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Handwerker in Not – Proteste auf Dresdner Neumarkt

Am Freitag folgen Tausende Männer und Frauen einer Demo der Bautzner Dachdeckerinnung. Wohlstand und sozialer Frieden sei in höchster Gefahr, sagen sie. Sie haben Sorgen, Nöte und Forderungen.

Von Alexander Schneider
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"Zutiefst besorgt um die Zukunft": Handwerker-Protest auf dem Dresdner Neumarkt.
"Zutiefst besorgt um die Zukunft": Handwerker-Protest auf dem Dresdner Neumarkt. © Alexander Schneider SZ

Dresden. Eine eindrucksvollere Kulisse hätte sich die Bautzner Dachdeckerinnung für ihre erste Demo seit Jahren nicht wünschen können. Mehrere Tausend Menschen, die Veranstalter sprachen von mehr als 5.000, jubelten den Rednern vor der Frauenkirche auf dem Dresdner Neumarkt zu. Doch der Anlass ist ernst, das Handwerk in höchster Gefahr.

Schon vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine seien die Preise für Rohstoffe so hoch gewesen, dass man keine planbaren Angebote mehr habe machen können – und Kunden die Preise nicht mehr tragen konnten. Eine Dachlatte, sagt Dachdeckermeister Tino Krupper, der Versammlungsleiter, etwa, habe schon im Januar das Fünffache gekostet. Fünf Redner verschiedener Innungen beschrieben die Existenzangst, die sie angesichts der explodierenden Energiekosten umtreibt. Das Handwerk sei Stütze der Gesellschaft, sichere Arbeitsplätze, finanziere auch Kultur und Sport mit und sorge so für Wohlstand und sozialen Frieden.

Das alles stehe jetzt auf dem Spiel. Daher sei die Demo „ein Appell an die Vernunft“, so Dachdecker-Innungsobermeister Stefan Pietschmann. Der "wahnsinnige Preisanstieg" habe dazu geführt, dass Dächer nicht mehr finanzierbar seien. Deutschland habe bereits die höchsten Kraftstoffpreise und Steuern in Europa. Daher forderte er ein Absenken der hohen Lohn- und Einkommenssteuern, die Abschaffung der CO²-Steuer und die Inbetriebnahme aller Kraftwerke, um bezahlbare Energiepreise zu erreichen.

Friseurmeister Heiko Schneider appellierte an den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlagen: "Das tägliche Leben findet hier statt, vor Ort." Er mahnte, dass viele Kleinstunternehmer angesichts der Lage in die Schwarzarbeit, die Schattenwirtschaft abrutschen könnten.

Landesinnungsmeister des Bäckerhandwerks, Roland Ermer, mahnte, dass Existenzangst zu Hilflosigkeit führe - diese dürfe aber nicht zur Wut werden: "Wir müssen alles dagegen tun!" Dazu seien stabile Rahmenbedingungen wie verlässliche Rohstoff- und Energiepreise wichtig. Die Politiker leisteten derzeit nicht das, was sie könne. Er wisse, so Ermer, er habe "lebenslang Bernsdorf - und ich will es auch so".

Elektromeister Torsten Schölzel von der Elektrotechniker-Innung Bautzen nannte ein Beispiel zur aktuellen Lage aus seiner Branche: "Es gibt keine Wechselrichter und keine Wärmepumpen mehr - das glauben uns die Kunden aber nicht." Er habe in den vergangenen Monaten so viele Notstrom-Aggregate angeschlossen wie in den letzten 30 Jahren nicht. Von "Entbürokratisierung", worüber seit Jahren diskutiert werde, sei in seinem betrieb auch noch nichts angekommen. Die Menschen dürften nicht verunsichert werden, sondern sie brauchten Hoffnung und Sicherheit.

„Das Handwerk demonstriert nicht oft – aber wenn, dann ist es nötig“, sagte der letzte Redner, Präsident der Dresdner Handwerkskammer Jörg Dietrich. Er forderte, in der Krise sei die Nutzung aller Energieformen, auch Kohle- und Atomstrom notwendig, was nicht genug diskutiert werde. Die Politik müsse für stabile Rahmenbedingungen sorgen.

Mehrere Landespolitiker hörten sich die Reden an, die prominentesten waren Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) und CDU-Fraktionschef Christian Hartmann. Nach den reden zogen die tausenden Teilnehmer eine Runde um den Neumarkt.

Versammlungsleiter Krupper sagte, die Dachdecker hätten erst vor zwei, drei Wochen in der Bautzner Innung überlegt, eine Demonstration zu veranstalten. Ihnen sei wichtig gewesen, über Inhalte zu sprechen, um der Politik den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Die Resonanz auf dem Dresdner Neumarkt hat ihn überwältigt. Nicht ausgeschlossen, dass die Handwerker eine weitere Demo organisieren. Vielleicht holen sie dann auch den einen oder anderen Politiker auf die Bühne.