Dresdner Harley-Chapter: "Wir brauchen keine Störenfriede"

Dresden. Da staunen die Leute. Bleiben stehen, respektvoll auf Abstand. So viele Harleys auf einem Fleck sehen sie selten. Nun stehen die Maschinen nebeneinander aufgereiht im Zugang zum Schillergarten und glänzen in der Abendsonne.
Ihre Fahrer haben sich bereits an langen Tischen das erste Bier servieren lassen. Dabei wird es wohl auch bleiben. Schließlich rollen die Motorräder vor der Tür nicht allein heim. Einige der Männer studieren die Karte, schwankend zwischen Rostbrätl mit Butterbohnen und hausgemachter Bratenfleischsülze.
Neuankömmlinge werden mit großem Hallo und kräftigem Schlag auf die Schulter begrüßt. Da klingeln die Blechplaketten an der Kutte. Es ist das allwöchentliche Treffen des Dresden Chapter Germany. Es hat 86 Mitglieder, die eigentlich Members heißen und zwischen 17 und 80 Jahren alt sind.
In ihrer Mitte sitzt Ebs. Auch er heißt eigentlich anders. Eberhardt Grohmann nämlich. Wenn er das Wort ergreift, verstummen die Gespräche, und die Gläser sinken auf die Tischplatte. Seit 25 Jahren ist er der Chef des Chapters. Nur ein Jahr älter ist der Club überhaupt. Er wurde gegründet, als in Dresden "Thomas Heavy Metal Bikes" als erster Harley-Davidson-Händler sein Geschäft eröffnete.
Dealer, Member und Plaketten
Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Zumindest stünden die Überlebenschancen eines Händlers - der eigentlich Dealer heißt - nicht besonders gut, ohne die Unterstützung seines Chapters. Anders herum erübrigt sich ein solcher Bikerclub ohne Bikes. Denn es ist Usus, dass Chaptermember ihre Harleys bei ihrem Dealer kaufen und nicht bei einem anderen oder irgendwo weit draußen im World-Wide-Web. Als Pflicht gilt das nicht, doch als Selbstverständlichkeit.
So haben es schon die Väter gehalten. Die stammen aus Amerika, wo der Harley Owners Club als Dachorganisation der hiesigen Vereinigung gilt. Auf den rindsledernen Kutten - die niemals Westen heißen - finden sich neben den Jahresplaketten der Clubzugehörigkeit bei vielen Bikern Aufnäher mit dem Logo des US-amerikanischen Vorreiters, des eigenen Clubs und von Veranstaltungen. Übrigens: Kein Member würde Aufnäher sagen. Die kleinen bestickten Stoffteile heißen Patches.
"Das Chapter unterstützt seinen Dealer und funktioniert wie eine große Werbeplattform. Im Gegenzug unterstützt der Dealer die Member in allen Fragen rund um die Marke, den Shop und die Werkstatt", erklärt Eberhardt Grohmann.
Seit der 66-Jährige das Zepter führt, und das so gut macht, dass er alle zwei Jahre wiedergewählt wird, herrscht Ordnung im Chapter: "Wir verbringen hier unsere Freizeit. Da brauchen wir keine Störenfriede im Club."
Nachrichten von rivalisierenden Bikerclubs, die sich in kriminellen Sphären bewegen, will er nicht kommentieren. Mit seinen Leuten habe so etwas nichts zu tun. Und sieht man sie sitzen, unter Bäumen, mit Blick auf die friedliche Elbe, glaubt man ihm das sofort.
Sinn und Zweck des Dresden Chapter Germany, neben besagter Promotion für den eigenen Dealer, ist es, die einigende Liebe zu Harley und zum Motorradfahren auszuleben. "Wir unternehmen regelmäßig Reisen, sind schon auf 7.000 Kilometer langen Touren durch Italien gewesen oder 10.000 Kilometer bis zum Nordkap." In Schottland, Irland, Russland haben sie befreundete Clubs besucht.
"Außerdem organisieren wir Charity-Veranstaltungen. Zum Beispiel für den
Sonnenstrahl e. V. haben wir schon 30- bis 40.000 Euro gesammelt." Auch auf Heimkinderausfahrt gehen die Biker - jeder ein Kind als Sozius, das sonst nie in die Lage käme, einmal auf Motorradtour zu gehen.
Auf den Harley Days, die vom 22. bis zum 24. Juli im Ostragehege wieder Tausende Biker aller Philosophien zusammenführen, werden sie sich präsentieren. Möglich, dass dabei Harley-Fans auf den Club aufmerksam werden und die Gesellschaft der Männer und Frauen suchen. Letztere haben sich unter dem Namen "Ladies of Harley" zusammengefunden. Teils unter sich, teils mit den Männern pflegen sie ihr Clubleben.
Leidenschaft und gute Zwecke
Wer Mitglied im Dresden Chapter Germany werden will, kann sein Interesse bekunden oder sich vorschlagen lassen. Dann wird er eingeladen, an einem der wöchentlichen Treffen während der Saison Gast zu sein. "Will er wirklich beitreten, dann muss er natürlich selbst Harley fahren und Kunde bei unserem Dealer sein", erklärt Eberhardt Grohmann.
Ein Jahr Probezeit schreiben die Regularien vor. In dieser Zeit muss sich der Anwärter an sozialen Projekten des Clubs beteiligen und das Clubleben mitgestalten, zum Beispiel bei der Planung von Ausfahrten und Reisen.
Die gemeinsamen Touren stehen unter zwei Sternen: Sie zelebrieren das Hier und Jetzt derjenigen, die eine große Leidenschaft eint - aber nie, ohne auch zurückzuschauen und in Gedanken die Bikerfreunde mitzunehmen, die nicht mehr am Leben sind.
"Im vergangenen Jahr haben wir sechs Member verloren", sagt der Club-Chef. Eins der bekanntesten dürfte der Dresdner Unternehmer und ehemalige Stadtfestplaner Klaus Dieter Lindeck sein, den alle als KDL kennen. Er verließ diese Welt im Mai 2021 und ist doch allen noch so präsent: "Er fährt immer bei uns mit."
Harley Days, 22. bis 24. Juli, Rinne Dresden, Ostragehege. Das gesamte Programm ist unter www.harley-days-dresden.de zu finden. Tickets gibt es ebenfalls im Internet und an der Tageskasse.