinen sonderlich einladenden Bereich des Terminals vor.
Dort, wo früher ein Café war, stehen zwei Automaten der Firma Klüh Catering. "Coffee beef + carrots" verspricht ein Werbeplakat der Firma hinter den Automaten. Kaffee ist tatsächlich zu haben, Fleisch und Karotten nicht. In dem schon recht leer geräumten Snack-Verkaufsgerät liegen noch ein paar Süßigkeiten, außerdem gibt es Wasser und Brause.
Viel besser ist auch nicht das Angebot im nahen Allerlei-Geschäft "Gate 14". Koffer kann man dort kaufen, auch Flugzeugmodelle wie das des A380, der gerade bei den meisten Airlines ausgemustert wird. Dazu Schokolade, Andenken, belegte Brötchen, Brot und Zigaretten. Blumen zur Begrüßung der ankommenden Fluggäste sind im Terminal schon lange nicht mehr zu haben und Zeitungen - zumindest im frei zugänglichen Bereich - auch nicht.