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Dresdner Jugendamt muss Hunderte Kinder aus den Familien nehmen

Gewalt, Suchterkrankungen ober Überforderung der Eltern sind oft die Gründe, warum das Jugendamt Kinder aus ihren Familien nimmt. Die Stadt sucht dringend Pflegefamilien.

Von Julia Vollmer
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Wenn Gewalt oder eine Suchterkrankung im Spiel sind, muss das Jugendamt eingreifen.
Wenn Gewalt oder eine Suchterkrankung im Spiel sind, muss das Jugendamt eingreifen. © Annette Riedl/dpa (Symbolbild)

Dresden. Die Zahl der Mädchen und Jungen, die aus ihren Familien geholt werden müssen, ist in Dresden auf einem konstant hohen Niveau. Waren es im Jahr 2010 noch 376 Kinder, musste das Jugendamt 2018 schon 453 in Obhut nehmen. Und im Jahr 2020 gab es im Kinder- und Jugendnotdienst und in der Mädchenzuflucht 683 Inobhutnahmen von insgesamt 497 Kindern und Jugendlichen.

2022 und 2021 lagen die Zahlen auf ähnlichen Niveau. Manche Kinder werden auch mehrfach pro Jahr in Obhut genommen oder melden sich selbst im Notdienst. Unter in Inobhutnahmen werden auch die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten gezählt, die von der Polizei aufgegriffen und in den Kinder- und Jugendnotdienst gebracht werden.

Die Mädchen und Jungen werden vom Jugendamt aus den Familien genommen und danach entweder im Kinder- und Jugendnotdienst oder wenn möglich in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht. Martina Schletter vom Dresdner Jugendamt sagt: "Der Bedarf ist riesengroß, da wir immer öfter eingreifen müssen, wenn die Mütter in der Schwangerschaft oder die Eltern zu Hause Drogen konsumieren." Andere Gründe, warum Kinder aus den Familien genommen werden müssen, sind Überforderung, psychische Erkrankungen, Missbrauch und Misshandlungen.

Da sehr kleine Kinder nicht im Kinder- und Jugendnotdienst untergebracht werden sollen, setzt man auf ein familiäres Umfeld bei Familien. Für eine dauerhafte Lösung ist eine Pflegefamilie das Beste für die Kinder. Träger wie die Dresdner Diakonie beraten die Pflegefamilien bei der Herausforderung.

Wie groß ist der Bedarf an Pflegefamilien in Dresden?

Seit 1993 bekommen Pflegeeltern und die, die es werden wollen, in Dresden und Umgebung Unterstützung durch das Fachteam "Pflegekinder in Dresden" der Diakonie.

Begonnen hatte alles im Jahr 1993 mit einer Mitarbeiterin im Bereich Pflegekinderwesen und Familienfürsorge, die erste Sprechzeiten und Seminare anbot. "Mittlerweile begleiten elf Kolleginnen und Kollegen vom Fachteam 'Pflegekinder in Dresden' rund 200 Pflegefamilien", sagt Sprecherin Christiane Jakob. 70 Familien davon werden, meist über einen langen Zeitraum, individuell betreut.

Seit vier Jahren bietet das Team um Leiterin Annette Seidel zudem Herkunftselternberatung an. Dieses Angebot unterstützt Mütter und Väter, deren Kinder in einer Pflegefamilie leben. Aktuell begleitet das Team zehn Herkunftsfamilien. "Herkunftsfamilien von Anfang an gut zu beraten, hilft, einem Loyalitätskonflikt, in dem sich viele Pflegekinder befinden, vorzubeugen", erklärt Annette Seidel.

Derzeit beobachtet das Fachteam aber mit Sorge, dass weniger Dresdner an einer Pflegschaft interessiert sind. Dem gegenüber stehen aber durchschnittlich zehn bis zwölf Kinder, meist im Vorschulalter, die eine Pflegefamilie in Dresden suchen.

"Ich möchte den Dresdnerinnen und Dresdnern Mut machen. Anders als bei der Adoption kann bei einer Pflegschaft auf unsere dauerhafte Unterstützung, zum Beispiel durch Treffen, Kurse oder Beratungsgespräche gebaut werden. Entgegen häufiger Befürchtungen dauern Pflegschaften in der Regel mehrere Jahre, oft sogar bis zum 18. Lebensjahr eines Kindes oder darüber hinaus", so Annette Seidel.

Wer kann Pflegeeltern werden?

Pflegefamilien sucht auch das Jugendamt dringend. Für betroffene Kinder im Säuglings- und Kleinkindalter aber auch für größere Kinder, die ein liebevolles Zuhause auf Zeit brauchen, bis die Kinder in ihre Familien zurückkehren können. Im vergangenen Jahr wurden 66 Kinder in der familiären Bereitschaftsbetreuung untergebracht. Aktuell hat das Jugendamt zwölf Plätze sowie fünf Notfallplätze. Für eine gemeinsame Unterbringung von Geschwisterkindern werden allerdings deutlich mehr Plätze benötigt.

Ein Pflegeverhältnis ist auf Dauer oder auf eine bestimmte Zeit angelegt. Das Sorgerecht besitzen weiterhin die Eltern oder ein bestimmter Amtsvormund. Die Personensorge üben in dieser Zeit die Pflegeeltern im Sinne der leiblichen Eltern oder Vormünder aus.

Auch während des Aufenthaltes in einer Pflegefamilie soll das Pflegekind weiter die Möglichkeit haben, den Kontakt zu seinen leiblichen Eltern zu halten. Dies ist, solange das Kindeswohl gewahrt ist, wichtig für seine persönliche Entwicklung, erklärt das Jugendamt.

Wann gibt es Infoabende der Stadt?

Jeweils von 19 bis 21.30 Uhr sind Informationsabende vom Jugendamt für potenzielle Pflegefamilien geplant am:

  • 7. Juni im Ortsamt Plauen
  • 16. August im Stadtbezirksamt Loschwitz
  • 27. September im Stadtbezirksamt Neustadt
  • 29. November im Pflegekinderdienst