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Grundeinkommen: Dresdner Studentin bekommt 1.000 Euro pro Monat geschenkt

Jasmin Eisenberger lebt den Traum vom Bedingungslosen Grundeinkommen. Ein Jahr lang nimmt sie an einem großangelegten Experiment teil. Warum das aber nicht immer angenehm ist.

Von Christoph Pengel
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Jasmin Eisenberger wohnt mit ihrem Hund Lenny in Pieschen. Seit Juni 2021 bekommt sie ein Bedingungsloses Grundeinkommen.
Jasmin Eisenberger wohnt mit ihrem Hund Lenny in Pieschen. Seit Juni 2021 bekommt sie ein Bedingungsloses Grundeinkommen. © René Meinig

Dresden. Wie viel Taschengeld sie damals bekommen hat? Das weiß sie nicht mehr so genau. Als Jasmin Eisenberger 15 Jahre alt war, hatte sie jedenfalls genug, um sich den Bus von Dippoldiswalde nach Dresden zu leisten. So konnte sie am Wochenende ihre Freunde besuchen. Sieben Euro kosteten Hin- und Rückfahrt. Sieben Euro, die Jasmin Eisenberger ein bisschen mehr Glück und Freiheit verschafften.

Heute wohnt Jasmin Eisenberger nicht mehr in Dippoldiswalde. Die 27-Jähirge lebt, arbeitet und studiert in Dresden. Und ihr Taschengeld, wenn man das so nennen darf, hat sich spektakulär erhöht. Seit Juni 2021 erhält sie 1.000 Euro pro Monat. Ein Jahr lang. Ohne Gegenleistung. Geschenkt. Das Geld kommt aber nicht von ihren Eltern, Jasmin Eisenberger nimmt an einem großangelegten Experiment teil, mit dem das Bedingungslose Grundeinkommen erforscht werden soll.

55 Pioniere in Sachsen, davon 16 in Dresden

Über das Grundeinkommen wird seit Jahren diskutiert. Es würde bedeuten, dass der Staat allen Bürgern - unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Lage - einen festen finanziellen Zuschuss gewährt. Die einen sehen darin ein Mittel, um Arbeitnehmer vor Ausbeutung und schlecht bezahlten Jobs zu schützen. Die anderen halten das Grundeinkommen für eine Hippie-Idee, die zu Faulheit verleiten und den Bundeshaushalt hoffnungslos überlasten würde.

Letztlich ist das alles Theorie. Um das Grundeinkommen in der Praxis zu erproben, wurde die Organisation "Mein Grundeinkommen" gegründet. Per Crowdfunding sammelt der Verein Spenden. Immer wenn 12.000 Euro zusammenkommen, wird ein Grundeinkommen verlost. Jeder kann sich darum bewerben. In Deutschland sind so bereits über 1.000 Grundeinkommen zustande gekommen. In Sachsen gab es laut einer Sprecherin bislang 55 Gewinner, darunter 16 in Dresden.

Zu ihnen gehört Jasmin Eisenberger. Als sie die Nachricht erhielt, ging ein Zittern durch ihren Körper, sie hyperventilierte. "Es war einfach superunwirklich", sagt sie. Sofort rief sie ihre Eltern an, die sie damals noch finanziell unterstützen. Mit dem Grundeinkommen war das plötzlich nicht mehr nötig. "Es hat sich total viel verändert."

Pures Glück? Nicht ganz

Über den Umzug nach Dresden hatte Jasmin Eisenberger schon vorher nachgedacht. Aber das 1.000-Euro-Polster machte ihr die Entscheidung leichter. Seit dem vergangenen November wohnt sie zusammen mit ihrem Hund Lenny in einer 38-Quadratmeter-Wohnung in Pieschen. 400 Euro zahlt sie dafür, eine Warmmiete, die sich nicht jede 27-Jährige leisten kann.

Da sie neben ihrem Master-Studium für Soziale Arbeit in einer Jugendberatungsstelle jobbt, kommt sie mit dem Grundeinkommen auf monatlich 1.870 Euro. "Es ist ein schönes Gefühl, unabhängig zu sein", sagt Eisenberger.

Die vergangenen Monate waren wie ein Traum. Sie konnte ihren Freund ins Restaurant einladen. Sie konnte regelmäßig Bio-Gemüse kaufen. Sie konnte nach London reisen.

Pures Glück also? Nicht ganz. Jasmin Eisenberger musste feststellen, dass das Grundeinkommen auch seine Schattenseiten hat. Schuldgefühle plagten sie. Warum sollte ausgerechnet sie, die nie schlecht situiert war, Geld geschenkt bekommen, während andere Menschen Not litten? "Ich habe voll viel gespendet, weil ich es sonst nicht ertragen hätte", erzählt Eisenberger.

Doch nicht nur ihre eigenen Gefühle stellten sie vor Probleme. In ihrem Umfeld spürte sie hin und wieder Neid. Nicht ausdrücklich, aber unterschwellig, hätten ihr einige Mitmenschen zu verstehen gegeben, dass das Geld bei ihnen besser aufgehoben wäre.

Wissenschaftler werten das Experiment aus

Um die sozialen Folgen des Experiments genauer zu verstehen, arbeitet "Mein Grundeinkommen" mit Wissenschaftlern vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zusammen. Die Untersuchung dauert bis Ende 2024. Bis dahin wollen die Forscher Daten sammeln, damit die Debatte ums Grundeinkommen, die oft von Meinungen und Vorurteilen geprägt ist, aufgrund von Fakten geführt werden kann.

Auch Jasmin Eisenberger werden Fragebögen geschickt, die sie aber nicht ausfüllen muss. Alles freiwillig. "Aber wie könnte man da nicht mitmachen?", sagt sie. Für die Studentin ist das Projekt nicht irgendein Gewinnspiel, bei dem sie zufällig den Jackpot geknackt hat. Sie sieht auch die politische Bedeutung. Und sie ist Mitglied bei den Linken, die sich für das Grundeinkommen einsetzen. Eisenberger glaubt, dass ein Sozialsystem mit Grundeinkommen ein gerechteres System wäre.

Noch bis Juni werden ihr monatlich 1.000 Euro überwiesen. "Jetzt krieg ich langsam Panik", sagt sie. "Da hast du ein Jahr erlebt, wie schön das ist, und dann hört das plötzlich auf. Grausam." Zuletzt hat Eisenberger mehrere Abos gekündigt, statt Bio- wird sie in Zukunft wieder mehr konventionelles Gemüse essen.

Aber wer weiß, vielleicht bekommt sie ja irgendwann noch einmal das Grundeinkommen. Versuchen will sie es auf jeden Fall. Der Verein "Mein Grundeinkommen" wird übrigens Ende Mai eine Live-Verlosung in Dresden veranstalten. Noch steht der genaue Termin nicht fest.

Fest steht: Die Ausbildung von Jasmin Eisenberger wird noch Jahre dauern und viel Geld verschlingen. Nach dem Master will sie Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche werden. An diesem Traum hält sie fest. Mit oder ohne Grundeinkommen. Bedingungslos.

www.mein-grundeinkommen.de/