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Die erste Bahn-Etappe von Dresden nach Leipzig

Die Verbindung von Dresden nach Leipzig ist nicht nur die älteste deutsche Fernverbindung der Bahn. Mit ihr brach damals auch das Industriezeitalter in Deutschland an.

Von Ralf Hübner
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Willkommen Industriezeitalter! Eisenbahnausstellung am 19. August 1989 am Bahnhof Radebeul-Ost: Besucher besichtigen die nachgebaute „Saxonia“
Willkommen Industriezeitalter! Eisenbahnausstellung am 19. August 1989 am Bahnhof Radebeul-Ost: Besucher besichtigen die nachgebaute „Saxonia“ © SAE Sächsische Zeitung

Dresden. Die Zugverbindung hat bis heute nichts an Bedeutung eingebüßt. Bis Ende 2026 soll die 117 Kilometer lange Strecke deshalb für eine Zuggeschwindigkeit von bis zu 200 Kilometer je Stunde ausgebaut werden. Die Anfänge jedoch liegen weit zurück: Vor 185 Jahren rollten am 19. Juli 1838 auf der Dresdner Seite der Trasse auf gut acht Kilometern die ersten Züge bis Weintraube bei Kötzschenbroda.

Abfahrt in Dresden war an der Leipziger Straße in der Neustadt, wo ein Bahnhofsbau mit zwei großen Gebäuden entstanden war. Am 1. März 1836 hatte bei Machern mit dem ersten Spatenstich der Bau begonnen und schon am 24. April 1837 war auf der Leipziger Seite der erste, 10,6 Kilometer lange Abschnitt zwischen Leipzig und Althen mit zwei Lokomotiven und acht Wagen in Betrieb gegangen.

"Über ein sächsisches Eisenbahn-System"

Zuvor war im Dezember 1835 auf einer sechs Kilometer langen Strecke zwischen Nürnberg und Fürth das erste Mal eine Eisenbahn in Deutschland gefahren. Bestrebungen für eine solche hatte es auch in der Messestadt gegeben. Dann hatte der Schwabe und Nationalökonom Friedrich List die Initiative ergriffen. Er stammte aus Reutlingen in Württemberg und war 1817 mit 28 Jahren in Tübingen zum Professor ernannt worden. Das bewahrte ihn jedoch nicht vor der Festungshaft, die gegen ihn verhängt wurde, nachdem er als Landtagsabgeordneter Kritik am Königshaus und den politischen Verhältnissen geübt hatte. Deshalb war er 1825 zunächst in die USA emigriert. 1834 kehrte er schließlich zurück und ließ sich als amerikanischer Konsul in Leipzig nieder. Seine Denkschrift "Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahn-Systems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden" fand vor allem bei den Leipziger Großkaufleuten Gehör.

In Dresden wurde das Vorhaben mit dem damaligen Innenminister Hans Georg von Carlowitz bei einer Konferenz besprochen. Er befürwortete das Projekt, und schon am 3. April 1834 wurde unter Vorsitz des Kaufmanns Gustav Harkort von zwölf Leipziger Bürgern das "Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Comité" gegründet. List koordinierte das weitere Vorgehen, fühlte sich vom Comité allerdings oft übergangen und zurückgesetzt.

Zudem gab es Widerstand: Einige Kaufleute favorisierten eine Verbindung nach Magdeburg. Mediziner warnten vor den gesundheitlichen Folgen des Bahnfahrens, Handwerker und Gewerbetreibende fürchteten mehr Konkurrenz. Die Aktien der Gesellschaft waren allerdings bei der Ostermesse 1835 innerhalb weniger Stunden vollständig gezeichnet.

Vier Stunden für den Eröffnungszug

Bei der Wahl der Trasse machte sich der noch unbekannte Wasserbaudirektor Carl Theodor Kunz einen Namen, der später als Oberingenieur die Bauarbeiten leiten sollte. Ursprünglich standen drei Streckenführungen zur Debatte. Kunz nahm parallel zum Königlichen-Vermessungsamt eigene Messungen vor. Nach Beratungen mit englischen Experten wurde sein Vorschlag angenommen und wegen des flachen Geländes der Verlauf über Riesa gewählt.

Am 1. April 1839 meldete Kunz der Eisenbahn-Compagnie, dass der letzte Abschnitt von Riesa nach Oberau fertig sei, und am 7. April wurde die Eröffnung der Strecke mit Kanonensalut gefeiert. Jetzt konnten erstmals Menschen und Güter in größerer Menge in relativ kurzer Zeit über längere Distanzen befördert werden. Der offizielle Eröffnungszug war damals von Leipzig aus rund vier Stunden unterwegs.

Die 16 Wagen wurden von zwei in England gebauten Lokomotiven gezogen, denn die Chefs der Eisenbahn-Compagnie hatten noch wenig Vertrauen in deutsche Ingenieure. Die von Johann Andreas Schubert im "Dresdner Aktien-Maschinenbau-Verein" in Übigau gebaute, erste betriebsfähige deutsche und eigens für diese Strecke konstruierte Dampflokomotive "Saxonia" durfte nur hinterherfahren. Entlang der Strecke herrschte Volksfeststimmung. Zwei Tage später, am 9. April, wurde offiziell der Personen- und Güterverkehr aufgenommen.

Ab Oktober 1840 war die Strecke durchgängig zweigleisig befahrbar.Der Bahnhof am Dresdner Ende der Strecke erwies sich rasch als zu klein und so wurde er zwischen 1857 und 1869 durch einen Neubau zwischen Leipziger und Großenhainer Straße ersetzt. Nachdem 1901 der Neustädter Bahnhof in Betrieb gegangen war, wurde dort nur noch Eilgut abgefertigt. Bei der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg ging schließlich ein Teil der Gebäude des ehemaligen Leipziger Bahnhofs verloren.

Für List hat sich der Bau der Leipzig-Dresdner Eisenbahn indes nicht ausgezahlt. Vergeblich hatte er auf eine leitende Anstellung bei der Eisenbahn-Compagnie und damit auf materielle Sicherheit gehofft. Er ging nach Paris, kehrt 1840 nach Deutschland zurück, arbeitet als Journalist und hielt Vorträge. 1846 nahm er sich das Leben. In Dresden trägt die Fakultät Verkehrswissenschaften an der Technischen Universität Dresden seinen Namen.