Dresden. Bei dem Mann, der sich am Freitag nahe des Landtags selbst angezündet hat und infolge seiner Verletzungen später in einem Krankenhaus verstarb, handelt es sich nach Angaben von Freunden und Bekannten um den Kurden Halil S. aus Dresden. Hintergrund sei der Umgang mit Abdullah Öcalan. Der Führer der in der Türkei als Terrororganisation eingestuften Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) sitzt in lebenslanger Haft.
Halil S. lebte laut einem Bericht der türkischsprachigen Nachrichtenagentur ANHA zufolge seit 25 Jahren in Dresden. Er stamme aus Siirt, einer Stadt in der Region Südostanatolien und habe vor einigen Tagen angekündigt, nach Berlin zu fahren, um an einem Gedenkmarsch für Öcalan teilzunehmen, schreibt ANHA. Bekannte von ihm hätten ihn als vermisst gemeldet, weil es seit seiner Abreise aus Dresden keine Nachricht mehr von ihm gab.
Zu dem "langen Marsch" wurde bereits im November 2020 unter anderem im Internet aufgerufen. Der Marsch sollte demnach nach Straßburg führen und dort am 13. Februar mit einer Großkundgebung enden. Jährlich finden solche Protestveranstaltungen Mitte Februar statt, weil Öcalan am 15. Februar 1999 festgenommen worden ist.
In dem ANHA-Bericht heißt es weiter, Halil S. habe einen Abschiedsbrief hinterlassen. Dieser Brief sei in der Wohnung des Mannes gefunden worden. Die Polizei bestätigte das nicht, es liege kein Abschiedsbrief vor, sagte Sprecher Marko Laske.
Die Beamten erklärten am frühen Dienstagnachmittag weiter, bei dem Mann handele es sich um einen 49-Jährigen, der aus der Türkei stammte und in Dresden-Briesnitz wohnte. Mehr Einzelheiten und Hintergründe zum Motiv der Selbstverbrennung nannten die Ermittler nicht.
Am Nachmittag fand eine Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an Halil S. am Landtag statt. Auch die Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Die Linke) hatte im Kurznachrichtendienst Twitter auf das Treffen hingewiesen.
Zu der Kundgebung hatte unter anderem die "Initiative für Frieden in Kurdistan" aufgerufen. "Unser Freund und Genosse Halil ist tot", teilte sie in ihrem Aufruf mit. Dieser hatte die Überschrift "Aus der Trauer zur Wut". Der Tod des 49-Jährigen sei ein politischer, so wie auch sein Leben ein politisches gewesen sei, hieß es weiter. Traurig seien die Mitglieder der Initiative darüber, "dass er keinen anderen Weg sah". Und wütend, weil "uns die Behörden über Tage im Ungewissen ließen".
Gefängnisstrafe für PKK-Werbung
Rund 150 Menschen sind nach Schätzung eines SZ-Reporters vor Ort dem Aufruf gefolgt und haben sich mit Blumen und Kerzen an dem Ort versammelt, an dem sich Halil S. am Freitag angezündet hat. Dabei wurden kurdische Flaggen geschwenkt und politische Parolen auf Türkisch gerufen.
Halil S. sei ein politischer Aktivist gewesen, der sich voll und ganz Öcalan verschrieben hatte, sagte ein Vertreter des Verbandes "Freie Kurdistan Förderation Ostdeutschland" (FED-KURD). Anwesende erzählten, dass Halil S. seit einem schweren Autounfall 2016 nicht mehr gearbeitet habe. Zuvor sei er als Bauarbeiter tätig gewesen.
Der 49-Jährige, der nach Aussagen seiner Bekannten keine Familie und keine Kinder hatte, habe bei den Kurden in Dresden von Anfang an versucht, neue Anhänger für den PKK-Anführer Öcalan zu werben.
Dabei ist er zu weit gegangen, bescheinigte ihm im Januar 2011 das Landgericht Dresden. Damals wurde Halil S. zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte fast 20.000 Euro für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und ihre Folgeorganisationen gesammelt und als Verantwortlicher für den Raum Dresden auch Zeitschriften oder Eintrittskarten für Veranstaltungen der illegalen Organisationen vertrieben. Dabei war er Wiederholungstäter, denn er war bereits mehrfach einschlägig vorbestraft.
Drei Tage Ermittlungen zu Identität und Hintergründen
Update Montag, 15. Februar, 13.35 Uhr: Noch immer kann die Polizei nichts zur Identität des Mannes und den Hintergründen der Tat sagen. Die Ermittler hoffen, dass es Menschen gibt, die etwas dazu sagen können. Gesucht werden deshalb Personen, die den Mann kannten und die Beweggründe für seine Verzweiflungstat nennen können.
Hinweise nimmt die Polizeidirektion Dresden unter der Rufnummer 0351 483 2233 entgegen.
Update vom Freitag, 12. Februar, 17.20 Uhr: Der Mann, der sich hinter dem Landtag selbst angezündet hat, ist nur kurze Zeit nach der Einlieferung ins Krankenhaus Friedrichstadt verstorben. Das teilte Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) am Freitagnachmittag am Rande einer Pressekonferenz mit. Die Hintergründe zur Tat seien bisher unbekannt. Sie sprach von einer traurigen Nachricht.
Die Person sei von Passanten gefunden worden, so Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar im Anschluss. Diese versuchten seiner Aussage zufolge, den Mann im Schnee zu löschen. Das Opfer habe keine Ausweispapiere bei sich getragen. Die Identität sei noch ungeklärt.
Kretzschmar wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen, ob es sich um ein politisches Motiv gehandelt haben könnte. Bislang gebe es keine Hinweise auf das Motiv.
Was bis zum Montag bekannt war
Dresden. Passanten haben am Freitag gegen 13.30 Uhr einen brennenden Mann am Dresdner Elbufer nahe des Sächsischen Landtags gefunden. Es waren laut Augenzeugen mehrere Ersthelfer einer Baufirma vor Ort, die sich um den Verletzten kümmerten.
Auch ein Rettungshubschrauber war vor Ort, der den Mann aber nicht mitnahm - offenbar waren die Verletzungen zu schwer, um ihn nach Leipzig zu bringen. Auch das Kriseninterventionsteam war vor Ort. Der Mann wurde in ein Dresdner Krankenhaus gebracht, teilte die Polizei mit.

Bisherigen Erkenntnissen zufolge habe er sich selbst mit einer Flüssigkeit übergossen und angezündet. Zu seiner Identität lägen bislang keine Angaben vor. Die Hintergründe der Tat seien bislang unbekannt heißt es. (SZ)
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