Warum eine Pianistin aus Russland jetzt deutsche Staatsbürgerin ist

Dresden. Draußen vor dem Fenster fährt die Straßenreinigung vorbei. Autos rauschen durch den Dresdner Vormittagsverkehr. Aber drinnen, auf der anderen Seite des Fensters, sitzt jemand und spielt romantische Musik. Schon am frühen Morgen hatte Maria Burna dieses Lied im Kopf. Liebestraum Nummer 3, von Franz Liszt. Jetzt beugt sie sich über das Klavier, und während ihre Finger über die Tasten gleiten, wiegt sie sich gefühlvoll vor und zurück.
Das Klavier steht in ihrem Musiksalon an der Kesselsdorfer Straße. Verträumt, fast melancholisch klingt das Stück von Franz Liszt. Für Maria Burna klingt es nach Neuanfang. "Dieses Jahr ist wie ein neues Leben", sagt sie. "Es hat sich so viel geändert."
Maria Burna ist 31 Jahre alt und stammt aus Russland. 2014 zog sie zum Studium nach Dresden. Seitdem bereichert sie die Kulturszene der Stadt. Als Musiklehrerin und als Künstlerin. Immerhin galt Burna als eine der bekanntesten internationalen Nachwuchstalente am Klavier.
2020 stand sie zum Beispiel beim Palais-Sommer auf der Bühne. Sie hat aber auch schon Konzerte in Russland, Spanien, der Schweiz und in Kroatien gegeben. In Venedig gewann sie den Grand Prix beim internationalen Klavierwettbewerb "Citta San Dove di Piave".
Damals hieß sie noch Burnaeva. Ihren Namen hat sie nun geändert, zusammen mit ihrer Staatsbürgerschaft. Maria Burna ist jetzt Deutsche, aber dazu später mehr. Auch beruflich hat sie sich weiterentwickelt. Ihre Musikschule - der Musiksalon Dresden - soll wachsen. Mit ihrem Mann - einem Violinisten - treibt sie ein gemeinsames Projekt voran. Und neue Konzerte sind auch geplant.
"Dresden ist sehr, sehr schön"
Musik spielt in Marias Familie eine große Rolle. Aufgewachsen ist sie in der autonomen russischen Republik Mari El, rund 500 Kilometer östlich von Moskau. Ihre Mutter, eine Philologin für russische Literatur und Sprache, führte sie mit vier oder fünf Jahren ans Klavier heran. Marias Schwester studiert derzeit Violine in Wien.
Als Maria sechs Jahre alt war, kam sie an ein Musik-Internat für begabte Kinder. Später studierte sie in Kasan und Moskau. Weil die Dresdner Hochschule unter Musikern einen hervorragenden Ruf genießt, entschied sie sich für die Landeshauptstadt. "Dresden ist sehr, sehr schön", sagt sie. "Die Leute hier haben großes Interesse an Kultur. Auch an klassischer Musik."
Ihren Master im Fach Klavier hat Maria 2019 abgeschlossen - mit Bestnote. Zudem studierte sie Instrumental- und Gesangspädagogik, um Kindern und Erwachsenen in Dresden das Klavierspielen beizubringen.
Mit dem Musiksalon hat sich Maria selbstständig gemacht. An der Kesselsdorfer Straße gibt es nun Lehrerinnen für Gesang, Violine, Flöte, Gitarre und Ukulele. Die Nachfrage ist hoch. So hoch, dass Maria bald eine zweite, größere Filiale an der Gohliser Straße eröffnet. Derzeit werden noch Möbel eingeräumt und Instrumente bestellt. Eine dritte Filiale könnte bald folgen.
Damit nicht genug. Maria hat einen Traum: Sie würde gern ein Musikkolleg gründen. Als eine Art Mittelstufe zwischen den Hochschulen, an denen sehr hohes Niveau herrscht, und den Musikschulen, wo es vor allem um die Grundlagen geht. Um so ein Kolleg zu etablieren, bräuchte sie allerdings staatliche Unterstützung. Noch ist das Zukunftsmusik.
Bei all dem Erfolg und den großen Zielen stellt sich allerdings die Frage, ob das, was in der Ukraine passiert, Marias Arbeit in Dresden beeinflusst. Schließlich hat sie auch Schüler aus der Ukraine. Kommt es zu Konflikten?
"Ich möchte Teil dieses Flusses sein"
"Überhaupt nicht", sagt sie. Weder mit den ukrainischen Kindern noch mit deren Eltern gebe es Probleme. Mit ihrem "August Piano Trio" hat Maria im Mai ein Benefiz-Konzert gespielt - zugunsten von Flüchtlingen aus der Ukraine. Ansonsten bleibt sie bei dem Thema sehr zurückhaltend. "Ich rede lieber über Kultur. Politik will ich nicht beurteilen."
Ihre deutsche Staatsbürgerschaft hatte sie schon 2021 beantragt - vor Russlands Angriff auf die Ukraine. Maria Burna hat sich nämlich fest dazu entschlossen, ihr Leben an der Elbe zu verbringen. Dresden sei zwar keine Millionenstadt. Aber die Staatskapelle und die Semperoper, wo sie selbst schon gespielt hat, zählt sie zu den feinsten Adressen der Musikwelt. Hinzu kommt die Schönheit der Stadt. Altmarkt, Albertinum, Frauenkirche. Wenn sie all das sieht, schlägt ihr Herz höher. "Es motiviert mich."
Und so stürzt sie sich nun in weitere Projekte. So hilft sie zum Beispiel ihrem Mann Davud Kadymov, der als Geigenbauer am Altmarkt arbeitet. Maria kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit, wobei ihr die Kontakte helfen, die sie in den vergangenen Jahren geknüpft hat. Zudem organisiert sie die Konzertreihe "Personanz": Noch im August sollen dabei mehrere Musiker, verdeckt von einem durchsichtigen Schleier, auf dem Neumarkt auftreten.
Viel zu tun also. Aber das liegt in Marias Natur. Sie hat auch ein Bild für dieses Lebensgefühl: "Plätscherndes, rieselndes, spritzendes Wasser". Mit dieser Energie will sie Dresdens Entwicklung bereichern. "Ich möchte Teil dieses Flusses sein."