Dresden. Nur noch zehn Tage Schule, dann beginnt für die Dresdner Schülerinnen und Schüler die schönste Zeit im Jahr: sechs Wochen Sommerferien. Doch nicht allen Dresdner Kindern ist es derzeit vergönnt, überhaupt die Schule besuchen zu dürfen. Dutzende geflüchtete Kinder aus der Ukraine und klassischen Herkunftsländern wie Syrien und Afghanistan haben bislang keinen Platz in Klassenzimmern gefunden.
Mit Stand von von Mitte Juni lernen rund 1.300 ukrainische Schülerinnen und Schüler an Dresdner Schulen. Dagegen wurden 34 Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Gründen wie etwa Kapazitätsengpässen oder Umzug innerhalb Sachsens noch kein Schulplatz zugewiesen, räumt Petra Nikolov, Sprecherin des Landesamtes für Bildung (Lasub), ein. Eine Zuweisung soll in den nächsten Wochen zu Beginn des neuen Schuljahres passieren.
Weitere 60 Kinder aus anderen Ländern dürfen nicht zur Schule gehen
Auch rund 60 geflüchtete Kinder aus anderen Ländern wie Syrien und Afghanistan dürfen zurzeit keine Schule besuchen. Laut Lasub gibt es "räumliche und personelle Kapazitätsengpässe". Auch hier soll es eine Zuweisung in den nächsten Wochen zu Beginn des neuen Schuljahres geben. Nach Sächsische.de-Informationen gehen einige dieser Kinder seit Monaten nicht in die Schule, weil sie keinen Platz haben. Warum die Behörden nicht in der Lage sind, das Thema noch in diesem Schuljahr zu lösen, lässt das Lasub offen.
Achim Horeni, Vorsitzender des Dresdner Kreiselternrats, zeigt sich wütend über diese Situation. "Schulpflichtige Kinder und Jugendliche, die in unserer Stadt leben, müssen ihre Schulpflicht erfüllen können. Schule ist der erste und einzige Ort, wo Integration für Schülerinnen und Schüler gelingen kann, deren Muttersprache nicht Deutsch ist", sagt er. Dazu brauche es genügend Ressourcen - und einen klaren Blick auf die aufnehmende Schule.
Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat betont: "Besonders kritisch ist die Situation für geflüchtete Kinder, die bereits seit Monaten ohne Beschulung leben. Denn mehrere Studien belegen, dass längere Zeiträume der Unterbrechung der Schulbildung den Wiedereinstieg erschweren." Im schlimmsten Fall würden diese Kinder schlechtere Schulabschlüsse erreichen, weil ihr Bildungsweg schlichtweg zu lange unterbrochen war.
Linken-Stadträtin Pia Barkow fordert die Behörden zum Handeln auf. "Wir suchen einerseits händeringend nach Fachkräften, lassen aber andererseits Kinder, die hier leben, nicht an der Bildung teilhaben. Das ist doch ein totaler Widerspruch."
Dresden habe viel zu lange auf "falsche Wirtschaftlichkeitsbehauptungen gesetzt, Schulkapazitäten knapp gehalten, Straßen statt Schulen saniert", sagt auch SPD-Stadträtin Dana Frohwieser. "Wir brauchen Schulkapazitäten, die nicht Spitz auf Knopf rechnen." Dresdens Schulen seien weit weg von der im Gesetz stehenden Mindestschülerzahl von 20. Wenn die Planungsgröße immer die Obergrenze von 28 Schülerinnen und Schülern ist, könne es nicht funktionieren. "Wenn wir in den Dresdner Klassenzimmern nicht mehr atmen können, betrifft das nicht nur geflüchtete Kinder."
Unklare Zukunft für Schulsozialarbeiter an Schulen mit Migranten-Kindern
Das ist aktuell noch komplett unklar. Erst im Juli steht die Vorlage zur Schulsozialarbeit auf der Tagesordnung im Jugendhilfeausschuss. Zwei Tage vor der Zeugnisausgabe und damit kurz vor Beginn der Sommerpause im Stadtrat. Für 2023/24 stehen in Dresden dafür jeweils 500.000 Euro, teils aus Landesmitteln, zusätzlich zur Verfügung, die an weiteren Schulen Schulsozialarbeit ermöglichen könnten.
Die Schulsozialarbeit vom Ausländerrat für ukrainische Kinder läuft bereits Ende dieses Schuljahres aus. Dabei ist der Bedarf bei über 1.000 Schülern aus dem Land hoch und auch alle anderen geflüchteten Kinder brauchen dringend diese Unterstützung. Fragt man die Stadt, ob und wo es im kommenden Schuljahr Schulsozialarbeit für geflüchtete Kinder geben wird, heißt es: "Durch die rechtliche Verankerung wird deutlich, dass Schulsozialarbeit nicht nur einzelnen Schülergruppen oder für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche zur Verfügung steht, sondern für die gesamte Schülerschaft. Somit wird es nach derzeitigem Stand keine gesonderte Förderung ab August geben."
Grünen-Stadträtin Tina Siebeneicher fordert: "Es muss eine Lösung für Schulen mit vielen geflüchteten Kindern gefunden werden. Die zusätzlichen Mittel für Schulen mit ukrainischen Kindern waren auf dieses Schuljahr begrenzt, die Schulen wissen bis heute nicht, ob sie dafür weiterhin Mittel bekommen." Für die Fachkräfte und Kinder bedeute das im Zweifel Beziehungsabbrüche, wenn Schulsozialarbeit eingestellt werden muss.
Der Ausländerrat beobachtet mit Sorge die Situation in den Schulen. "Wir nehmen verstärkt wahr, dass die Schulen in Dresden mit den Herausforderungen im Kontext Migration allein gelassen werden: Kinderschutz, Überforderungen, Gewalt, Traumata, Jugendkriminalität und Unterrichtsausfall", sagt Geschäftsführerin Olga Sperling. Um das zu bewältigen, benötigten die Schulen dringend Schulsozialarbeitende.
Laut Planung der Stadt werde es aber, sagt sie, an den Schulen, an denen der Ausländerrat aktiv ist, im kommenden Schuljahr weniger Schulsozialarbeit geben als in dem aktuell laufenden Schuljahr. "Bleibt das so, werden sich die Probleme an den Schulen weiter verschärfen und die bis jetzt aufgebauten Beziehungen abgebrochen", so Sperling.