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"Kein Handlungsbedarf": Dresdner Ortschaften machen keine Vorschläge für Geflüchteten-Unterbringung

Über 2.200 geflüchtete Menschen muss Dresden in diesem Jahr unterbringen. Trotz Stadtratsbeschlusses entziehen sich einige Ortschaften der Verantwortung, Platz für Unterkünfte anzubieten.

Von Julia Vollmer
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In den Containern für Geflüchtete in Sporbitz leben seit April Menschen aus Syrien. Mit weiteren Containern, insbesondere an den Stadträndern, tun sich die Dresdner Ortschaften schwer.
In den Containern für Geflüchtete in Sporbitz leben seit April Menschen aus Syrien. Mit weiteren Containern, insbesondere an den Stadträndern, tun sich die Dresdner Ortschaften schwer. © Sven Ellger

Dresden. Die Menschen fliehen vor dem Krieg und vor Verfolgung in ihren Heimatländern - von Syrien und Afghanistan bis nach Venezuela. In diesem Jahr erwartet Dresden rund 2.200 Geflüchtete. Da die Plätze in Wohnungen und Heimen bis spätestens im Sommer alle belegt sein werden, sucht die Stadt weitere Container-Standorte. Trotz Aufforderung haben die Ortschaften aber bis heute keine Vorschläge zu geeigneten Immobilien gemacht.

Warum sind die Ortschaften aufgefordert worden, Vorschläge zu unterbreiten?

Über die Vorschläge aus dem Dresdner Rathaus für mögliche Container-Standorte war in den betroffenen Stadtbezirken und Ortschaften lange und zum Teil unsachlich und rassistisch debattiert worden.

Kurz vor der Mai-Sitzung des Stadtrates, bei dem die Vorschläge beschlossen werden sollten, nahm Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) von sich aus die Standorte Rudolf-Bergander-Ring in Strehlen, Forststraße in Weißig sowie Pirnaer Landstraße in Leuben aus dem Rennen. "Sie werden nicht weiterverfolgt", hieß es. Die anderen sechs Vorschläge wurden vom Stadtrat bestätigt.

Zur Kompensation der weggefallene Standorte sollten die Ortschaften Vorschläge machen. Das verfügte OB Hilbert und setzte eine Frist bis Ende Mai.

Liegen inzwischen Vorschläge vor?

Die Frist ist verstrichen. Nicht nur am 1. Juni lagen im Rathaus noch keine Vorschläge vor, auch jetzt - zehn Tage später - ist noch nichts eingegangen. "Auf Wunsch der Ortsvorsteher findet dazu Mitte Juni ein Termin beim Oberbürgermeister statt", teilt die Stadtverwaltung auf Nachfrage mit. Wann genau, bleibt offen. Bei diesem Termin wolle Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) die aktuelle Unterbringungssituation den Ortsvorstehern erklären und die Anforderungen an die gesuchten Objekte und Grundstücke beschreiben.

In Vorbereitung des Termins wurde den Ortsvorsteherinnen und Ortsvorstehern zwar die Möglichkeit gegeben, schon Vorschläge bis zum 5. Juni zu machen, die dann bis zum Termin mit dem Oberbürgermeister vorab geprüft werden sollten. Aber gekommen ist offenbar nichts. "Da es in dem Termin mit dem Oberbürgermeister darum geht, die Voraussetzungen der Standorte zu besprechen, wird davon ausgegangen, dass die möglichen Objekte und Grundstücke im Anschluss benannt und dann von der Verwaltung geprüft werden", so das Rathaus weiter.

Die neun Ortschaften Altfranken, Gompitz, Cossebaude, Oberwartha, Langebrück, Schönborn, Mobschatz, Schönfeld-Weißig und Weixdorf werden alle eigenständig verwaltet werden und haben mit den Ortschaftsräten selbst Gremien mit gewählten Vertretern.

Welchen Standpunkt haben die Ortsvorsteher vor dem Termin?

Manuela Streiter, die stellvertretende Ortvorsteherin von Schönfeld-Weißig, schreibt im aktuellen Hochlandkurier an die Einwohner, dass es von ihrer Seite keine Standort-Vorschläge gebe. Sie verweist auf das Übergangswohnheim im Pappritz in der Ortschaft. "Damit erfüllt die Ortschaft ihre Pflicht und es besteht kein Handlungsbedarf."

In Langebrück ist Christian Hartmann Ortsvorsteher, der auch CDU-Fraktionschef im Landtag ist. Er sagte vergangene Woche gegenüber Saechsische.de, der Beschluss sei ja erst am 11. Mai von Stadtrat getroffen worden. "Nur weil der Stadtrat etwas beschließt, ohne die Ortschaften zu beteiligen, geht es nicht schneller."

Welche Optionen gibt es noch?

Christian Schäfer-Hock, der Geschäftsführer des Ausländerrates Dresden, sagt. "Mich überrascht es nicht, dass aus den Ortschaften keine Vorschläge für Mobile Raumeinheiten vorliegen." Er habe einen Vorschlag.

Aus seiner Sicht brauche man in Dresden neben Containern und Hotels eine Unterbringungspauschale - für Dresdner, die Geflüchtete aus Syrien oder afrikanischen Ländern bei sich privat aufnehmen können und auch wollen. So etwas gab es bisher nur für Geflüchtete aus der Ukraine. "Damit wäre für die Dresdner ein Anreiz geschaffen, auch Geflüchtete aus diesen Ländern bei sich zu Hause unterzubringen. Das hat schon einmal gut funktioniert."

Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) hatte auch Dresdner Hoteliers mit der Bitte nach Unterstützung angesprochen. Aktuell werden in sieben Hotels asylsuchende Menschen untergebracht. In diesen Hotels stehen insgesamt 432 Plätze zur Verfügung. Gesucht werde weiter, so die Stadt.

Die Stadt hat auch sechs Flächen und drei Objekte von Privaten angeboten bekommen. Die Prüfungen seien aber noch am Anfang. Inhalte oder Verhandlungsstände will das Rathaus nicht mitteilen.

Wie hoch sind die Kosten für die Unterbringung?

Diese Woche hatte der OB eine Haushaltssperre verhängt, auch mit dem Verweis auf die gestiegenen Kosten im Bereich Asyl.

Die Kosten für Unterbringung und Betreuung belaufen sich 2023 bisher auf 21,2 Millionen Euro, davon entfallen 19,2 auf die Unterbringung und zwei Millionen auf die Migrationssozialarbeit, so die Stadt. Für die Unterbringung und Betreuung rechnet das Rathaus für 2023 aktuell mit Gesamtausgaben in Höhe von 67,7 Mio. Euro. 2018 waren es etwa rund 23 Millionen Euro für die Unterbringung. Damals kamen im Vergleich zu 2015 und 2022 sehr wenige geflüchtete Menschen, die Hilfe brauchten.

In diesem Jahr sind der Stadt bisher 834 Personen zugewiesen worden, darunter 192 Flüchtlinge aus der Ukraine. 2022 hatte Dresden mehr als 7.000 Menschen allein aus der Ukraine aufgenommen.