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Dresdens Touristiker fordern Erklärung von Kretschmer

Hotels dürfen keine Touristen empfangen. Und während Geschäfte mit der 2G-Regel öffnen dürfen, müssen Reisebüros zumachen. Inhaber sprechen von Willkür.

Von Julia Vollmer & Sandro Rahrisch
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Dresdens Hotels gehen in den mittlerweile dritten Lockdown.
Dresdens Hotels gehen in den mittlerweile dritten Lockdown. © Sven Ellger

Dresden. Als Wellenbrecher hat Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die Corona-Notfallverordnung bezeichnet, die seit Montag gilt. Nicht als Lockdown. Und tatsächlich muss kein Einzelhandelsgeschäft schließen. Die Geschäfte, die nicht zur Grundversorgung zählen, dürfen Geimpfte und Genesene empfangen, unabhängig vom weiteren Infektionsgeschehen. Umso ratloser sind Hoteliers und Reisebüro-Inhaber. In Hotels dürfen keine Touristen mehr einchecken. Reisebüros und Versicherungsagenturen ist der Publikumsverkehr komplett verboten worden. Das sei "willkürlich und diskriminierend", so die Inhaber. Wie rechtfertigt sich die Landesregierung für diese Entscheidung?

"Uns ist durchaus bewusst, dass dringend behördliche Maßnahmen zur Eindämmung der rasant steigenden Infektionszahlen getroffen werden müssen", schreibt der Vorstand des Vereins Dresdner Reisebüros an den Ministerpräsidenten und die Sozialministerin. "Wir wissen, dass Kontakteinschränkungen nötig sind, auch im Tourismus. Wir können durchaus nachvollziehen, dass beispielsweise Reisen momentan einen Risikofaktor darstellen und für einen gewissen zeitlichen Rahmen unterbunden werden sollen."

Reisebüro-Inhaber fordern eine Erklärung

Was die Betreiber der mehr als 40 Reisebüros und Reiseveranstalter nicht nachvollziehen könnten, sei die Schließung ihrer Geschäfte, während andere Ladenlokale, in denen die Kunden sogar Waren berühren und anprobieren, mit 2G-Regeln weiterhin geöffnet bleiben dürften.

"Vielleicht waren Sie coronabedingt schon lange in keinem Reisebüro? Reisebüros sind zumeist kleinere Ladenlokale mit eingeschränktem Publikumsverkehr, die adäquat zu anderen Einzelhandelsgeschäften seit Monaten mit sehr guten Hygienekonzepten arbeiten." Man arbeite meistens mit Terminvergabe.

"Sie vernichten Arbeitsplätze bzw. schicken gerade wieder in Vollzeit übernommene Arbeitnehmer erneut in die Kurzarbeit", lautet ein Vorwurf an die Landesregierung. Die Inhaber fordern eine Erklärung wie es zu der unterschiedlichen Behandlung gekommen ist.

Bülow-Hotels sitzen auf 300 Gänsen

Die Dresdner Hoteliers hätten den offenen Brief vermutlich uneingeschränkt mit unterschrieben. "Die Situation im Bülow Palais und der Residenz ist vergleichbar mit dem letzten Jahr: Die Buchungen in beiden Hotels waren bis Ende letzter Woche gut und teilweise ausgezeichnet", sagt Hotelchef Ralf Kutzner. "Der Dezember ist für uns wirtschaftlich mit Abstand der stärkste Monat im Jahr."

Die Veranstaltungen und Weihnachtsfeiern seien gut gebucht gewesen. "Um die Nachfrage im Restaurant bewältigen zu können, mussten wir im Vorfeld frische Gänse reservieren. Dem kamen wir nach und stehen nun vor der Herausforderung, in den kommenden vier bis fünf Wochen 300 Gänse zu verkaufen." Ab 1. Dezember werde man über die Website Genussboxen anbieten. "Die meisten unserer Mitarbeiter sind geimpft und hoffen durch die ergriffenen Maßnahmen der Regierung auf die baldige Rückkehr zu einer anhaltenden Normalität."

"Die Maßnahmen sind komplett unverhältnismäßig"

Abermals würden die Corona-Maßnahmen das Gastgewerbe besonders hart treffen, sagt auch Florian Leisentritt, Sprecher der Dresdner Hotelallianz und Chef des Gewandhaus-Hotels. "Es gibt massive Umsatzeinbußen in Beherbergungsbetrieben, da sie keine touristischen Gäste aufnehmen dürfen."

Natürlich sehe er die Ernsthaftigkeit der Lage und habe vollstes Verständnis für die Notwendigkeit, hier rasch etwas zu unternehmen. "Die Maßnahmen sind aus meiner Sicht aber komplett unverhältnismäßig, weil sie wieder einmal deutlich zu Lasten des Gastgewerbes gehen. Ich bin enttäuscht von den extrem harten Maßnahmen, weil ich der Meinung bin, dass wir nie der Pandemietreiber waren und auch nicht sein werden, mit den ohnehin schon hohen Hygienestandards."

Die Absage der Weihnachtsmärkte führe nicht zu einer Kontaktreduktion, schätzt Leisentritt. Die Kontakte würden vielmehr nach Hause verlagert, ohne Abstandsregeln und Hygienekonzepte. "Um eine Pleitewelle zu vermeiden und Mitarbeiter zu halten, ist es wichtig, jetzt zukunftssichernde und ausreichende Corona-Hilfen für die Branche auf den Weg zu bringen, unabhängig von der Unternehmensgröße."

Hauptaufgabe: Stornierungen entgegennehmen

Hart getroffen haben die aktuellen Corona-Regeln auch das Taschenbergpalais. "Wir sind gerne bereit, alle Maßnahmen mitzutragen, inklusive 2G plus. Aber das Verbieten von touristischen Aufenthalten nimmt uns in Dresden die vollständige Basis", sagt Sprecher Clemens Degenhardt. Vor allem das Übernachtungsverbot für Touristen im Dezember sei schwer, da "durch den Striezelmarkt das touristische Aufkommen auf Jahreshoch ist". Die vielen geplanten und gebuchten Weihnachtsveranstaltungen der Gäste seien auch nicht möglich. "Die Zahlen für November und Dezember sahen bis vor ein bis zwei Wochen noch sehr vielversprechend aus. Aktuell sind wir primär damit beschäftigt, Stornierungen entgegenzunehmen."

Köpping: "Bei Reisebüros ist ganz viel digital möglich"

Warum ausgerechnet Hotels und Reisebüros so hart behandelt werden? Sozialministerin Petra Köpping (SPD) hat sich am Dienstag auf einer Pressekonferenz dazu geäußert. "Mich haben das Wochenende über eine ganze Reihe von sehr herzreisenden Mails erreicht, auch von Hoteliers, Reisebüros und Ferienwohnungsbetreibern. Mit der Frage: Wieso schon wieder wir?"

Laut Köpping sei es das Ziel, Bewegungen und Kontakte zu verringern. Deshalb habe man nicht überall 2G oder 2G-plus zulassen können. "Bei Reisebüros oder Versicherungsagenturen ist ganz viel digital möglich, was im Geschäft nicht geht. Deshalb haben wir sie mit in die Gruppe hineingenommen." Damit wolle man den Betreibern nicht unterstellen, dass ihre Läden Infektionstreiber wären. "Ich bitte diese Unternehmen zu verstehen, dass wir in einer Notlage sind."