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Ist Dresden auf die vielen Geflüchteten vorbereitet, Frau Kaufmann?

Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) muss im SZ-Interview einräumen, dass Dresden "ohne ein Wunder" die Unterbringungspflicht nicht erfüllen kann. Die Stadt braucht dringend Heime und Wohnungen.

Von Julia Vollmer & Sandro Pohl-Rahrisch
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Dass Geflüchtete wieder in Turnhallen untergebracht werden, soll laut Dresdens Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) die letzte Option sein.
Dass Geflüchtete wieder in Turnhallen untergebracht werden, soll laut Dresdens Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) die letzte Option sein. © Sven Ellger

Dresden. Seit Wochen fliehen wieder vermehrt Menschen aus Syrien und Afghanistan vor dem Krieg und Verfolgung - auch nach Dresden. Doch die Stadt kommt bei Wohnungen und Heimen an ihre Kapazitätsgrenzen. Im SZ-Interview spricht Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) über die schwierige Suche nach Wohnraum und Sozialarbeitenden.

Frau Kaufmann, da sich OB Hilbert und die Fraktionen noch immer nicht auf die Besetzung der Beigeordneten geeinigt haben, scheiden Sie Ende der Woche aus dem Amt. Wie geht es Ihnen damit?

Es macht mich unruhig. Wir brauchen dringend eine handlungsfähige Stadtverwaltung in diesem Herbst.

Die Zahl der Geflüchteten, die Dresden zugewiesen werden, steigt. Mit wie vielen Menschen rechnen Sie in der nächsten Zeit?

Die Zahlen steigen wöchentlich. Wir haben einmal die Menschen, die als Familiennachzug aus der Ukraine nachkommen. Dresden hat mehr Menschen aufgenommen als die Stadt laut Landesdirektion müsste. Die Ukrainer und Ukrainerinnen können wir schnell integrieren und sie finden schneller eine Wohnung. Indes wird es im Bildungsbereich trotzdem immer enger und angespannter. Eine weitaus größere Herausforderung sind Geflüchtete aus anderen Ländern.

Was heißt das?

Es kommen vornehmlich junge Männer aus den bekannten Herkunftsstaaten wie Syrien, Afghanistan und Irak. Außerdem kommen unbegleitete ausländische Minderjährige zu uns. Zehn bis 20 Prozent der Geflüchteten sind Kinder und Jugendliche ohne Eltern. Seit Sommer steigen die Zahlen der Menschen, die in Sachsen ankommen, kontinuierlich an. Die Balkanroute wird rege genutzt. Da wir unmittelbar an Polen und Tschechien angrenzen und die nationale Verteilung nicht funktioniert, bleiben viele Geflüchtete erst einmal hier.

Diese Woche endete der Aufnahmestopp für Geflüchtete in Dresden, mit wie vielen Menschen rechnen Sie denn?

Wir hatten mit der Landesdirektion eine Absprache, dass wir erstmal keine Menschen mehr aufnehmen können, aber jetzt füllen sich die Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates. Dresden nimmt diese Woche 50 Geflüchtete auf, 200 Menschen sind uns für die nächste Woche angekündigt, 212 Personen für die übernächste Woche. Laut Verteilplanung waren es eine Woche zuvor noch jeweils 150 Menschen. Bis Jahresende erwarten wir insgesamt 1700 neue Zuweisungen von der Landesdirektion.

Sie hatten vergangene Woche schon gesagt, die Stadt habe keine Kapazitäten mehr, die Menschen unterzubringen. Können Sie Ihre Aufgabe, die Menschen alle menschenwürdig unterzubringen und zu betreuen noch erfüllen?

Die Situation ist super angespannt. Wir sind nicht gut vorbereitet. Die Stadtverwaltung hat es bisher nicht geschafft, ausreichend Unterkünfte zu akquirieren.

Haben Sie denn alles versucht, um Unterkünfte zu finden und Hotels anzumieten?

Ja, der Platzbedarf wurde genau ermittelt. Das Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung hat unzählige Gespräche geführt und alles geprüft. Wir haben es aber bisher nicht geschafft. Die Bereitschaft von Hoteliers, Liegenschaftseigentümern oder Wohnraumvermietern, geflüchtete Männer unterzubringen, ist deutlich geringer als bei Frauen und Kindern aus der Ukraine. Das muss man so ehrlich sagen.

Kein Mensch flüchtet freiwillig, jeder Kriegsgeflüchtete hat ein Recht auf Asyl und die Unterbringung ist eine Pflichtaufgabe der Stadt. Wo bringen Sie also die Menschen unter?

Die 50 Menschen, die diese Woche kommen, bringen wir noch unter. Ab kommender Woche belegen wir Wohnungen, die zunächst für Schutzsuchende aus der Ukraine geplant waren, und auch Hotels. Details kann ich keine nennen, solange die Tinte unter den Verträgen noch nicht trocken ist. Es werden voraussichtlich zwei Hotels sein mit 100 und 50 Plätzen.

Aber diese Plätze reichen nicht für 1.700 Menschen.

So ist es. Unser Puffer ist längst aufgezehrt. Dresden hat in diesem Jahr schon rund 500 Asylbewerberinnen und Asylbewerber aufgenommen. Wenn nicht plötzlich ein Wunder geschieht, kann Dresden die Unterbringungspflicht nach dem Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz nicht erfüllen. Wir haben alles versucht und alle Optionen ausgeschöpft. Es sind aktuell einige Objekte in der Pipeline, aber zum Beispiel müssen auch das Baurecht und der Brandschutz erfüllt sein.